Neue Zürcher Zeitung - 27.01.2019

(Sean Pound) #1

2 INTERNATIONAL Montag, 27. Januar 2020


Die Pläne derInterimspräsidentin stossen in Bolivien auf Kritik. MARCO BELLO / REUTERS

Áñez kandidie rt für Präsidentschaft


(afp)/smi.· Boliviens Interimspräsiden-
tin Jeanine Áñez wird in der Präsident-
schaftswahl am 3. Mai kandidieren.Da
die Opposition zur sozialistischenPar-
tei MAS des im November zurückgetre-
tenen Staatschefs Evo Morales zerrüt-
tet sei, habe sie sich zu einer Kandida-
tur entschieden, sagte sie amFreitag in
ein er Rede. Áñez führt seit dem Sturz
des langjährigen Präsidenten Morales
eine Übergangsregierung an.
Die Neuwahl erfolgt mehr als sechs
Monate nach der von Manipulationsvor-
würfen überschatteten Präsidentschafts-
wahl im Oktober, aus der Morales als
Sieger hervorgegangen war. Nach anhal-
tenden Massenprotesten war der Links-
politiker zurückgetreten und zunächst

nach Mexikogeflüchtet. Inzwischen hält
er sich in Argentinien auf. Laut einer am
Sonntag von der Zeitung «Página Siete»
veröffentlichten Umfrage liegt der Movi-
miento al Socialismo (MAS) derzeit mit
26 Prozent in derWählergunst vorne.
Áñez liegt mit 12 Prozent auf dem vier-
ten Platz, hinter demRechtspolitiker
Luis Camacho und dem früherenkon-
servativen Präsidenten Carlos Mesa.
Die Ankündigung von Áñez, für die
Präsidentschaft zukandidieren, stiess
sowohl beim MAS alsauch bei anderen
Parteien und bei Demokratieaktivisten
auf Kritik. Áñez, die mit der Organisa-
tion der Neuwahl betraut ist, gefährde
die Glaubwürdigkeit desÜbergangs-
prozesses, hiess es.

IN KÜRZE


Armeeangehörige in Mali
bei Angriff getötet
(dpa)· Bei einem Angriff auf einen Mili-
tärposten im westafrikanischenLand
Malisind nachRegierungsangaben am
Sonntag mindestens19 Soldaten getötet
und fünf weitere verwundet worden.
Der Angriff habesicham frühen Mor-
gen in Sokolo in Mittelmali südlich der
Grenze zu Mauretanien ereignet, teilte
die Regierung mit.Die Angreifer hätten
militärischeAusrüstung erbeutet oder
zerstört. In den vergangenen Monaten
hat sich die Sicherheitslage in Mali dras-
tisch verschärft.In dem grossenLand
sind islamistische Gruppen aktiv, undes
gibt ethnisch motivierte Gewalt. Häufig
spielt dabei auch der Kampf umWeide-
gründe undAckerland in der trockenen
Sahelzone eineRolle.

USA sperren Server von
Nachrichtenagentur in Iran
(dpa)· Die USA haben den internatio-
nalen Zugang zu Servern der iranischen
NachrichtenagenturFars blockiert.Fars
sei am Samstag per E-Mail mitgeteilt
worden, dass dieKontrollbehörde des
amerikanischen Finanzministeriums
Ofac die Agentur in die Sanktionsliste
aufgenommen und den Zugang gesperrt
habe, sagte einFars-Sprecher. Der IT-
Abteilung derFars sei es jedoch gelun-
gen, auf einem internen Server die ge-
sperrte Seite farsnews.com mit farsnews.
ir zu ersetzen.Damit war am Sonntag
der Zugang zur Agentur zumindest
innerhalb Irans wieder möglich.Auf
Twitterwar Fars weiterhin unter @Fars-
News_Agency erreichbar. Die 2005 ge-
gründete NachrichtenagenturFars be-
zeichnet sich zwar als unabhängig, hat
aberVerbindungen zu den iranischen
Revolutionswächtern.

Israel ge stattet erstmals
Reisen nach Saudiarabien
(dpa)· Israel erlaubt seinen Staats-
bürgern erstmals offiziell unter be-
stimmten Bedingungen Reisen nach
Saudiarabien. Innenminister Arie Deri
habe eine entsprechende Genehmi-
gung unterzeichnet, teilte sein Ministe-
rium am Sonntag mit. DieReise sei in
zweiFällen erlaubt: ausreligiösen Grün-
den etwa imRahmen der muslimischen
Wallfahrt Hajj und für Geschäftsreisen
für einen Zeitraum bis zu 90Tagen. Be-
dingung sei allerdings eine Einladung
vonRegierungsseite aus Saudiarabien.
Is rael unterhält zwarkeine diplomati-
schen Beziehungen mit demKönigreich.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu
betont allerdings immer wieder, hinter
denKulissen gebe es eine Annäherung
Israels an mehrere arabische Staaten.
Israel und Saudiarabien verbindet der
gemeinsame Erzfeind Iran; zudem sind
beideVerbündete der USA.

AUFGEFALLEN


Erste Annäherung


über den Wolken


AndreasReich, Sarajevo· Pristina und Belgrad liegen heute
weit auseinander – nicht nur politisch.Wer mit öffentlichen
Verkehrsmitteln von derkosovarischen in die serbische Haupt-
stadtreisen will, muss eine mehr als 300 Kilometerlange und
sieben Stunden dauernde Busreise auf sich nehmen. Ein Zug
fährt nicht, die Linienflüge sind seit dem Krieg1999 eingestellt.
Das könnte sich aber bald ändern. Nach mehr als zweiJahr-
zehnten soll es wieder einen regelmässigen Flug zwischen Bel-
grad und Pristina geben. Serbische undkosovarische Beamte
haben kürzlich eine entsprechende Absichtserklärung unter-
zeichnet. DieReisezeit würde auf eineknappe halbe Stunde
reduziert. Es wäre ein positives Zeichen für die belasteten Be-
ziehungen zwischenKosovo und Serbien, die in jüngster Zeit
vor allemRückschläge hinnehmen mussten.
Durchgeführt werdensollen die Flüge nicht etwa von der
in Belgrad ansässigen Air Serbia, sondern von der Lufthansa-
Tochter Eurowings. Bevor das erste Flugzeug abhebe,seienaber
noch Details zu klären,teilt die Lufthansa mit. Diese «Details»
dürften wenigeraviatischer als vielmehr politischer Natur sein.
Serbien betrachtetKosovo alsTeil seines Staatsgebiets, und so
wird schon dieFrage, ob dieVerbindung als Inlandflug oder
als internationaleVerbindung bezeichnet werden soll, zu Dis-
kussionen führen. WährendKosovos Präsident HashimThaci
dieVereinbarung als wichtigen Schritt im Normalisierungspro-
zess mit Serbien bezeichnete, waren aus Belgrad vorsichtigere
Töne und politischeForderungen zu hören. Bevor die Flug-
verbindungRealität werde, müsseKosovo die Strafzölle auf
Produkte aus Serbien aufheben, sagteetwa Marko Djuric, der
Kosovo-Beauftragte der serbischenRegierung.
DieVereinbarung war vonamerikanischen Diploma-
ten vermittelt worden. Nicht involviert war die Europäische
Union, die sich in den vergangenenJahren meist erfolglos um
bessere Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina bemüht
hatte. Und so zeigt sich auch dies: Beim Prozess der Normali-
sierung zwischen Serbien undKosovo sitzen die Amerikaner
und nicht die Europäer im Cockpit.

SPÖ er zielt absolute


Mehrheit im Burgenland


(dpa)· Die österreichischen Sozial-
demokraten haben bei derLandtags-
wahl im traditionell SPÖ-regierten Bur-
genland ihre langeTalfahrt beendet. Die
Partei unter dem populärenLandeschef
HansPeter Doskozil legtelautvorläufi-
gem Endergebnis am Sonntag um 8 Pro-
zentpunkte auf 50 Prozent zu.Das be-
deutet die absolute Mandatsmehrheit
im Landtag in Eisenstadt. Der bisherige
Koalitionspartner, die rechte FPÖ, ver-
buchteVerluste von rund 5,2 Prozent-
punkten und kam nur noch auf 9,8 Pro-
zent. DieÖVP kam auf ein kleines Plus
und liegt nun bei 30,6 Prozent. Die Grü-
nenkonnten ihren Höhenflug nicht fort-
setzen und liegen mit 6,7 Prozent nur
minimal über dem Ergebnis von 2015.
Die Wahl im bevölkerungsärmsten Bun-
desland ist in zweifacher Hinsicht von
Bedeutung. Einerseits war sie der erste


Ex-Minister führt grösste
polnische Oppositionspartei
(dpa)· Der frühere polnischeJustiz-
minister Borys Budka ist zum neuen
Vorsitzenden der grössten Oppositions-
partei desLandes, der liberalkonservati-
ven Bürgerplattform (PO), gewählt wor-
den. Bei einer Abstimmung unter den
Parteimitgliedern erhielt Budka rund 79
Prozent der Stimmen, wie dieWahlkom-
mission der PO am Samstagabend mit-
teilte. Damit lag Budka deutlich vor den
drei weiteren Kandidaten. Der 41-jäh-
rigeRechtsanwalt war imJahre 20 15
Justizminister im Kabinett der damali-
gen Ministerpräsidentin EwaKopacz.

Sechs Polizisten in Leipzig
bei Demonstration verletzt
(afp)· Bei Protesten gegen dasVerbot
einer linken Online-Plattform sind in
Leipzig sechsPolizisten verletzt wor-
den. Die Beamten seienmitSteinen
attackiertworden, sagteein Polizei-
sprecher am Samstagabend.ZumGrad
ihrerVerletzungenkonnte erkeine An-
gaben machen. Insgesamt gingen nach
Polizeiangaben rund1600 Personen auf
die Strasse. In derkommendenWoche
wird vor dem Bundesverwaltungsgericht
in Leipzig über dasVerbot der Plattform
Linksunten.Indymedia.org verhandelt.
Die Demonstration hatte vor dem Bun-
desverwaltungsgericht zunächst fried-
lichbegonnen. Späterzogen dieTeil-
nehmer in Richtung des linksalterna-

Libyen-Waffenembargo
angeblich gebrochen
(dpa)· Das auf der Berliner Libyen-
Konferenz bekrä ftigteWaffenembargo
für das nordafrikanische Krisenland ist
nach Uno-Angaben von mehreren Gip-
felteilnehmern gebrochen worden. So
seien in den vergangenen zehnTagen
mehrere Maschinen auf Flughäfen im
Westen und im Osten Libyens gelan-
det, mit denenWaffen, gepanzerteFahr-
zeuge, Kämpfer und Berater insLand
gebracht worden seien. Die Unterstüt-
zungsmission derVereinten Nationen
für Libyen benannte in ihrer Stellung-
nahme vom Samstagkeine Verantwort-
lichen und liess damit offen, wer das
Embargo gebrochen habe. In Berlin hat-
ten sich am Sonntag vor einerWoche 16
Länder und internationale Organisatio-
nen auf eineVereinbarung verständigt,
die die Einmischung in den Libyen-
krieg – etwa überWaffenlieferungen–
beenden und einenFriedensprozess er-
möglichen soll.

Test nach der Bildung derÖVP-Grü-
nen-Koalition auf Bundesebene. Ander-
seits ist der 49-jährige Doskozil nun ge-
stärkt. Er gilt als möglicher Nachfolger
dernach wie vor umstrittenenPartei-
chefinPamelaRendi-Wagner.

tiv geprägten Stadtteils Connewitz, wo
bei Ausschreitungen in der Neujahrs-
nacht mehrerePolizisten verletzt wor-
denwaren. Dabei kam es nach Poli-
zeiangaben zu den Angriffen auf die
Beamten. Zudem hätten Demonstran-
ten die Scheiben mehrererAutos ein-
geschlagen. EinePerson sei in Gewahr-
sam genommen worden.

Seit derParlamentswahl im vergange-
nen Herbst ist BudkaFraktionsvorsit-
zender eines aus der PO hervorgegan-
genen Oppositionsbündnisses, der Bür-
gerkoalition.

NZZGESPRÄCHE


Siegehören ebensozuden Schweizer «Spezialitäten» wieFondue,
Milchschokolade,die Mundart und der Bundesrat:Helvetismen prägen und
bereichern denAustausch in unserem Land in allen erdenklichen
Lebenslagen.Anders alsDialektwörtergelten sieals Teil derschriftlichen
Standardsprache,flies senalsoins offizielleSchweizerhochdeutsch ein.
Literaten wieFriedrichDürrenmatt, der zu ihren Gunstengar einen
Rechtsstreitausfoc ht,haben in ihrenWerken eine Lanze für siegebrochen.

NZZ-Zürich-RedaktorUrsBühlernimmtSie mitaufeinevergnüglich-
informativeTourd‘Horizon durch das Blumenfeld helvetischerWortkreationen.

Donnerstag, 27.Februar 2020
KOSMOS, Zürich

Anmeldung
nzz.ch/live
044 258 13 83

Über Helvetismen: VonSommervögeln


undanderen Eigenarten


Illustration aus derWanderausstellung «Helvetismen –
Sprachspezialitäten» des CentreDürrenmattNeuchâtel
in Zusammenarbeit mit demForum Helveticum

Eine Veranstaltungvon Partner
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