Illustration: Lea Heinrich 15
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igentlich war das Motto ja ein bisschen anders
gemeint: »Zur Generation Golf gehören
auch die über Fünfzigjährigen«, sagte der
VW-Marketingchef Berthold Krüger 1998 der
»Wirtschafts woche«. Die Werbekampagne zur Ein-
führung des Golf IV sollte die gemeinsamen
Werte der Golf-Fahrer betonen, über die Alters stufen
hinweg.
Doch Florian Illies, Jahrgang
1971, sah in den Slogans
einige grundsätzliche Verhal-
tensweisen seiner Genera -
tion, der zwischen 1965 und
1975 Geborenen, auf den
Punkt gebracht. Vor 20 Jah-
ren, im März 2000, veröf-
fentlichte der damalige Lei-
ter der »Berliner Seiten« im
Feuilleton der »Frankfurter
Allgemeinen Zeitung«
sein Buch »Generation Golf.
Eine Inspektion«. Und
löste erregte Debatten aus.
Nicht unbedingt wegen
seiner Einstiegsszene, die
ist längst zur klassischen
Beschreibung des bundes -
republikanischen Kind -
heitsidylls Anfang der Acht-
zigerjahre geworden: das
See räuberschiff von Play -
mobil in der Badewanne,
danach in den vorgewärmten
Kapuzenbademantel.
Dann ein Nutellabrot und
»Wetten, dass..?« mit
Frank Elstner schauen.
Im Heraufbeschwören von
Produktnamen, Fernsehsen-
dungen und Werbesprüchen
war »Generation Golf« sehr
genau, den nostalgischen
Effekt, den das bei den etwa gleichaltrigen Lesern
seinerzeit auslöste, hat das Buch bis heute nicht ver -
loren – wenn auch manche der darin als Neuerung
beschriebenen Dinge längst Patina angesetzt haben:
Gibt es heute noch »Blade-Nights«, bei denen
Inlineskater »zusammen mit ganz vielen Gleich -
gesinnten individualistisch« sein können?
Debattiert wurde aber viel mehr über Illies’ Diagnose,
dass die Generation Golf die Ästhetik über die Moral
stelle, sich »mehr Gedanken macht über die Anzüge
der Politiker als über deren Taten« und letztlich aus
Desinteresse konservativ sei. Mit einem VW-Slogan
gesagt: »Die Suche nach dem Ziel hat sich somit
erledigt.« Veränderungen werde die Zukunft kaum
bringen. So sei es die Generation von klein auf vom
Zauberwürfel gewohnt: »Alles war schön bunt, aber
wir wussten doch, dass es für jedes Klötzchen auch
das richtige Plätzchen gab (...) Selbst wenn jemand
diese Welt zerstörte, könnte man sie jederzeit durch
bloßes Zurückdrehen wie-
derherstellen.«
Die Mischung aus melan-
cholischer Kindheits- und
Jugenderinnerung und
Gegenwartsanalyse verfing
beim Lesepublikum gewal-
tig – auch wenn oft nur die
Realität »des Starnberger-
See-Düsseldorf-Bonn-Berli-
ner-Teils« der Generation
beschrieben wurde. Am
- April 2000 stieg »Gene-
ration Golf« auf Platz 14 in
die SPIEGEL-Bestsellerliste
ein. Höchste Platzierung
war Platz drei, ein Jahr spä-
ter war es immer noch unter
den Top 5. Erst im Juli 2001
rutschte es aus den ersten 15.
Als Prophet erwies sich
Illies in »Generation
Golf« allerdings nicht. Die
Grundthese, dass die
Generation ein Leben ohne
größere Erschütterungen
erwarte, erwies sich als
Irrtum, wie Illies 2003 im
Nachfolgebuch »Genera -
tion Golf zwei« einräumen
musste: 9/11 brachte die
scheinbar so stabile Welt-
ordnung ins Wackeln,
und das Platzen der New-
Economy-Blase zerstörte manche Hoffnung auf ein
Leben aus Aktiengewinnen.
Zu manchen von Illies’ damaligen Ansichten würde
sich heute wohl nicht mal mehr Friedrich Merz öffent-
lich bekennen: »Gottlob haben wir den Feminismus
überwunden«, hatte Illies in »Generation Golf« ge-
schrieben. Ähnlich aus der Zeit gefallen ist wohl nur
noch sein Spott über »Plastikhalmverächter«.
Felix Bayer, wie Illies ebenfalls 1971 geboren, fuhr als
junger Mann einen 2CV, dann einen Saab.
Felix Bayer Damals auf der Bestsellerliste
Florian Illies:
»Generation Golf«