Wasserstoffantrieb? Elektromotor? Oder doch der gute
alte Verbrennungsmotor? Für den letzten Teil
unserer Serie baten wir die drei zur Aussprache
Interview: Niels Boeing und Max Rauner
Fotos Peter Rigaud Illustrationen Stefan Fähler
N
atürlich können Motoren
nicht reden. Aber es gibt
Menschen, die für sie spre-
chen können. Für dieses
Streitgespräch haben wir drei
ausgewiesene Spezialisten
gebeten, die Mobilitätswende aus der Perspek-
tive der drei wichtigsten Antriebe zu kommen-
tieren. Für den Elektromotor spricht Uwe
Schäfer, für den Verbrennungsmotor Bernd
Wiedemann, für den Wasserstoffantrieb Ulrich
Eichhorn (Kurzbiografien auf Seite 66). Das
Gipfeltreffen fand im Berliner Fernsehturm
statt. Der Blick reichte bis ins Jahr 2050.
Elon Musk hat angekündigt, bei Berlin
eine riesige Fabrik für Fahrzeugbatterien
zu bauen. Lieber Elektromotor, Sie müssten
vor Stolz platzen.
Elektromotor: Mir geht es gut. Ich habe
den besten Wirkungsgrad von allen An-
trieben, das größte Ökopotenzial. Ich bin
in der Bevölkerung am beliebtesten. Wenn
wir erst unsere gesamte Stromversorgung
auf Wind und Solar umgestellt haben, steht
der weiteren Verbreitung von batterieelek-
trischen Fahrzeugen nichts mehr im Weg.
Lieber Verbrennungsmotor, Sie werden im
Moment ziemlich heruntergemacht. Alle
scheinen zu warten, bis Sie in Rente ge-
hen. Wie fühlt sich das an?
Verbrennungsmotor: Der Abgesang ist ver-
früht. Pro Jahr werden ungefähr 100 Mil-
lionen Fahrzeuge gebaut. Weltweit fahren
rund eine Milliarde Fahrzeuge auf den
Straßen. Die Mobilität der letzten 30, 40
Jahre in aller Welt, auch in den Entwick-
lungsländern, ist nur durch den Verbren-
nungsmotor möglich gewesen. Mein großer
Vorteil ist, dass Benzin und Diesel auf klei-
nem Raum viel Energie enthalten. Zum
Vergleich: Fünf Liter Diesel entsprechen
etwa 300 Kilogramm Lithium-Ionen-Batte-
rie. Wegen dieses Speicherproblems wird es
in Zukunft einen Mix von Antrieben geben.
Wie fühlt sich der Wasserstoffantrieb?
Ve r n a c h l ä s s i g t?
Wasserstoffantrieb: Wenn wir heute von
Wasserstoffantrieb reden, bedeutet das
meist: Der Wasserstoff wird in der Brenn-
stoffzelle verarbeitet. Im Endeffekt ist ein
Brennstoffzellenfahrzeug also ebenfalls ein
Elektrofahrzeug – nur eben mit einer ande-
ren Stromquelle als der Batterie. Zwar haben
auch Brennstoffzellenfahrzeuge eine Batterie,
die ist aber nicht so groß wie im batterie-
elektrischen Fahrzeug, weil sie nicht für die
Reichweite, sondern nur für die Leistungs-
spitzen sorgen muss.
Sie beide sind gewissermaßen Verwandte?
Wasserstoffantrieb: Technisch gesehen ja.
Aber ich gebe zu: Als Wasserstoffantrieb
mit Brennstoffzelle fliege ich momentan
etwas unter dem Radar. Noch!
Laut dem Pariser Klimaabkommen von
2015 soll die ganze Welt im Jahr 2050
CO₂-neutral wirtschaften. Existiert der
Ve r b r e n n u n g s m o t o r i m Ja h r 2 0 5 0 n o c h?
Verbrennungsmotor: Den wird es immer
noch geben, und der Grund heißt: Wasser-
stoff. Sie können Wasserstoff in einem nor-
malen Verbrennungsmotor verbrennen,
mit hohem Wirkungsgrad, und es kommt
kein CO₂, sondern Wasser aus dem Aus-
puff. Flüssigen Wasserstoff kann ich inner-
halb von einer Minute tanken, und ich
kann wegen seiner hohen Energiedichte
sehr weit mit einer Tankfüllung fahren.
Man kann Wasserstoff direkt in einen be-
stehenden Verbrennungsmotor spritzen?
Verbrennungsmotor: Ja. Sie müssen den
Motor natürlich etwas anpassen.
Wa s m ü s s t e m a n i m Mo t o r ä n d e r n?
Verbrennungsmotor: Sie müssen den Ver-
brennungsprozess optimieren, die Zün-
dungseinleitung. Wir können bereits jetzt
Kraftstoffe verwenden, die weniger CO₂
emittieren, zum Beispiel Erdgas oder Bio-
gas. Damit stoßen heutige Fahrzeuge sofort
15 Prozent und perspektivisch 25 Prozent
weniger CO₂ aus. Außerdem können Sie
Kraftstoffe synthetisch erzeugen, soge-
nannte E-Fuels.
E-Fuel heißt, ich produziere den Kraft-
stoff nicht wie bisher aus Erdöl, sondern
mithilfe von Strom aus Wasser und CO₂
aus der Luft oder aus den Kohlenstoffver-
bindungen von pflanzlichen Abfällen?
Verbrennungsmotor: Genau. Die E-Fuels
können flüssig oder gasförmig sein. Man
könnte also in einer Übergangsphase mit
solchen Designerkraftstoffen arbeiten, die
auch noch viel bessere Verbrennungseigen-
schaften haben, und dabei die bestehende
Infrastruktur und Fahrzeugtechnik nutzen.
Kurzfristig sollte man sie den fossilen Kraft-
stoffen beimischen und später, wenn genug
davon da ist, als Reinkraftstoff nutzen. Der
Verbrennungsmotor würde dann CO₂-neu-
tral betrieben werden. In Schweden wird
aus Papierabfällen Diesel hergestellt. Wa-
rum machen wir das nicht im größeren Stil?
Der Elektromotor hat keinen Auspuff,
aber noch kommt sein Strom aus dem we-
nig klimafreundlichen deutschen Strom-
mix. Wo steht der Elektromotor 2050?
»Ich gebe zu: Als
Wasserstoffantrieb
fliege ich momentan
etwas unter dem
Radar. Noch!«