Frankfurter Allgemeine Zeitung - 18.02.2020

(Jacob Rumans) #1

SEITE 2·DIENSTAG, 18.FEBRUAR2020·NR.41 FPM Politik FRANKFURTERALLGEMEINE ZEITUNG


Verbündete und Feinde zugleich
Die britischeZeitung„The Times“(Lon don)kom-
mentiertden Libyen-Konflikt:
„Libyens Schicksal wirdnun wohl jenseits seiner
Grenzen entschieden, insbesondere durch die Ent-
wicklung der paradoxenBeziehungzwischen den Prä-
sidentenErdogan und Putin.Deren Länder sindVer-
bündete und Feinde zugleich: Beide haben zwar Ambi-
tionen,den strategischen Einflussder US Azuunter-
graben, aber siewetteifernzugleichdarum ,jedwedes
Vakuum zu füllen, das derWesten durch seine Absetz-
bewegung hinterlassenkönnte. IhrStreit in Libyen
wirddurch eine andereKonfrontation in Idlibverkom-
pliziert,der letztenvonRebellengehaltenen Provinz
Syriens. Erdogan hattegehofft,erkönne mitZuge-
ständnissen in LibyenZugeständnisse in Syrien errei-
chen. DochAnkaras Klienten sind auf beiden Schau-
plätzenins Hintertreffengeraten, so dassein Deal au-

ßer Reichweitegeraten ist.Wenn es denWestmäch-
tennicht gelingt, die Sponsoren diesesKonfliktes mit
ihremVersprechen beimWort zu nehmen,sichzu-
rückzuhalten, wirdesmehr Kämpfe geben. Darunter
werden so wohl Libyenals auc hEuropa leiden.“

Macrons Flirtmit Russland
Die schwedischeTageszeitung „Dagens Nyheter“
(Stockholm)schreibtüberden Auft ritt desfranzösi-
schen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Si-
cherheitskonferenzinMünchen:
„Es istehren wert,mehr als ein Anhang Amerikas
sein zuwollen. Aber vieles der ThesenvonEmmanu-
el Macron istauchbesorgniserregend. Teils hat Ma-
cronkeinengrößerenRespekt fürStrategien, die
nicht vonParis ausgehen. Er bieteteine Artfranzösi-
schen Atomwaffenschirmfür Europa an, will aber na-
türlic hselbstdarüber bestimmen.Teils will Macron

Wladimir Putin in die Gemeinschafteinladen. Die
Sanktionengege nRussland funktionierten nicht, er-
klärtMacron. Er erscheint bereit zu sein, die Invasio-
nen auf der Krim und in der Ostukraine zuvergeben.
Ein engerer Dialog soll die Alternativesein. Unbere-
chenbar eUSA sind etwas, mit dem Europarech nen
muss, solangeTrump regiert–aber die EU istvon
sichaus kaum eingeopolitischerKoloss. UndRuss-
land musszunächst sein Gebaren ändern, umTeil des
Freundeskreises zuwerden.“

Macron will mehr europäische Souveränität
ZumAuftritt Macrons aufder Münchner Sicher-
heitskonferenz heißt es in der „Neuen Zürcher Zei-
tung“:
„Nichts verdeutlicht den deutsch-französischenUnter-
schied so sehr wie die Atomfrage. Macron will, wie er
in München sagte, ,mehr Spielraum‘und will sichzu

diesem ZweckwenigstensteilweisevonAmerikaun-
abhängig machen. Er lehntdie Nato nicht ab, er sucht
nur nachWegen für eine ,europäische Souveränität‘.
Macron schimpftbezeichnenderweise nicht über
Trump, er will aber die amerikanischePosition in Eu-
ropa schwächen. Er istdakühler Machtpolitiker.Die
Deutschen schimpfen unausgesetzt überTrump, sie
wollen jedochdie engePartnerschaftmit den USAer-
halten.(...)Die Deutschen sind dieRomantiker der
transatlantischen Allianz,was auchihregeradezu ob-
sessiv eBeschäftigung mit demFaszinosum imWei-
ßen Hauserklärt.Die strategischeAutonomie, dieMa-
cron immer wiedererwähnt, halten die Deutschen
nicht für erstre benswert: aus Bequemlichkeit, aber
auch,weil sie sichselbstaußenpolitisch nicht über
den Wegtrauen. Einwenig amerikanischeAufsicht
istfür sie die moralischzwingendeFolgeder national-
sozialistischen Barbarei.“

Amerikanisierung des politischen Lebens
Die französischeZeitung„Le Monde“ (Paris)kom-
mentiertden Sturzdes PariserBürgermeisterkandi-
datenvonPräsidentMacron, Benjamin Griveaux,
übe reineSexvideo-Affäre:
„DiePrinzipien, die bisher für das öffentliche Leben
Frankreichsgalten, sind zerborsten: diestrikteAb-
grenzung zwischen öffentlichem und Privatleben; das
Rechtvon Er wachsenen, sexuelle Beziehungen einzu-
gehen, sofernsie nichtgegenGesetzeverstoßen. Man-
chesprechenvoneiner Amerikanisierung des politi-
schen Lebens.Andereverweisen auf den Einflussder
sozialenNetzwer ke.Wenn weltweit Schmutzkampa-
gnenmöglic hsind, sollenKandidaten sichzurückhal-
ten, ihr eÄußerungen überwach en und ihre Handys
zum Schweigen bringen. Das istnicht akzeptabel.Aus
Respekt vorder Demokratie und dervonihr garantier-
tenRecht eist Widerstand geboten.“

STIMMEN DERANDEREN


FrauMinisterin,Sie sindindieserWo-
che zu GesprächeninBerlin. Worum
gehtes?
Wirhaben mit Deutschland einen guten
Erfahrungsaustauschüber Integration,
den möchteich fortsetzen.Undesgeht
um Themen wie Extremismus undRadi-
kalismus. DerKampfgegen den politi-
schen Islam isteiner meiner Themen-
schwerpunkteinder Integrationsarbeit.

Gibt es grenzüberschreitende Kooperati-
on?
Der Islamismusals politische Ideologie
istein Phänomen, das wir überallinEuro-
pa antreffen. In Österreich werden wir
uns genau ansehen,wo wir dieseradika-
len Tendenzenfinden, die demokratie-
feindlichund gegenunserenRechtsstaat
sind: Ob in islamistischenVereinen oder
auchinBildungseinrichtungen oder in so-
zialen Medien.

Ist die Muslimbruderschaft in diesem
Zusammenhang ein Thema?
Ja. Wirhaben eine StudievonLorenzoVi-
dino vonder George-Washington-Univer-
sität, die besagt, dassesengeVerstrickun-
gengibt zwischen Individuen und Organi-
sationen auch in Österreich undder Mus-
limbruderschaft. Wirwerden eine Doku-
mentationsstelle für den politischen Islam
schaf fen, das haben wiruns imRegierungs-
prog ramm gemeinsamvorgenommen.

Was sindIhre wichtigsten Projekte?
In denRegierungsverhandlungen, an de-
nen ichteilgenommen habe,waresuns
wichtig, dassÖsterreichden res triktiven
Kurs in der Migration fortsetzt .Das ist

auchfür den Integrationsbereichsehr
wichtig, denn der Erfolg vonInteg ration
hängt auchdavon ab, wie viel Zuwande-
rung Österreichhat.Österreichhatte
2015 proKopf die zweitgrößte Zahl an
Asylanträgen in Europa,vorDeutschland.
In der Integrationbeschäftigen uns die
Herausforderungen aus der Flüchtlingskri-
se 2015/16 heutenochimmerextrem.
ZumBeispiel die Integration vonFlücht-
lingen in den Arbeitsmarkt, das wirdauch
einer unserer Schwerpunkte sein.Wirha-
ben weiter das Ziel, Integration durchLeis-
tung zu erreichen.Wichtig is tnicht, wo-
her jemandkommt, sondern,waserbereit
ist, in Österreichbeizutragen.

Wo setzenSie da an?
Wirförder nIntegration, indem wir Hilfen
wie Deutschkurse, Wertekurse und ande-
re Integrationsmaßnahmen zur Verfü-
gungstell en. Das mussman er stmal für
eine sogroße Gruppe auf die Beinestel-
len, auchdie Infrastruktur dafür.Zum an-
derenwollen wir Integration einfordern.
Die Kursesind verpflichtend, sonstgibt es
Sanktionen wie dieKürzung vonSozial-
leistungen.

Siesprechen von staatlichenMaßnah-
men. Ist nicht dieEinbettungvon Mi-
granten indie Gesellschaftund derAus-
tausch mit den eingesessenen Menschen
noch wichtiger?
Integ ration istein zweiseitiger Prozess.
Er bedarfeiner gewissen Öffnung derAuf-
nahmegesellschaft, aber auchwirklich
viel Eigenverantwortung und Engage-
ment desZuwanderers. Es gibt drei Säu-
len: Den Deutscherwerb, denn sonst

kann mangarnicht mit jemandem inKon-
takt tre ten. Dassman auf dem Arbeits-
markt integriertist:Eshat sic hgezeigt,
dassdas garnicht so einfachist,wie man-
cheamAnfanggedacht haben.Wirhaben
zum BeispielMenschen aus Afghanistan,
die nie in einer Bildungseinrichtungwa-
ren, die bei uns erst alphabetisiertwer-
den. Unddie dritteSäule istdie emotiona-
le Zugehörigkeit, dassman über dieRe-
geln desZusammenlebens Bescheidweiß
und dieWerte, die österreichischen und
die europäischen, kennt und mitLeben er-
füllt.Das is tsicher ein längerer Prozess.

IhreMinisterkolleginAlma Zadićvon
den Grünen, dieaus Bosnien stammt,
wurde vonunsäglichen Hassäußerungen
überzogen, als sieernannt wurde. Was
sagtdas über die Integrationsbereit-
schaft der Aufnahmegesellschaft aus?
Grundsätzlich bin ichder Überzeugung,
dass die IntegrationsbereitschaftinÖster-
reich groß is t. Es wirdunglaublichviel ge-
leistetimEhrenamt, in Gemeinden.Auf
lokaler Ebene gibt esgroße Bereitschaft.
Aber selbstverständlichgibt es auchPhä-
nomene wie HassimNetz. Eswarmir
auchein Anliegen, meine Ministerkolle-
gin öffentlichzuunter stützen, daswerde
ichauchweiter tun. HassimNetzist zu
verurteilen, egal obvonlinker Seite,rech-
terSeiteoder islamistischmotivierterSei-
te.Wir sind uns in der Bundesregierung
einig, dasswir da viel tun müssen. Da
geht es auchdarum, wie wir in der Gesell-
schaf tzusammenlebenwollen.

Gibtes eine neue Richtungoder zumin-
destNuance,odermacht die ÖVP in der

Koalitionmit denGrünenweiter wie zu-
vormit der FPÖ?
Wirhaben uns auf eingehaltvolles, umfas-
sendesRegierungsprogramm mit vielen
neuen Schwerpunkten geeinigt, auch
beim Thema Integration. So wirdetwadie
Integ ration vonFrauen einFokus.Frauen
spielen eine Schlüsselrolle,weil sie Bil-
dung undWerteandie Kinderweiterge-
ben. Unddie Gleichberechtigungvon
Mann undFrau is tein Indikator dafür,wo
die Gesellschaftsteht.Wir müssen den
Frauen vermitteln, dassÖsterreic hein
Land derChancen für sie ist.Gewisse Her-
ausforderungen sind seit Jahren bekannt,
daran mussman kontinuierlicharbeiten:
Extremistische Tendenzen bekämpfen,
den sozialen Zusam-
menhangstärken, Bil-
dung und Arbeits-
marktvorantreiben.

Die Oppositionkriti-
siert, dass IhreMaß-
nahmen und Ihre Rhe-
torik abweisend wirk-
ten. Das sei nicht Inte-
grationspolitik,sondern Integrations-
verhinderungspolitik.
Wirhaben erstmals ein eigenes Integrati-
onsministerium imKanzleramtgeschaf-
fen. Das istein Zeichen dafür, wie groß
die Herausforderungen sind.Natürlic hist
es für uns wichtig, darauf in einer klaren
Sprache zureagieren.Wirglauben, dass
das derrichtigeWeg is t: Fördern, aber
aucheinfordern.

Sie waren eine enge Mitarbeiterin von Se-
bastian Kurz schon in der Zeit, als er als

Staatssekretärfür Integration angefan-
gen hat. Damals isterauf Veranstaltun-
gen wie das Fastenbrechender Islami-
schen Glaubensgemeinschaftgegangen
–späternicht mehr. Würden Sie das heu-
te tun?
Ichbin alsKanzleramtsministerinfür 16
anerkannteReligionsgemeinschaftenin
Österreichzuständig. Religionkann auch
ein Schlüssel fürgelungene Integration
sein, daher istmir derAustauschmit ih-
nen eingroßes Anliegen: Daswerdeich
dann auchtun.

In IhremKoalitionsabkommen mit den
Grünen habenSie ein Verbot vonKopf-
tüchernanSchulen für Mädchen biszur
Religionsmündigkeit im Alter von 14
Jahren vereinbart. In einerIhrer ersten
Äußerungen nach Amtsantritt haben Sie
bereitslaut übereinen nächsten Schritt
nachgedacht, auch Lehrerinnen dasTra-
geneines Kopftuchszuverbieten. Bedeu-
tetdas,dass Ihnen das Regierungspro-
grammeigentlich nicht weitgenuggeht?
Es sind zwei unterschiedlicheParteien,
die sichimKoalitionsprogramm auf das
Beste aus beidenWelten geeinigt haben.
Wirsind uns einig, dasswir ein Kopftuch-
verbotfür Mädchen bis 14 Jahren in Schu-
len auf denWegbringen. Das erarbeite
ichgerade zusammen mit Bildungsminis-
terHeinz Fassmann.

War es koalitionsklimatisch ein Fehler,
gleich über nächste Schritte zu reden?
Für unsist es wichtig, dasswir die Dinge
auf denWegbringen, die wirvereinbart
haben. Daraufkonzentrieren wir uns.

VergangeneWoche warEU-Kommissi-
onsvizepräsident MargaritisSchinas in
Wienund hatte unter anderen ein Ge-
spräch mit Ihnen. Gibt es EU-Koopera-
tionenzur Integration?
Wirwaren uns einig, dassdie Herausfor-
derungen im Bereichdes Extremismus
ein europäisches Phänomen sind. Die
Spitze des Eisbergs, bei der es sicherheits-
polizeilich relevant wird, sind die „Fo-
reign Figh ters“(Islamisten, die anKämp-
fenimNahen Ostenteilgenommenha-
ben; Red.), derzeit gibt es aus Österreich
immer nochetwa300 solcher „Foreign
Fighters“.Aber derNährbodenvonExtre-
mismus, der nochnicht gewalttätig ist, be-
deutet eine Gefahr für den sozialenZu-
sammenhalt.Das warein großes Thema
in unserem Gespräch.Wirwollen auch
darüber hinaus in der Integration, die in
der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
liegt, zusammenarbeiten und „BestPracti-
ces“ austauschen.

GibtesinternationalInteresse an den
Schritten in Österreich wiezum Beispiel
dem Kopftuchverbot?
Ja. Dasgabess chon an früheren Maßnah-
menwie dem Islamgesetz, daswirvoreini-
genJahrenverabschiedethaben. Großes
Interesse gibt es auchdaran, wie wirWer-
te vermitteln.Wirhaben DutzendeInte-
grations- oder AußenministerinWerte-
kursen gehabt,weil es vonInteresse ist,
wie manvermittelnkann, wasinEuropa
wichtig istund wo die Grenze derTole-
ranz ist.

Die Fragen stellteStephan Löwenstein.

B


ei derUnion is tgerade vielvon
„Äquidistanz“ dieRede. Esgeht
dabei um dasVerhältnis zu AfD
und Linkspartei. Der Begriff
passtaber auchganz gut für dasVerhält-
nis der CSU zu den dreiKandidatenkandi-
daten der CDU für Parteivorsitz und
Kanzlerkandidatur.
DieÄquidistanz der CSU zu Armin La-
schet,Friedric hMerzund Jens Spahn gibt
es in der positivenVariante. So sagteder
CSU-Vorsitzende und bayerische Minister-
präsident Markus Södervorder Vorstands-
sitzung seinerPartei in München, bei al-
len dreigenanntenCDU-Politikernhande-
leessichum„sehrhervorragendePersön-
lichkeiten“. Es gibt dieÄquidistanz aber
auchinkritisch: Im Interviewmit dieser
Zeitung hatteSöder darauf hingewiesen,
„dassesfür keinen der drei eine breite
Mehrheit bei den Deutschen gibt“. Das
wiederholte er nachAngabenvonSit-
zungsteilnehmernauchintern. Heißt in
der Sprache der Basis: EinReißer istkei-
ner vondenen.
Die momentan fastungeteilteAkzep-
tanz für SödersFührungsanspruchinder
CSU zeigtesichinder Sitzung darin, dass
seineFord erung an seineParteifreunde,
sie mögen sichdoch mit Sympathiebekun-
dungen in RichtungvonirgendeinemKan-
didaten zurückhalten, sogar hinterver-
schlossenenTüren befolgt wurde. Einzig
Erwin Huber,der ehemaligeParteichef,
soll vonder Parteiführungverlangt haben,
Mittelstandspolitiker der CSUvonRufen
nachFriedric hMerzabzuhalten.Viel-
leicht hätteman nocheine kritische An-
merkung vonInnenministerJoachim Herr-
mann zu einem Thema aus dem Bundesge-
sundheitsministerium als ein sehrverklau-
suliertesMisstrauensvotum gegenJens
Spahnwerten können.Aber daswar’s.

Kenner vermuten zwar,dassesander
CSU-Basis und in der Landtagsfraktion
eine Neigung zu Merzgibt.Esgibt auch
ein verbreitetes Gefühl in derPartei, dass
man Brot-und-Butter-Themen wie die in-
nereSicherheit mal wiederetwasstärker
akzentuieren sollte; Merzkönntedas. Vie-
le vondenen jedoch, die sichstärkermit
strategischenFragen auseinandersetzen,
weisen etwa darauf hin, dassschwervor-
stellbarsei, wie Merzmehr als ein Jahr an
der SeitevonMerkelParteivorsitzender
sein wolle. Seinstrategisches Geschicksei
überdies nicht sehr ausgeprägt.AuchSö-
dersWorte, es dürfe keinen Bruchmit der
Ära Merkelgeben, sowie seine Mahnung
vorder Vorstandssitzung, nurwerden
Trennungsstrich zur AfD so klar ziehe wie
die CSUkönne auf ihreUnter stützung
rech nen, wurden zumindestals Warnung
in Richtung Merzgedeutet.Das gilt auch
für SödersEinschätzung, die CDUkönne
miteinemWahlprogrammderVergangen-
heit nichtsgewinnen, dievomLandesgrup-
penchef Alexander Dobrindt zuletzt aus-
drücklichgeteilt wurde.
Allerdings wissen in der CSU viele auch
mit Spahn und Laschetnicht so viel anzu-

fangen. Laschet, sagt einer aus demVor-
stand,habezwardenVorteil,dassersich
fernab des Berliner Betriebs profilieren
könnte, ohne inständigeKonkurrenz mit
der Kanzlerin zugeraten. Ein anderesVor-
standsmitgliedweist allerdings darauf hin,
wasman öf termal an der CSU-Basis höre:
„Laschet–da is tjaschon derName Pro-
gramm.“
Also mussdochnochSöder ran?Wenn
derernsthaftander Kanzlerkandidatur in-
teressiertwäre, hätteersicher schon ei-
nen in der CSUgefunden, der bereitwäre,
das probeweise alsganz undgarunum-
gänglic hzubezeichnen.Aber Söder hat
sichoffenbar entschieden, aus der jetzigen
LageinandererWeise sostarkwie mög-
lichzuprofitieren: indem er sichals Kö-
nigsmacher darstellt undals Anker derSta-
bilität.Dazu gehört: Angela Merkelnicht
fallen zu lassen. Alles anderewirdinder
CSU gegenwärtig auchfür viel zuriskant
gehalten, zumal dann, wenn man die
Kanzlerin zu einem Rücktritt drängen
müsste,gegenden Willen der SPD. Ein
TheateràlaThüringen will man denWäh-
lernnicht nocheinmal zumuten.
Welchen Plan Södergenau verfolgt, ist
unklar.Wenn man bedenkt, dassersich

am Montag wieder für eineKabinettsum-
bildung aussprach, dassdie deutsche EU-
Ratspräsidentschaftansteht und dassin-
nerhalb eines Jahres sowohl CDU-Vorsit-
zender als auchein möglicherweise da von
abweichenderKanzlerkandidat und außer-
dem nochein „Team“gefundenwerden
muss, dannreicht dafür dieZeit und Phan-
tasie kaum aus.Vielleicht liegt die Lösung
aber auchineinem Hinweis, den Söder
am Montag nicht zum erste nMal brachte,
um zu erklären, wie das mit einerTeam-
lösung aussehenkönnte: So wie er und
sein Vorgänger Horst Seehofer esgemacht
haben.
Die Erinnerung daran istvielen noch
sehr präsent–der Teamgedankedürfteal-
lerdings denwenigstenkommen, schon
eher der des erbitterten Machtkampfs.
Dassder in derPolitik eher dieNormalität
als dieAusnahme ist,gemahnteeine klei-
ne Begebenheit in derVorstandssitzung.
Als Generalsekretär MarkusBlume die
WortmeldungenvonEdmundStoiber und
Theo Waigel mit denWorten ankündigte,
jetzt komme der „Block“ der Ehrenvorsit-
zenden, sollWaigel erwiderthaben:„Wir
sind kein Block. Bei uns istjeder im eige-
nen Block.“

Horst Seehofer erhöht den Druck. Kürz-
lichhat der Bundesinnenministerwie-
der gefordert, dassdie gemeinsame eu-
ropäische Asylpolitik für dieZukunft
Europas „mindestens“ diegleiche Be-
deutung habe wie ein europäischer
Green Deal. Seinen eigenen Plan für
eine Reform des Gemeinsamen Euro-
päischen Asylsystems kann Seehofer
mit diesemNach druc kallerdings nur
nochwenigeMonatebetreiben–bis
zum1.Juli, wenn Deutschland dieRats-
präsidentschaftübernimmt undfortan
als „ehrlicher Makler“ aufzutreten hat.
Schon im Dezemberhatt eSeehofer sei-
nen Vorschlag der neuenKommission
in Brüssel und anschließend im Kreis
der EU-Innenministervorgestellt.Die
Idee istnicht neu: Entscheidungen über
Asylanträgesollen an die EU-Außen-
grenzenverlager twerden. DieKommis-
sion reagierte aufgeschlossen, in den
anderen Mitgliedstaaten wardas Echo
durchwachsen.
In der eigenenFraktion, also bei den
CDU- und CSU-AbgeordnetenimBun-
destag, kommt dasKonzeptpapier aller-
dings nicht gut an. Das Bundesinnenmi-
nisterium hat in dervergangenenWo-
chedie dreiKernelementefür eineNeu-
fassung des Asylsystems vorgelegt.Sie
sind innerhalb der Bundesregierung,
also auchmit den SPD-geführtenRes-
sort swie demAußenministerium,abge-
stimmt,damit die Bundesregierung in
Brüssel sprechfähig ist.
„Ein neues europäisches Asylsystem
istkein Selbstzweck“, sagteThorsten
Frei (CDU), derstellvertretende Frakti-
onsvorsitzende für den Bereichder In-
nenpolitik,dieser Zeitung.„Wir dür fen
keine Kompetenzenabgeben,wenn die
Lösung hinterher schlechter ist. Ziel ei-
ner gemeinsamen europäischen Asylpo-
litik mussdie Reduktion der Migration
nachDeutschland sein.“ Dieses Ziel se-
hendie Innenpolitikerder Unionsfrakti-
on aus mehreren Gründenverfehlt.An
den EU-Außengrenzen soll demPapier
zufolgenur eine„Vorprüfung“ der Asyl-
anträge stattfinden. Es soll alleinge-
prüftwerden, ob einePerson aus einem
sicheren Herkunftsland oder einem si-
cheren Drittstaat kommt oder die öf-
fentliche Sicherheitgefährde t. Alle an-
deren Personen sollen nacheinem

Schlüssel („Fair share“),vorabfestge-
legt anhandvonBevölkerungszahl und
Wirtschaftskraft, auf die Mitgliedstaa-
tenverteilt werden, diefortan fü rdie je-
weiligen Asylverfahren ausschließlich
und dauerhaftzuständig sein sollen
(„ewigeZuständigkeit“). So sollen die
Belastungen auf alle Mitgliedstaaten
gleichmäßigverteilt werden. „Anden
EU-Außengrenzen musseine umfassen-
de Prüfung der Asylanträgestattfin-
den“, soFrei. „Es machtkeinen Sinn,
dassMigranten in der EUverteilt wer-
den, dienur i nseltenen Fällen eine Aus-
sicht auf ein Bleiberecht haben.“ Das
schaf fe nur neue Pull-Faktoren.
Nachden Plänen der Bundesregie-
rung sollen SchutzsuchendePrioritäten
angebenkönnen, inwelches EU-Land
sie verteiltwerden. Die Idee dahinter ist,
Sekundärmigration zuvermeiden, also
das Weiterziehen in einen anderenMit-
gliedstaat.Aus Freis Sicht istdas „inak-
zeptabel“. „Das würde dazuführen, dass
in Deutschland die Quote immer ausge-
schöpftwird“, sagte der Innenpolitiker.
Ausdemselben Grundwendetersichda-
gegen, das s–wie lautPapier vorgesehen
–der Nachzug der erweiter tenVerwandt-
schaf termöglichtwerden soll. Ziehen
Migranten trotzder vorgesehenen „ewi-
genZuständigkeit“eines Mitgliedstaats
weiter ,bestehen die Innenpolitikerder
Unionsfraktion zudemdarauf ,dassih-
nen, andersals nunvorgeschlagen,von
dem anderenStaat keine Leistungenge-
währtwerden–auchnicht zurÜberbrü-
ckung, auchnicht in Härtefällen.
Die Grünen-Abgeordnete Franziska
Brantner sagte, dassder Vorschlag der
Bundesregierung sogar ohne weitere
Verschärfungenkaum Aussicht auf Er-
folg hat.Erbürde „die Lastvor allem
den Staaten an den Außengrenzen
auf“, sagteBrantner dieser Zeitung.
„Warum sollten sie die Idee dann mittra-
gen? Daswäre so, als ob Schleswig-Hol-
stein vonBaden -Württemberg und Bay-
ernerwartenwürde, dieganze Arbeit
zu machen, und dann auchein paar Leu-
te aufnehmen würde.“Die Grünen-Poli-
tikerinforderte,dassdie starkenLän-
der in der EUvorangehen. Alle müss-
tensichanallen Dimensionen des Asyl-
systems beteiligen, „aber vielleicht in
unterschiedlicherStärke“, so Brantner.

Foto dpa

Hat seine MannschaftfestimGriff:MarkusSöder zu Beginn der CSU-Vorsta ndssitzung am Montag in München Fotodpa

„Unsware swichtig, denrestriktiven Migrationskurs fortzusetzen“


Österreichs IntegrationsministerinSusanne Raab über einKopftuchverbot,gelunge ne Integrationund de nKampf gegen den politisch en Islam


Kein Reißer in Sicht


Kritik von


allenSeiten


Seit Monaten wirbt Seehofer für ein neues Asylrecht,


nun wirdeseng /VonHelene Bubrowski,Berlin


Begeisterung lö st in


derCSU keinerder


mögliche nKandidaten


fürden CDU-Vorsitz


aus.Mussdochnoch


Söderran?


VonTimo Frasch,


München

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