ist.« Personen, die diskriminiert werden,
müssen Ihnen nichts erklären oder beweisen,
sie müssen nicht Ihre Tränen der Betroffen-
heit aushalten. Diskriminierte müssen nicht
Ihre Lehr*erinnen sein. Nutzen Sie Bücher,
Broschüren und Blogs, um Diskriminierun-
gen zu verstehen. Lassen Sie Diskriminierte
selbst darüber entscheiden, welche Erfah-
rungen sie teilen wollen.
Privilegiert zu sein ermöglicht es, ein-
zuschreiten in Situationen, in denen Rassis-
mus normalisiert wird, zum Beispiel wenn
andere rassistische Witze machen. Das tun
Sie nicht für eine andere Person. Sie müssen
nicht Ihre muslimische Kollegin beschützen
oder von Ihrem Schwarzen Chef Lob be-
kommen. Sie sprechen nicht für diese Men-
schen, sondern nur für sich.
- Verwenden Sie die Selbstbenen-
nungen Diskriminierter
Es gibt empowernde und respektvolle Be-
nennungen, die rassistisch Diskriminierte
für sich selbst benutzen und von denen sie
auch wollen, dass andere sie verwenden:
Momentan sind dies unter anderem die
Benennungen Schwarze Person (mit groß
geschriebenem S), PoC, Sintize und
Romnja, Indigene.
»Ich kenne aber eine Schwarze Person,
die benutzt auch für sich selbst das N-Wort
und findet es gar nicht schlimm, das N-Wort
zu lesen – dann kann ich es ja auch benut-
zen!« Es gibt Menschen, die sich selbst mit
Begriffen bezeichnen, die häufig als rassis-
tisch diskutiert werden. Dies heißt aber
nicht, dass Sie als privilegierte Person dies
auch tun können. Diskriminierende Begriffe
können reclaimt oder umgedeutet worden
sein von Personen, die so diskriminiert wer-
den. Dies findet sich häufig in Musik und
Kunst. Andererseits werden sie auch in
überwiegend weißen Kontexten benutzt,
vielleicht um sich anzupassen oder nicht
aufzufallen oder gemocht zu werden.
Wichtig ist: Welche Begriffe Diskrimi-
nierte für sich verwenden, ist eine autonome
Entscheidung und keine Einladung an Pri-
vilegierte, genauso zu handeln. Es kann auch
sein, dass immer wieder neue Eigenbezeich-
nungen gewählt werden. Es gibt keine ein-
fache Liste mit ewig gültigen Wörtern, die
nicht mehr benutzt werden dürfen. Dafür
sind Diskriminierungen viel zu flexibel und
bedürfen einer ständigen Achtsamkeit auf
das, was sprachlich jeweils als rassistisch
verwendet wird. Wörter mit einer langen
rassistischen Geschichte nicht mehr zu ver-
wenden kann ein Anfang sein.
»Na, ich sag mal besser nichts mehr –
denn es ist ja doch immer alles falsch!« Dis-
kriminierungskritisch zu sprechen ist ein
lebenslanger Lern- und Aufmerksamkeits-
prozess. Es geht nicht darum, immer alles
»richtig« zu machen. Es geht darum, zuzu-
hören, Kritik anzunehmen und Reflexe wie
»Das ist Zensur« oder »Das ist ja nur poli-
tisch korrekt« abzulegen. Wie wäre es, sich
konkret und von Herzen zu entschuldigen?
Wie wäre es, das eigene Verhalten verändern
zu wollen? Diskriminierungskritisch zu
handeln bedeutet, bereit zu sein, immer
weiter zu lernen.
- Setzen Sie Vielstimmigkeit vor
privilegierte Eintönigkeit
Jede Aussage, die ein Mensch tätigt, ist in
erster Linie eine Aussage über sich selbst.
Sie spiegelt das eigene Weltbild, die eigene
Wahrnehmung, das eigene Erleben. Das
gilt auch für das, was über andere geäußert
wird. Alles, was hörbar wird, entspringt den
Lann Hornscheidt arbeitet
schreibend und vortragend zu
Sprache und Gewalt. Ausgangs-
punkt ist das Reflektieren der
eigenen weißen Privilegien und
der eigenen genderistischen
Diskriminierung: Lann Horn-
scheidt identifiziert sich nicht
über Gendernormen, das heißt
versteht sich weder als Frau,
Mann noch als Trans*. Lann
Hornscheidt hat mit Adibeli
Nduka-Agwu das Buch
»Rassismus auf gut Deutsch«
herausgegeben.
eigenen Schubladen im Kopf, den eigenen
Bewertungsmaßstäben. Privilegierte Po si-
tio nen werden oft nicht explizit als solche
benannt: Es gibt im privilegierten Erzählen
»die Schwarzen«, »die Geflüchteten«, »die
Ausländer«, aber nicht die Selbstbenennung
als »weiß«, »mit deutschem Pass«, »deutsche
Staatsbürger*in«. Es scheint Privilegierten
häufig unnötig, dies zu benennen, es ist für
sie normal. Gerade dadurch entsteht und
verfestigt sich die Normalität von Privile-
gien. Sie konkret zu benennen enthebt die
privilegierte Position auch ihrer häufig
macht- und gewaltvollen Selbstverständ-
lichkeit. Privilegiert zu sein bedeutet, zu
glauben, für alle sprechen zu können, Be-
troffenheit als Makel wahrzunehmen und
nicht als Kompetenz. Privilegiert zu sein ist
keine Frage von Mehr- und Minderheiten,
wie Sexismus eindrücklich belegt.
Soziale Veränderungen erfordern Mut. Kon-
kretes diskriminierungskritisches Sprach-
handeln wird nicht notwendigerweise mit
Applaus und Zuneigung bedacht. Ganz im
Gegenteil, häufig kommt es zu heftigen
emotionalen Re_Aktionen, zu Abwehr, dass
dies unnötig, unverständlich, zu kompliziert
sei. Diese Re_Aktionen zeigen letztendlich,
dass eine Veränderung sprachlicher Hand-
lungen relevant ist und einen sozialen Wan-
del initiieren können. Wären sie wirkungs-
los, müssten nicht allwöchentlich »neutrale«
und »objektive« Menschen, vornehmlich
weiße Männer, darüber herziehen. Allzu
häufig werden in den Medien absurde Ver-
gleiche und Übertreibungen angestellt,
stilisieren sich Privilegierte im Internet zu
Opfern von »Meinungsdiktaturen« und
»Gesinnungspolizei«. Dies ist eine Umkeh-
rung der Tatsachen.
Sprache als Handlungsinstrument auf-
zufassen eröffnet Spielräume für Respekt.
Diskriminierungskritisch zu sprachhandeln
bedeutet, Stellung zu beziehen. Auf diese
Weise können Sie sich jeden Tag neu ein-
mischen. Es eröffnet Ihnen die Möglichkeit,
Gewalt nicht länger hinzunehmen. Sie weh-
ren sich so gegen die Normalität zunehmen-
der sprachlicher Gewalt in Alltagsgesprä-
chen, sozialen Medien und Tageszeitungen.
Sie tragen dazu bei, sich nicht zu gewöhnen
an Gewalt, in welchen Formen auch immer.
Hilde Domin schreibt: Gewöhn dich nicht /
Du darfst dich nicht gewöhnen. / Eine Rose ist
eine Rose. / Aber ein Heim ist kein Heim. — Foto
Markus Jans