sie zeigen die brutale Seite von »Mein Wille geschehe«.
Als der russische Präsident Wladimir Putin im Konflikt
um die Ukraine 2014 einfach die Krim annektierte,
war das nicht freundlich. Er demonstrierte seine ganze
Macht, indem er Fakten schuf, ohne die Argumente
der Gegenseite zu hören.
Auch im kleineren Rahmen gibt es Manipulations-
strategien. Zum Beispiel, wenn eine Partei vorgibt, über
ein bestimmtes Thema zu verhandeln, um dann hin-
terrücks ein ganz anderes Thema anzusprechen. Die
Gegenseite ist dann so überrumpelt, dass sie mehr Zu-
geständnisse macht. Zu den billigen Tricks gehört auch,
keine Getränke bereitzustellen oder die Raumtempera-
tur zu senken, um langwierige Verhandlungen zu be-
schleunigen. Auch die Eitelkeit einzelner Personen
kann in Verhandlungen zum eigenen Vorteil ausgenutzt
werden. Wer den Verhandlungsführer konsequent
ignoriert und nur die Teamkollegen anspricht, kann
davon ausgehen, dass dieser irgendwann überkocht und
laut wird – und sich damit selbst im Weg steht. Der
Arbeitsrechtler Ulrich Brock rät von solchen Methoden
allerdings ab: »Wenn die Gegenseite später über das
Phänomen nachdenkt und darüber, dass sie etwas getan
hat, was sie gar nicht wollte, dann ist die Beziehung
zerstört. Irgendwann fliegt jede Ma ni pu la tion auf.«
Auch vom Bluffen solle man die Finger lassen: »Der
Mensch ist nicht zum Lügen geboren.«
Und wenn schon – die anderen lügen, bluffen,
manipulieren doch auch. Soll ich da die Einzige sein,
die nett bleibt? Nein, sagt Roman Trötschel, »wenn die
Gegenseite sich kompetitiv verhält, werde ich mich auch
kompetitiv verhalten. Sobald sie sich aber kooperativ
zeigt, werde ich mich auch sofort kooperativ verhalten.«
Tit for Tat heißt diese Technik in der Spieltheorie, jener
Wissenschaft, die Verhandlungstaktiken erforscht. Zu
Deutsch: Gleiches mit Gleichem vergelten, oder »Wie
du mir, so ich dir«. Nur: Es kann sein, dass auch der
andere sich daran hält. Trötschel empfiehlt deshalb so-
genannte Testballons. Dabei sendet man von Zeit zu
Zeit kleine kooperative Angebote. »Wenn die Gegen-
seite dann reagiert, können wir einen kooperativen Pfad
einschlagen, vorher nicht.«
Natürlich kann und soll man nicht alles spiegeln,
was das Gegenüber tut. Diese Erfahrung hat Sebastian
Stichweh gemacht. Er arbeitet im Generalsekretariat des
Weltkonzernbetriebsrats von Volkswagen und unter-
stützt VW-Mitarbeiter in aller Welt dabei, ihre Rechte
durchzusetzen. Er sagt: »Wir haben selbstverständlich
betriebsinterne Regeln zur partnerschaftlichen Zusam-
menarbeit. Aber statt jemanden beim Personalaus-
schuss zu melden, wenn mal ein falsches Wort raus-
rutscht, ist es manchmal sinnvoller, Sachen einfach zu
überhören.« Oder sich erst mal mit anderen Themen zu
beschäftigen. »Wenn mir zum dritten Mal etwas auffällt:
konkret nachfragen. In aller Regel löst sich das dann
auf.« Oft werde der Gegenseite dann bewusst, dass sie
aus Versehen eine falsche Botschaft aussendet. Oder sie
fühlt sich ertappt und wird dann automatisch vorsich-
tiger. Bei richtig verfahrenen Situationen helfen auch
eine kurze Auszeit oder ein Wechsel der Ansprechperson.
Oder eben: positive Emotionen. »Wir versuchen dann,
die Verhandlung auf andere Themenkomplexe zu leiten,
wo man erst mal kurzfristig ein Erfolgserlebnis erzielen
kann, um sich aus dieser positiven Stimmungslage heraus
der komplizierteren Themen anzunehmen.«
Mein Wille geschehe, wenn ich freundlich bleibe.
Auch dafür gibt es große Vorbilder in der Weltge-
schichte. Mahatma Gandhi, Kopf der indischen Unab-
hängigkeitsbewegung und Vorreiter des gewaltfreien
Widerstandes, ist so jemand. Auch Gandhi setzte Wil-
lensstärke ein. Statt aber auf Gewalt mit Gegengewalt
zu reagieren, blieb er höflich, ruhig, freundlich. Gandhi
sagte einmal: »Wenngleich eine gute Handlung Billi-
gung und eine böse Tat Missbilligung hervorruft, ver-
dient der Täter, sei er nun gut oder böse, immer Ach-
tung oder Mitleid, wie der Fall nun liegen mag.«
Wahrheit, Liebe, Gewaltlosigkeit, das waren Gan-
dhis treibende Kräfte. Das ist nicht weit entfernt von
Neugier, Kreativität, Kooperation. VW-Betriebsrats-
mitarbeiter Sebastian Stichweh sagt: »Sicher ist man mal
in der stärkeren, mal in der schwächeren Position – aber
immer mit dem gegenseitigen Grundrespekt und
Grundverständnis, dass man ein an der schätzt. Sonst
bräuchte man nicht mit ein an der zu verhandeln.« Er
versucht dabei stets, das gemeinsame Ziel nicht aus den
Augen zu verlieren: »Auch wenn es vordergründig an-
ders wirkt: Am Ende wollen beide Seiten, dass es dem
Unternehmen, und damit den Beschäftigten, gut geht.«
Das bedeutet nicht, dass man keine strittigen
Punkte ansprechen darf. Im Gegenteil: Wer nicht ehr-
lich sagt, was ihn stört oder wo seine Grenzen sind, wird
die Verhandlung nur verschleppen. Ein Nein sollte klar
geäußert werden. William Ury, Harvard-Anthropologe
und Erfinder des Win-win-Prinzips, empfiehlt die so-
genannte Sandwichtechnik. Dabei wird jedes Nein
zwischen zwei Ja eingebettet. Das erste Ja schützt, was
einem wichtig ist – »Wir hatten lange kein ruhiges
Wochenende zu zweit«. Dann kommt das Nein – »Eine
Fahrt an diesem Wochenende zu den Schwiegereltern
wäre zu stressig«. Das zweite Ja bietet einen Ausblick –
»Lass uns gemeinsam ein anderes Wochenende finden,
an dem wir sie besuchen«.
»Tit for Tat« heißt:
Wie du mir, so ich dir.
Diese Strategie hilft,
wenn der andere
sich unfair verhält