Der Spiegel - 07.03.2020

(Ben Green) #1

er nun in Vollzeit und bezieht ein Gehalt.
Auch ein aktiver deutscher Politiker ist
dort beschäftigt: Philipp Amthor, 27, Bun-
destagsabgeordneter und konservativer
Jungstar der CDU. Ihn führt Augustus als
Aufsichtsratsmitglied.
Der Firmenboss ist ein deutscher Entre-
preneur namens Wolfgang Haupt, wei -
terer Präsident neben Guttenberg ist
Charles-Édouard Bouée, der erst im ver-
gangenen Jahr zurückgetretene Chef der
Unternehmensberatung Roland Berger.
Auch der 23-jährige IT-Experte Pascal
Weinberger, vom Wirtschaftsmagazin
»Forbes« Wunderkind getauft, zählt zum
Führungskreis.
Vor wenigen Wochen, am Tag vor Be-
ginn des Weltwirtschaftsforums in Davos,
lud der französische Präsident Emmanuel
Macron 150 Unternehmer ins Barock-
schloss von Versailles, damit sie in Frank-
reich investieren. Einige Gäste durften sich
mit Video botschaften präsentieren: die
Vorstandsvorsitzenden von Coca-Cola,
YouTube, Netflix – und Wolfgang Haupt.
»Die künstliche Intelligenz«, sagte er, »ver-
ändert die Welt, diejenigen, die sie beherr-
schen, werden ganz oben sein.«
Noch in diesem Jahr werde Augustus in
Frankreich 50 Millionen Euro investieren
und 50 Arbeitsplätze schaffen, kündigte
Haupt an. Das Geschäft floriert offenbar.
In einer Firmenpräsentation heißt es, Au-
gustus habe im vorigen Jahr 72 Millionen
Dollar von Investoren eingesammelt. Ei-
nes der bunten Diagramme zeigt Progno-
sen für die Geschäftsentwicklung. Die
Einheit: Milliarden. Im besten Falle könne
man in vier Jahren einen Gewinn vor
Steuern von sechs Milliarden Dollar ein-
fahren, im vorsichtigsten Szenario immer-
hin 342 Millionen. Die Firma bezeichnet
das Dokument auf Anfrage als »veraltet«.
Ist das alles nur eine Täuschung?


Die Probleme für Augustus begannen da-
mit, dass die Firma zwei Manager entließ:
Marco Pacelli, der sich in seinem Firmen-
profil als »passionierter Daten- und Ana-
lyseguru« bezeichnen lässt; seit 1975 habe
er in Tech-Unternehmen gearbeitet. Ed
Crumps Lebenslauf weist Amazon und
Netflix als frühere Arbeitgeber auf. Pacelli
arbeitete von Juli vergangenen Jahres
an als Chief Commercial Officer für Au-
gustus, Crump seit September als Head
of Product. Sie verdienten sechsstellige
Gehälter.
Augustus wirft ihnen vor, eine Konkur-
renzfirma namens Quantum Intelligence
aufgebaut zu haben. Sie hätten Augustus-
Kunden für Quantum abgeworben und
geistiges Eigentum ihres Arbeitgebers ge-
stohlen. Darum hat die Firma sie gefeuert
und Schadensersatz gefordert.
Im Januar reichte Augustus Klage ein:
Vertragsbruch, Missbrauch geistigen Ei-

gentums, unlauterer Wettbewerb, unrecht-
mäßige Bereicherung. Man habe umfang-
reiche und unwiderlegbare Beweise, er-
klärt das Start-up. Die beiden Mitarbeiter
hätten so dreist gehandelt, »dass es nicht
lange dauerte, bis das Management von
Augustus von Mitarbeitern, Kunden und
Lieferanten auf ihre Handlungen aufmerk-
sam gemacht« worden sei.
Crump und Pacelli erklären, Quantum
sei keine Konkurrenz, sie hätten Augustus
weder um Eigentum noch um Klienten
betrogen – und sie hätten ihre Beteili gung
bei Quantum frühzeitig offengelegt. Im
Februar reichten sie eine Gegenklage ein.
Es sind arbeitsrechtliche Auseinander-
setzungen, bei denen sich die beiden
Seiten gegenseitig bezichtigen, die Un-
wahrheit zu sagen. Die Vorwürfe, die da-
bei öffentlich werden, wiegen schwer.
»Augustus Intelligence ist eine illegitime
Organisation«, schreiben die Anwälte
von Pacelli und Crump. Die Firma drehe
sich vor allem darum, dass sich »ihr hoch-
rangiges und politisch vernetztes Füh-
rungspersonal bereichern und sich vor
Konsequenzen für ihr Gebaren schützen
kann«.

Schon bei ihrer Einstellung seien die bei-
den Manager betrogen worden, das Unter-
nehmen habe ihnen – und auch Investoren
gegenüber – falsche Angaben darüber ge-
macht, wie viel Geld bereits in das Start-
up investiert worden sei. Augustus habe
für 2019 einen Umsatz von fast 100 Mil-
lionen Dollar angekündigt – tatsächlich sei-
en die Umsätze um zweistellige Millionen-
beträge niedriger gewesen, in einem Do-
kument sei gar die Rede von einem Umsatz
»zwischen null und drei Millionen Dollar«
gewesen, behaupten Pacelli und Crump,
die inzwischen ungefähr 200 000 Dollar
an Anwaltskosten ausgegeben haben.
Zudem habe Augustus keine Software
entwickelt, die man hätte verkaufen kön-
nen. State-of-the-Art-Technologie zum
Wohle der Menschheit? Von wegen, schrei-
ben die Kläger: Die innovativen Produk-
te, mit denen Augustus geworben habe,
soll eine »aus öffentlich verfügbaren Pro-
grammiercodes zusammengehau ene« De-
moversion gewesen sein. »In Wahrheit«,
so heißt es in der Klage der Ex-Mitar -
beiter, »hatte die Firma das behauptete
Funding nicht, hatte auch kein Produkt
und weder substanzielle Kunden noch
Einnahmen.«
Ein eher lustiges Beispiel für den an-
geblichen großen Schwindel: Die Unter-
nehmensführung soll Mitarbeiter angehal-
ten haben, Freunde zusammenzutrom-
meln und ins Büro zu setzen, damit
poten zielle Investoren beim Besuch der
Räume ein vermeintlich geschäftiges Trei-
ben vieler Mitarbeiter vorfänden. Diesen
Vorwurf weist die Firma auf Anfrage zu-
rück: »So etwas hätten wir nie nötig«,
man habe schließlich 80 Angestellte in
vier Büros.
Die Firma sei eine komplette Mogel -
packung, behaupten dagegen die Ex-Mana -
ger und werfen Augustus vor, einen weite-
ren Mitarbeiter unter Druck gesetzt zu
haben, falsche Anschuldigungen gegen sie
zu erheben. Der habe sich geweigert und
sei ebenfalls entlassen worden.
Die Darstellung der Kläger sei vollkom-
men falsch, lässt Augustus ausrichten. Ge-
genüber dem SPIEGELteilt die Firma in
einer umfangreichen Stellungnahme mit,
dass sie vollständig kapitalgedeckt sei.
»Wir haben Umsätze und Klienten auf bei-
den Seiten des Atlantiks«, heißt es in der
Antwort. Außerdem habe man sich bisher
zwei Patente gesichert und weitere bean-
tragt, sei also in der Lage, eigene Produkte
zu entwickeln.
Auf eine SPIEGEL-Anfrage an das Un-
ternehmen meldete sich eine der weltweit
größten PR-Agenturen zurück, Edelman.
Die Experten für Krisenkommunikation in
New York, in deren Beirat Guttenberg seit
2018 sitzt, übermittelten dem SPIEGEL
auch eine angebliche Investorenliste mit
Stand Juli 2019. Die Namen der Geldgeber

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SHUTTERSTOCK

Wurden Mitarbeiter an-
gehalten, Freunde
zusammenzutrommeln
und ins Büro zu setzen?

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