Florian Jaenicke FRIEDRICH UND DAS LEBEN
In ein paar Wochen wird Friedrich 15 Jahre alt, und das, was man
Kindheit nennt, verblasst am Horizont wie Frühnebel an einem son-
nigen Morgen. Im letzten Jahr erzählte ich an dieser Stelle rückbli-
ckend von Friedrichs Geburt bis heute, den Sorgen und den schönen
Stunden mit ihm. Wie schon damals, kurz nachdem wir die Dia gno se
bekamen, schwere Hirnschädigung nach Sauerstoffmangel während
der Geburt, wissen wir auch heute nicht, wie Friedrichs Zukunft aus-
sieht. Sie ist schwer zu erkennen, so wie Friedrich auf diesem Bild,
auf dem er vom Rücklicht seines Behindertentransports angeleuchtet
wird. Jeden Morgen wird er von zwei Fahrern, meist ältere Leute, die
damit ihre Rente aufbessern, in aller Herrgottsfrühe abgeholt und
in seine heilpädagogische Tagesstätte gebracht. Viele der Fahrer sind
selbst schon nicht mehr fit, sodass sie beim beschwerlichen Montie-
ren der Rollstühle ächzen. Häufig haben sie Angehörige, die ähnlich
hilfsbedürftig wie Friedrich sind, und wissen darum, wie wichtig es
für uns Eltern ist, dass unsere Kinder sicher zur Einrichtung gebracht
werden. Aber schon oft dachte ich mir, dass manche von den Fahrern
eigentlich selbst Hilfe brauchen.
Unser Leben ändert sich, weil Friedrich sich ändert, nicht nur kör-
perlich. Die Pubertät ist eine besondere Zeit, die allen Beteiligten
Fragen stellt. Hin und wieder werde ich in Wort und Bild berichten,
wie es ihm und uns damit ergeht.
Ein Jahr lang veröffentlichte der Fotograf Florian Jaenicke, 50, im ZEITmagazin eine Kolumne über seinen Sohn Friedrich, der
seit seiner Geburt 2 0 05 mehrfach schwerstbehindert ist. Künftig wird Jaenicke in unregelmäßigen Abständen erzählen, wie es mit
seinem Sohn weitergeht. Sein Buch über Friedrich erscheint in diesen Tagen unter dem Titel »Wer bist du?« im Aufbau Verlag
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