Die Zeit - 12.03.2020

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Armin und die Panzerreiter


Seinen Kritikern ist er zu weich, ein Durchwurschtler ohne Profil, eine Merkel als Mann. Warum Armin Laschet


trotzdem CDU-Chef und Kanzler werden will – und warum seine Chancen gar nicht mal so schlecht sind


VON STEFAN WILLEKE

Im Augenblick hat Armin Laschet zwei politi-
sche Gegner, die ihm noch schwer zu schaffen
machen könnten, weil sie unberechenbar sind:
das Coronavirus und Friedrich Merz. Das Virus
breitet sich rasend schnell aus, und als Minister-
präsident Nordrhein-Westfalens, des bevölke-
rungsreichsten Bundeslandes, wird von ihm
er wartet, dass er die Lage in den Griff bekommt.
Auch Friedrich Merz kostet ihn Kraft. Merz
will etwas, das auch Laschet will: Vorsitzender
der CDU werden.
Allerdings gibt es noch einen weiteren
Gegner, den man nicht unterschätzen darf.
Das ist ein 59-jähriger Mann aus Aachen-
Burt scheid, der eine Frau und drei erwachsene
Kinder hat, sich ge legent lich einen Zigarillo
ansteckt und manchmal so wirkt, als habe er
sich in einem Ku rio si täten kabi nett der Bun-
desrepublik bereits seinen Platz ausgesucht.
Diesen Menschen kann Laschet nicht abwim-
meln, und er könnte der hartnäckigste aller
Gegner werden. Dieser Mensch ist er selbst.
Wird sich Laschet selbst eine Falle stellen?
Wird er in fatalen Momenten der Unentschie-
denheit etwas Elementares vermissen lassen,
etwas, das vielen Menschen wichtiger erscheint
denn je – Führungsqualität?

An einem Freitagmorgen Ende Februar
springt Laschet aus seiner schwarzen Dienst-
limou si ne und eilt die Stufen des Rathauses in
Aachen hoch. Hier hat er seine politische Kar-
riere begonnen, bis zum Jahr 2004 war er Rats-
herr in dieser Stadt, in der er geboren wurde
und aufwuchs. Mit der Fotografin der ZEIT ist
er im historischen Ratssaal ver ab redet. Laschet
betritt den Raum, zeigt auf einen Platz am
Rand und sagt: »Da drüben habe ich früher
gesessen.« An den Wänden hängen wuchtige
Gemälde großer Persönlichkeiten, nirgendwo
in der Stadt ist die Geschichte so übermächtig.
Laschet nimmt eines der Bilder in den Blick
und fragt: »Von welchem Saal kann man schon
behaupten, dass Na po leon einem zuschaut?«
Dann verständigt er sich mit der Fotografin
darauf, sich vor ein Gemälde zu stellen, das
Karl den Großen zeigt. Kann das wahr sein:
Armin Laschet lässt sich vor Karl dem Großen
fotografieren? Er lächelt vergnügt, deutet auf
den Reichsgründer und sagt: »Der war ja früher
mal Bundesvorsitzender.«
Dann muss er los, im Krönungssaal des Rat-
hauses wird er erwartet. Etwa 400 Schüler sind
zu einer Veranstaltung über Demokratie und
In te gra tion zusammengekommen, den Glas-

Der nordrhein-westfälische
Ministerpräsident Armin Laschet,
59, im Rathaus von Aachen vor
einem übermannshohen Gemälde,
das Karl den Großen zeigt


  1. MÄRZ 2020 DIE ZEIT No 12 DOSSIER 17


I


kasten mit einer Kopie der Reichskrone beach-
ten sie nicht. Die Jugendlichen, 13 und 14
Jahre alt, interessieren sich für den Rapper Eko
Fresh, der später auftreten soll und sich in die
erste Stuhlreihe setzt, zwei Plätze neben Laschet.
Als der Ministerpräsident auf der Bühne steht
und auf Fragen aus dem Publikum wartet, sagt
jemand ins Mikrofon: »Haben Sie selber schon
mal Diskriminierung erlebt?«
Laschet könnte erzählen, dass man ihn frü-
her »Türken-Armin« nannte, weil er sich
schon vor vielen Jahren für die Kinder und
Enkel der sogenannten Gastarbeiter einsetzte
und das Landesministerium für In te gra tion
übernahm, als es 2005 neu geschaffen wurde.
Er könnte erzählen, dass die frühere Minister-
präsidentin der SPD, Hannelore Kraft, ihn
öffentlich mit einem »Wackeldackel« verglich.
Er könnte erzählen, dass ihn einige der eigenen
Parteikollegen verspotteten, indem sie seinen
Namen neu buchstabierten: »Armin Lasset«.
Aber das alles erzählt Laschet nicht. Er sagt, er
sei nie gemobbt worden.
Er muss schon wieder weiter, läuft die
Treppen des Rathauses hinunter und lässt sich
nach Heinsberg in der Nähe von Aachen fah-
ren, wo ein Krisen stab tagt, der sich mit der

Ausbreitung des Coronavirus beschäftigt. Vor
dem Gebäude, in dem die Sitzung läuft, fan-
gen ihn Kameraleute ab. Ein Fernsehjournalist
fragt ihn, wie gefährlich die Lage sei, und
Laschet antwortet: »Es kann viele Engpässe
geben, eine ernste Lage.«
Armin Laschet und der Ernst der Lage, das
ist keine naturgegebene Beziehung. Hat er sich
nicht stets als ein Vertreter des unbeschwerten
Regierungshandelns verstanden? Nichts an
ihm strahlt Strenge aus, Härte, Schärfe, Dis zi-
plin. Armin Laschet ist eine ungewöhnliche
Figur der deutschen Politik, weil sein Aufstieg
vom Oppositionschef im Düsseldorfer Land-
tag zum Aspiranten auf die Kanzlerkandidatur
so schnell ging. Nur drei Jahre hat es gedauert.
Das wäre noch nicht erstaunlich, wenn Laschet
einen Typus Politiker verkörperte, den der
Wille zur Selbstermächtigung antreibt, wie
der frühere Kanzler Gerhard Schröder. Aber
bei Laschet hat nie etwas auf einen überwälti-
genden Erfolg hingedeutet. Nichts an ihm
verströmte eine Ahnung davon, dass man auf
ihn achten müsse. Er wurschtelte sich durch
den politischen Alltag, und wenn ihm etwas

Fortsetzung auf Seite 18

Foto: Julia Sellmann für DIE ZEIT
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