Frankfurter Allgemeine Zeitung - 19.02.2020

(ff) #1

SEITE N4·MITTWOCH,19. FEBRUAR2020·NR.42 Forschung und Lehre FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


I


nBerlin lesen KinderKatzen
vor. Das rührigeProjekt des
„Tierschutzvereins für Berlin“
bringt zwei benachteiligte Bevölke-
rungsgruppen der Metropole zusam-
men: leseschwache Kinder an Berli-
ner Grundschulen und einsameKat-
zen in Heimen.Nicht jedem Kindfal-
le das Lesen leicht,stellten dieTier-
schützerfest. Manche, ja eigentlich
immer mehr,quälten sichmühsam
durch jede Zeile. Dagegen helfenur
üben! Am bestenaußerhalb der Schu-
le und ohne Erwachsene, die ja nur
Druc kmachten.Undnur nicht allein
lesen, denn daswäre ja auchkein
Spaß.Im Tierheim, versprichtder
Projektträger,hätten die Kinder dage-
gensehr interessierte und geduldige
Zuhörer ,denen Druckmachenwe-
sensfremd sei: dieKatzen. Es liegt
dochsonahe: Kinderbrauchen je-
manden, dem sievorlesen können,
und ausgesetzteKatzen brauchen je-
manden, der sich ihnen zuwendet. Na-
türlic hkommt diese Idee „aus Ameri-
ka“, und außerdemgebe es auch„Stu-
dien“, diegezeigt hätten, dassrhyth-
mischeStimmen aufKatzen beruhi-
gend wirken. DieFehlertoleranz der
BerlinerKatzen scheint sogar jene
der städtischenPädagogen zu über-
tref fen. WasLehrervonKatzen ler-
nen können: Einfachmal zuhören
und dem kindlichen Rhythmus lau-
schen.Aufden Inhalt, dieAusspra-
cheoder dasVerständnis desTextes
kommt es dochgar nicht an. Das soll-
tenauchdie vielen Quereinsteiger un-
terden Berliner Grundschullehrern
hinbekommen. Die „Stiftung Bildung
und Gesellschaft“ jedenfalls hat das
Projekt mit ihrem Primus-Preis ausge-
zeichnet. Der richtetsichvor allem
an Initiativen, die nochwenig be-
kannt oder nurregional aktiv sind.
Diesefänden oft„ganz individuelle
Antwortenauf die jeweils besonde-
renHerausforderungen einerRegi-
on“, heißt es in derAusschreib ung,
und gestalteten das Bildungssystem
da weiter ,„wo die staatlichen Akteu-
re an ihre Grenzenstoßen“. An Gren-
zen sind nicht nur die Akteureder
Berliner Bildungspolitikmit Sicher-
heit längstgestoßen. Bei der Interna-
tionalen Grundschul-Lese-Untersu-
chung Iglu lagen Berlins Kinder auf
dem vorletzten Platz.Auchdas Tier-
heim verweistwegen des „überwälti-
genden Interesses“ an seinem Projekt
auf eine langeWarteliste.Vielleicht
könnten andere Bewohner des Heims
den Berliner Kindernbeim Lesenler-
nen helfen?Über dieZuhörer qualitä-
tenvon Landschildkröten, Schafen
oder Gänsen istnochwenig bekannt.
Aber wäre das nicht eineregionale
Herausforderung für die Berliner Bil-
dungsforschung?

Lesekatzen


GeraldWagner

Seit Wochen spitzt sichdieLageinOstafri-
ka zu. Die Heuschreckenplage, die über
die Anbaufelder vonKenia, Äthiopien
und Somaliahergefallen ist, hat jetzt auch
Uganda undTansania erreicht. Die Größe
eines einzigen Schwarms umfasst rund
2400 Quadratkilometer.Rasend schnell
werden Ernten zerstört. VergangeneWo-
chehaben dieVereinten Nationen eine of-
fizielle Warnung ausgesprochen: Über
dreizehn Millionen Menschen sind stark
vonNahrungsmittelknappheit bedroht.
Die einzigeMöglichkeit, die Heuschre-
ckenplageeinzudämmen, besteht darin,
Pestizide imWert von76Millionen Euro
zu versprühen.
Heuschrecken sind für die menschliche
Zivilisation schon langeein Horrorsym-
bol. In der Bibelkommen sie allein dreißig-
mal vorund sind als dieNummer acht der
zehn biblischenPlagen berühmtgewor-
den, dieÄgypten ereilten, als der Pharao
das israelischeVolk nicht ziehen lassen
wollte. Als nichtgreifbare,formenwandle-
rische Bedrohung, die den Menschen die
Lebensgrundlagewegfris st,tauchen die
Heuschrecken im AltenTestament auf.
Gibt es einenexistenzielleren Schrecken?
Nunist ein Schwarmaber keine böse
Nebelwolke, sonderneine Ansammlung
individueller Lebewesen. Im Falle der
Wüstenheuschrecke:fingerlange, langbei-
nigeund im Erwachsenenaltergeflügelte
Gliederfüßer.Warum aberformieren sich

die Tierchen zum Schwarm?Stimmen sie
über einenTreffpunkt ab undreisen zu
achtzig Millionen an, um aus Niedertracht
Landstriche leerzufuttern?
Verhaltensforscher meinen, im Gegen-
teil: Heuschrecken handeln nicht aus
Teamgeist, wie manvermuten mag,wenn
man diekunstvolle Schwarmchoreogra-
phie beobachtet, sondernweil sie ihreArt-

genossen fürchten. „Es sind selbstsüchtige
Individuen“, sagt Iain Couzin. Der Leiter
des Max-Planck-Instituts fürVerhaltens-
forschung inKonstanz untersuch tkollekti-
vesVerhalten bei Menschen und Tieren.
Er kann erklären,wasdie kleinen Insek-
tensowahnsinnig antreibtund warumdie-
ses Verhalten schwer zuverhindernist.
Dem ehemaligen Princeton-Professor

für Ökologie undEvolutionsbiologiezufol-
ge gibt es einen Schlüssel für das Heuschre-
ckenverhalten:Kannibalismus. Die Jung-
tiere, die nochnicht fliegenkönnen, sind
einander allergrößter Feind. Die Heuschre-
ckehat Angst,vomHintermanngefressen
zu werden, während siegleichzeitig nach
dem Vordermann schnappt. Das verur-
sacht eine gleichförmigeBewegung.
„Wenn man in einer engenUmgebung ist,
wievermindertman Kollisionen mit ande-
ren? Indem alle in eine Richtunggehen“,
sagt Couzin.
Eigentlich sind HeuschreckenEinzel-
gänger .Schwä rmebilden sich,wenn es zu
viele Tiereauf engemRaum gibt.Ostafri-
ka hat gerade eine langeRegenzeit hinter
sich. Eswächst viel mehrVegetation, und
die Heuschreckenpopulationexplodiert.
Wenn sichHeuschreckenbegegnen,
werden in ihnen turbulente Instinkte
wach.Bereits der Anblickund der Geruch
des Gegenübersstachelt die Heuschrecke
dermaßen an, dassdas sonstfriedfertige
Tier aggressiv wirdund Bewegungsdrang
verspürt. Sogar dieFarbe verändertsich:
vonerdigem Braun zugrellem Gelb oder
Rot. Im Dominoeffekt werden sie zu Ber-
serkern,denn im Schwarmfinden Heu-
schreckendie meisteNahrung.Unddie
Aufregung klingt viel langsamer ab, als sie
ausgelöstwird. InglücklichenFällen kann
man dieKettenreaktion anhand desWet-
ters vorhersagen. Die Schwarmbildung
aufzuhalten,wenn sie insRollen gerät, ist
jedochkaum möglich.

„DiekollektiveVerhal tensforschung
umspannt jedwedes Sozialverhalten“,er-
klär tCouzin. Anstatt einfach dasVer-
haltenvonTieren zubeobachten,versu-
chen er undsein Team,die unsichtbaren
Strukturenzuerforschen,die diesem
Verhaltenzugrunde liegen.Was is tüber
jene„kollektivenIntelligenzen“ zu erfah-
ren, die in derAnfangszeit des Internets
kurz zur Gesellschaftsmetapher avan-
ciertwaren? „Mandenkt immer,das
passierealles im Gehirndes Einzelnen,
vielmehrverarbeitet dieses Netz Informa-
tionen aberextern“, sagt Couzin. „Das
wirft ganz neueFragenauf:Hat Int elli-
genz einen Ort?Wo ents tehen Entschei-
dungen?“ DieseFragen betreffenBono-
bo-Kolonien in Angolaund Heuschre-
cken in Kenia genauso wieMenschen auf
Instagram. Auch Social Mediabringt
neueFormen unbewusster Kollektivie-
rung mit sich, dienochwenigerforscht
ist.
Im Falle derWüstenheuschrecke istak-
tuel lein Max-Planck-Forscherteam in Ost-
afrika. Manversucht herauszufinden, ob
die Heuschreckennochmehr zur
Schwarmbildung bewegt als einReiz-Ge-
nom, ob sie über eine eigene Intelligenz
verfügen? EinesTageslassen sichKata-
strophen dank derForschung vielleicht ab-
wenden –und man istnicht mehrvongro-
ßen Mengen Giftabhängig, das die Öko-
systeme belastet. EMELIGLASER

Kollektiv der Angst:JungheuschreckeninOstafrika Fotodpa

K

ann man in Berlinstudie-
ren? Aufkeinen Fall, mein-
tendie Reformer,die um
1800 die moderneUniversi-
tät aus derTaufehoben: zu
viel Lärm, zu vielAblenkung und,voral-
lem, der bürgerliche Krämergeist, der das
geistig eKlima verderbe. Diegroße Re-
formschule der deutschenUniversität mit
Ausstrahlungskraftbis in dieVereinigten
Staaten wurde trotzdem im Herzen Ber-
lins errichtet: die Humboldt-Universität
unter den Linden. AndereStädtezogen
nach. In den siebziger Jahrenkamdie Ära
der Reformhochschulen. Bielefeld, Bo-
chum undWuppertal rammten Betonbur-
geninden Boden, und irgendwannwollte
auchStuttgartden Stand derWissenschaft
nicht mehr ausTübingen erfahren.Nur
Nürnberg, Wiegedes Humanismus undUr-
sprungdiversersprachpflegerischerAkti-
vitäten, bliebtatenlos. Bis heute.Aber
nicht bis morgen.
Auf demBodenvon Lichtenreuth,ei-
ner Industriebrache imNürnberger Sü-
den,sollinfünf Jahren die TUNürnberg
die Türenöffnen. Undwenn es nachdem
bayerische nMinisterpräsidentenMarkus
Södergeht, dann soll siemehr als nur
eineweiter eHochschule sein: „Die TU
Nürnbergkann einRole Model für die
Universität der Zukunftsein: kleiner,fle-
xibler und internationaler...Mein Ziel ist
es, Bayern zumLand derinternationalen
Forschung zu machen.Bayern soll das
Kalifornienvon Deutschlandwerden.“
UndNürnbergsein Stanford,wenn man
es weiterdenkt.NatürlichsindsolcheVer-
gleicheluftig.Nürnbergplant mitfünf-
bis sechstausendStudenten, 240 Professo-
renund einem Jahresbudget vonrund
250 MillionenEuro .Stanfor dhat sech-
zehntausendStudenten, zweitausendPro-
fessoren und verfügt über einen Jahres-
etat vonsechs MilliardenDollar.
Wenn man dasKonzeptder Struktur-
kommission liest, mussman allerdings sa-
gen: Das Planungskomitee umWolfgang
A.Herrmann, den ehemaligen Präsiden-
tender TU München,wagt einengroßen
Wurf.Einerseits istdas NürnbergerKon-
zeptganz nachdem Modell der Münchner
TU gewebt:Eine moderne Department-
struktur mit schnittigenZukunfts technolo-
gien soll entstehen, dazukommt aber
nochein geradezu paradiesisches Betreu-
ungsverhältnisvon25Studenten auf eine
Professur,und, deutschlandweit einzigar-
tig, eine SynthesevonGeistes- undTech-
nikwissenschafteninjedem einzelnenStu-
diengang. AnUnterstützung derStaatsre-
gierung wirdesdem Projekt sicher nicht
mangeln. Florian Herrmann, der Sohn
vonWolfgangA. Herrmann, istLeiter der
Bayerischen Staatskanzlei. Aber haben
die bayerischen Zukunftsplaner auchge-
nügendRealitätssinn?
Der Wissenschaftsrat hatkürzlichseine
Bedenkenvorgelegt.Kurzgefas st spricht
aus dem Gutachten derVorwurf: Die neue
Universität istein Raumschiffin der Wis-
senschaftslandschaft. Die Quotevondrei-
ßig Prozent internationalen Doktoranden
und vierzig Prozent Professoren aus dem
Ausland hält der Wissenschaftsrat für
hochgegriffen, gerade für die Anfangs-
zeit.Und is teine Universität, die Englisch
zur Verkehrssprache macht, tatsächlich
ein Modell für die Zukunft,wenn schon in
der Gegenwart die Regionalkonflikte
hochkochen? Gesichtsloser Globalismus
wäre kein Lorbeerblatt für einen Minister-
präsidenten, der Hightechund Lokalkolo-
ritverkuppeln will.Wenn MarkusSöder
an dieZukunftdenkt, mussdas Bajuwari-
sche jedochkürzertr eten: „Welcher junge
Menschhat Angstvor Englisch?Welcher
jungeWissenschaftler hat Angstvor der
Globalisierung? Jede wissenschaftliche
Erkenntnis unsererZeit wir ddurch globa-
le Netzwer ke geschaffenund in derRegel
auf Englischkommuniziert.“ Wirklich
jede? Der JuristSöder müssteeseigent-
lichbesser wissen.
Nürnbergist die er steUniversitätsgrün-
dung in Deutschland seit dreißig Jahren.
IndieserZeit hat sichdie Universitätsland-

schaf tstarkgewandelt. Diegeistig eFrei-
heit undAbgeschiedenheit, die Humboldt
vorschwebteund die er denFürsten hart
abringen musste, is tschon seit langem hin-
terdie Großorganisationgetreten. Heute
werden an dieUniversitätständig neue
Aufgaben–man spricht sogarvonMissio-
nen –herang etragen:Regional- und
Imagefaktor soll sie sein, Innovationsbe-
schleuniger undTransmissionsriemen zur
Unternehmenswelt.Nebenbei soll sie eine
konstant wachsendeZahl vonStudenten
ausbilden. Das Bild desUniversaldienst-
leistersspricht auchaus dem Gutachten
des Wissenschaftsrats, das die neue Hoch-
schule zur Vernetzung mit derRegion
mahnt.
Worüber man nichtgernespricht: Die
Normalisierung des akademischen Bil-
dungswegs ging zu Lasten der Qualität.
Das Übel hat einenNamen: JedeUniversi-
tät, die neue Professoren einstellt, ist

durch die sogenannteKapazitätsverord-
nung dazuverpflichtet, ihreStudenten-
zahl zu erhöhen. Das Betreuungsverhält-
nis, dasgroße Mankoder deutschenUni-
versitäten imVergleichzuinternational
führenden Hochschulen, liegt im Bundes-
durchschnitt beirund eins zu siebzig. Nie-
mandistdamitzufrieden.Undniemand
wagt es, mit dem Bildungsegalitarismus
zu brechen, der die deutsche Hochschul-
landschaftprägt.
Außer Nürnberg: DasKonzeptsieht ei-
nen Professor für 25Studentenvor, quasi
den Idealzustand. Diemaximal fünf- bis
sechs tausendStudenten will dieUniversi-
tät selbst auswählenund nur die besten
nehmen.DieProvokation wirdden Pla-
nernbewusst sein. Wiekann esdieHoch-
schuleverhindern,dasssich Studenten
mit demVerweis auf Berufsfreiheit ein-
klagen?
An dieser Stelle wirdeskompliziert.
Eventuelle Klagen könntedie TU,die
durch ein eigenes Landesgesetz errichtet
werden soll, nachEinschätzung desVer-
fassungsrechtlersFranz-JosefLindner zu-
nächs tdurch ein eigens zugeschnittenes
Zulassungskonzeptumgehen, das dem all-
gemeinen Kapazitätsrecht vorgeordnet
wäre.Allerdingsverbietet eineallgemeine
Verfassungsvorschriftdie Verknappung
der Studienplätze zur „Niveaupflege“.
Heißt:Eine Universität mussihreKapazi-
tät ausschöpfen. Die entsprechendeRegel
des Bundesverfassungsgerichts datiertal-
lerdings aus dem Jahr 1975 und istinihrer
Reichweiteumstritten. Solltedas Betreu-
ungsverhältnis nun deutlichbesser sein
alsan anderenUniversitäten mitvergleich-
barenStudiengängen,könnteeine Verfas-

sungsklageaussichtsreichsein. Außerdem
verbiete tesdas körperschaftliche Gleich-
behandlungsverbotinder Landesverfas-
sung, so Lindner,eine ganze Hochschule
pauschal besserzustellen als alle anderen.
Zumindestmüssteman es aufwendig be-
gründen. Das heißt aber auch: DasNürn-
bergerModellkönnteauchdie Verfas-
sungsgerichte dazu aufrufen, dasKapazi-
tätsrecht der modernen Massenuniversi-
tät anzupassen.

A

uchineinem anderen Punkt
geht Nürnbergneue Wege.
Natur-und Geisteswissen-
schaf tensollen eine Einheit
bilden.Zu den fünf Depart-
ments, unterteilt in Zukunftsbranchen
wie Quantum und Biological Enginee-
ring, kommt eingeistes- und sozialwissen-
schaftliches, das in jedenStudiengang zu
zwanzig Prozent integriertist. Nürnberg
istdie er steentschiedene institutionelle
Antwortauf die Klageüber die Entkoppe-
lung vonnaturwissenschaftlichem und
moralischemFortschritt, die mit C.P.
Snows berühmter Zwei-Kulturen-Rede
Ende der sechziger Jahreaufkam und
weitgehendfolgenlos blieb.
Aber sind die Geisteswissenschaftenim
NürnbergerKonzeptmehr als Ethik-Liefe-
rantenund Fassadenschmuck?Man kann
daran zweifeln: Als historische Reflexions-
wissenschaftensind siegroßteils nicht da-
für gerüstet, die konkreteOrientierung zu
geben, die Politiker vonihr er warten.
Auch eine Humanisierung destechni-
schenFortschritts istnicht zwingendvon
ihnen zu erwarten: Viele Geisteswissen-
schaf tenhaben sichformalisiert und tech-

nisch-naturwissenschaftlicheKonzepte
übernommen, wie die psychometrische
Bildungsforschung, die Schulen und Hoch-
schulenmit ihren bildungsfernenKonzep-
tenbeglückt.Ein mahnendes Beispiel
kommt aus München,wo die TU ausge-
rech netdie DatenkrakeFacebook zumFi-
nanzier ihres Institutsfür KI-Ethikge-
macht hat.InnovativeWirtschaftsethik?
Grundsätzlichist das in der Schweiz
schon erprobte Modell aber ein mutiger
Schritt:Estreibt Technikwissenschaftler
an, ihreForschung in einengesellschaftli-
chen Rahmen zustellen, bremsttechno-
kratische Planungseuphorien aus und er-
laubt den Geisteswissenschaften nicht
den Rückzug in philologische Schmoll-
winkel, sondernschärft ihr Problembe-
wusstsein undihreGeistesgegenwart.
Ein Universalmodell istestrotzdem
nicht, da es den Philologien ihreEigen-
ständigkeit nimmt.
Ein Kritikpunktandem Nürnberger
Konzeptlässt sichzumindest aus dem
Wegräumen. Ganz der Eliteverschrieben
hat sichdie ba yerische Hochschulpolitik
nicht. ImRahmenseiner im Oktobervor-
gestellten Hightech-Strategie hat Markus
Söder dreizehntausendneue Studienplät-
ze versprochen. Er sagt also mitRecht:
„Das Wort Elitepasst hier nicht. Der Zu-
gang zurWissenschaftist nicht elitär,son-
dernneu und internationalkompetitiver.“
Allerdings spielen Geisteswissenschaftler
in der Hightech-Strategie höchstens eine
Nebenrolle.Wieernst die neue Synthese
gemeint ist, wirdman er st wissen,wenn
Söder–hoffentlichbald –seine Philoso-
phy&Arts-Strategievorlegt.
TIMO FRASCH/ THOMASTHIEL

Langehinterher ,jetzt vornan: die WissenschaftsstadtNürnberg FotoUllstein

Kannibalismus undEgomaniehalten sie zusammen


Heuschreckenverwüstenderzeit Ostafrika.Warumformieren sichdie Insekten zum Schwarm? DieVerhaltensforschunggibt Antworten.


Die meistenHochschullehrer an deut-
schenUniversitäten fühlen sichinih-
rerForschung frei. Dies zeigt eine
Umfrag eunter Wissenschaftlern, die
das Institut für Demoskopie Allens-
bachimAuftrag des Deutschen Hoch-
schul verbandes und derKonrad-
Adenauer-Stiftung durchgeführthat.
93 Prozent der Befragten attestieren
Deutschland sehr viel oder vielWis-
senschaftsfreiheit.AmEnde der
Ranglis te steht China,vondem 89
Prozent sagen, esgebe dortwenig
oder garkeine Wissenschaftsfreiheit.
Die Umfrag ebenennt auchEin-
schränkungen. DreiViertelder Be-
fragten beklagen den Mangel an
schöpferischer Muße. 68 Prozent kri-
tisieren den Druckzum schnellen Pu-
blizieren. Fast jeder zweiteklagt,
dassesschwererals früher sei, gute
Mitarbeiter zu halten,weil dieWirt-
schaf tbesser eChancen biete.Beson-
derskritischwirddas Wachstum der
Bürokratie bewertet.Gerade noch52
Prozent ihrerZeit verbringen die Be-
fragten im Durchschnitt mit For-
schung und Lehre. 71 Prozentvonih-
nen halten die Antragsverfahren für
die EinwerbungvonForschungsmit-
teln für zu aufwendig. Einschränkun-
gender Diskussionsfreiheit durch das
Meinungsklima anUniversitätenfal-
len dagegen nicht sostarkins Ge-
wicht. Dreizehn Prozent beklagen,
dass„Political Correctness“verhinde-
re,bestimmten Forschungsfragen
nachgehen zukönnen. 53 Prozentver-
treten die Ansicht, anUniversitäten
dürfe der Klimawandel nicht bestrit-
tenwerden. 37 Prozent sprechen sich
gegenRüstungsforschung anUniver-
sitäten aus. 25 Prozent meinen, es
sollteanUniversitäten nicht erlaubt
sein, sichder gendergerechten Spra-
chezuverweigern. F.A.Z.

Mit uns gehtd ie neueZeit


Wissenschaftler


fühle nsichfrei


Die neue TU Nürnberg


willeineBlaupause für


die Universi tätder


Zukunftsein. Das


Konzept istambitioniert


–und eineKampfansage


an de nBildungs-


egalitarismus.

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