EIN VATER WIRD ROT
Hella Kemper (rechts) war vor der Begegnung mit
Locked-in-Patient Gerhard Stoll unsicher, wie sie ihn
interviewen könnte, verständigt er sich doch nur
mithilfe seines Lidschlags. Nach den Gesprächen ist
klar: Ein Blinzeln sagt mehr als tausend Worte. Im Bild:
die Brüder Stoll und Pflegerin Lissy Braun (S. 36).
Tishk Barzanji bekam von seinem Arzt als Mittel
gegen Migräne empfohlen, sich Fenster, Türen und
schöne Räume vorzustellen. Die besondere Arznei
half, und seither erfindet der kurdisch- britische
Künstler außergewöhnliche Räume, wie auch für
Titelillustration unsere Titelgeschichte »Mein Wille geschehe« (S. 18).
Tishk Barzanji
Fotos
Vera Tammen; Evelyn Dragan; Privat
EDITORIAL
AUS DE R R E DA K T ION
Der Junge war klein, aber laufen konnte er schon, auch sprechen.
Beim Sprechen war er in der Phase, in der die Buchstaben
gelegentlich verrutschen und interessante neue Wörter zustande
kommen. Der Junge war sehr durchsetzungsstark, er hatte was vor
im Leben, das war ihm anzumerken, er wollte sich nicht zu lange
aufhalten im Kleinsein, und er wollte sich überhaupt nirgendwo
von anderen aufhalten lassen. Dass er ein Münchner war, muss man noch sagen, weil die
Leute dort anders sprechen. Ein »Komm her!« zum Beispiel wird zu einem kurzen
»Kumm!«, das energische »Papa, komm her!« zum noch energischeren »Bappa, kumm!«.
Der Junge wollte oft, dass sein Vater kommt, er wollte ihm etwas zeigen, er wollte seine
Hilfe, und was weiß man schon, was so ein kleiner Junge noch alles wollte. Wenn der
Vater nicht sofort reagierte, stampfte er mit dem Fuß auf und wiederholte seinen Befehl.
Er machte das sehr gut, nur ein einziger Buchstabe war nicht ganz richtig: »Bappa
dumm!«, rief er. Einmal saß ich mit den Wurzlbauers – so hießen die Leute um den
Jungen herum – in einem vollen Café, ihr Sohn spielte draußen im Sandkasten. Plötzlich
stand er in der Terrassentür und feuerte sein »Bappa dumm!« sehr laut über alle Köpfe
hinweg zu unserem Tisch, und gleich noch mal: »Bappa dumm!«
Liebe Leserin, lieber Leser, »Mein Wille geschehe!« heißt unser Titelthema. Es geht
dabei um die Strategien, sich täglich zu behaupten. Dass man sich auch durchsetzen
kann, indem man ein ganzes Café zum Lachen bringt, kommt in dem Text nicht vor.
Vielleicht, weil das sehr schwierig ist.
Andreas Lebert, Chefredakteur
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