Berliner Zeitung - 17.02.2020

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Berliner Zeitung·Nummer 40·Montag, 17. Februar 2020 (^3) ·························································································································································································································································································
DerEinstiegdesUS-FinanzinvestorsKKR
istein WendepunktinderGeschichtedesVerlags.DemMedien-Konzern
könntedieZerschlagungdrohen.


F


eiernkönnen sie bei AxelSpringer.
Unverg essen ist dieRevue,die das
MedienhausimMai2012anlässlich
des 100.Geburtstags seines 1985
gestorbenenGründersdenIntendantendes
HamburgerSt.-Pauli-Theaters,Ullrich Wal-
ler,inszenieren ließ.DerSchauspielerHer-
bertKnaup gab denVerleger.Die Musiker
UdoLindenbergund MaxRaabe hatten
Gastauftritte.Und Konzernchef Mathias
Döpfner stand imProlog inHoodie und
JeanshöchstselbstaufderBühne.ImP ubli-
kum saßen solch illustreGäste wieHans-
Dietrich Genscher,Richardvon Weizsäcker
undderdamaligeBundespräsidentJoachim
Gauck.
Undschon stehen die nächstenTermine
an, die Anlass für größereFestivitäten sein
könnten:Im Juni weiht Springer denvon
Stararchitekt RemKoolhaas entworfenen
Neubau in derBerliner Schützenstraße ein.
Und2021 begeht dasMedienhaus sein 75-
jähriges Bestehen. DieFrage ist nur,obden
Springer-Mitarbeiternzum Feiernzumute
ist. Wohl eher nicht:Derzeit durchlebt das
Medienhaus das wohl größtePersonalab-
bau-ProgrammseinerGeschichte.Überden
Umfang derStellen, die gestrichenwerden
sollen,machtderKonzer nkeineAngaben.In
Gewerk schaftskreisen wirdgeschätzt, dass
am Ende zwischen1500 und 2000 Arbeits-
plätzewegfallenwerden.
ParalleldazuwirddieSpringer-Aktievon
der Börse genommen.Dieses sogenannte
DelistingdürftespätestensimzweitenQuar-
tal abgeschlossen sein.Hintergrund ist der
Einstieg des US-FinanzinvestorsKohlberg
Kravis Roberts (KKR) bei demMedienhaus
imverg angenenJahr.VondemÜbernahme-
angebotderAmerikanerhattendieSpringer-
Aktionärebereits 2019regen Gebrauch ge-
macht, weshalb KKR jetzt bereits 44,9Pro-
zentderAnteilehältunddamitHauptgesell-
schafter ist.Nach dem nun angekündigten
RückzugvonderBörsekönntederFinanzin-
vestorweitere3,6Proz entübernehmen.
Dochwarumdasalles?WarumdasDelis-
tingundwarumeinPersonalabbau,beidem
der bislang alsverg leichsweise arbeitneh-
merfreundlich geltendeKonzer numbe-
triebsbedingte Kündigungen kaum herum-
kommen dürfte?In Unternehmenskreisen
heißtes ,derBörsenrückzugunddieStellen-
streichungen seien gewissermaßen dieOu-
vertürezue inem Proz ess,and essen Ende
ein radikaler Konzernumbau stehenwerde.
DiealtenStrukturenwürdenzerschlagen.
Bisher gibt es imUnternehmen vierSeg-
mente.Bereits auf derHauptversammlung
2019 verk ündete Konzernchef Döpfner,das
Segment Media Marketing aufgeben zu wol-
len.EsbliebendannnochNewsMedia–also
SpringerspublizistischeAktivität–undClas-
sified Media –die digitalenRubrikenmärkte
des Medienhauses wie etwa dieJobbörse
StepstoneoderdasImmobilienportalImmo-
net–sowiedas SegmentHolding/Services.
Doch derUmbau geht noch vielweiter:
„Am Ende wir desn ur noch denUnterneh-
mensbereichPublizistikunddiehochprofi-


tablen digitalen Rubrikenmärkte geben“,
sagteinemitdemKonzernumbauvertraute
Person,diewegender SensibilitätderMate-
rienicht namentlich genannt werden
möchte,der Berliner Zeitung. Demnach
könnte derVerlag voreinem radikalen Um-
bau stehen: „Die publizistischen Objekte
kommenineineStiftung,diemitKKRnichts
zutunhat.DieRubrikenmärktewandernin
eine vonden Amerikanerngeführte Aktien-
gesellschaft mit der neugegründeten Stif-
tungals Juniorpartner.DieAnwältearbeiten
bereitsdieVerträgeaus.“
EineweitereQuellebestätigtdieseAnga-
ben. AlsStiftungsvorstand sei Döpfner ge-
setzt, ergänzt sie.Ziel der Aktion sei es,den
InteressendesrenditefixiertenFinanzinves-
torsgerechtzuwerdenundzugleichdaspu-
blizistischeErbe AxelSpringers zu bewah-
ren.Um diesesErbeistesnichtgutbestellt.
DieTageszeitungDieWelt,die Springer
vonden britischen Besatzungsbehörden
übernahm,warfinanziellniewirklicherfolg-
reich. Dennoch galt eine Schließung des
konservativen Blatts auch nach demTode
des Verlagsgründers als undenkbar.Inden
anlässlichdesKKR-EinstiegsbeiSpringerer-
stelltenAngebotsunterlagenwirdjedochder
Fortbestand der komplettenWelt-Gruppe,
zu der neben derTageszeitung auch deren
Digital-Angebote,dieWelt am Sonntag und
der TV-SenderWelt gehören, unter einen
Vorbehalt gestellt:Er stehe „unter derVor-
aussetzung einer angemessenenSteuerung
der jährlichenErgebnissituation“, heißt es
dort.
AuchdieimmernochprofitableBild-Zei-
tungistinschweresFahrwassergeraten.Die
Auflage desBoulevardblatts,die in dessen
besten Zeiten bei mehr als fünfMillionen
verk auften Exemplaren lag, bewegte sich
noch Anfang der 2000-Jahredeutlich ober-
halb derMarkevon vier Millionen verk auf-
ten Zeitungen. Doch dann setzte ein bei-
spielloserAuflagenverfallein.Heutewerden
vonBildnurnoch1,37MillionenExemplare
verk auft. Hält derAbwärtstrend unvermin-
dertan, wir dBild bereits übernächstesJahr
diepsychologischwichtigeMarkevoneiner
Millionverk auftenExemplarenverfehlen.
OffenbarhilftindieserbedrohlichenLage
nurnocheineQuersubventionierung.Denn
wiebeideQuellenübereinstimmendberich-
ten, ist einer derGründe für denKonzern-
umbau,dassdiegeplanteStiftungdieaufsie
entfallendenErträge aus der ClassifiedAG
steuerfreiinihrepublizistischenAktivitäten

Pokerumdas Erbe: Springer-Chef Mathias Döpfner. IMAGO IMAGES


Zerfällt


Springer?


VonKai-Hinrich Renner


„Am Ende wir des


nurnoch den


Unternehmensbereich


Publizistik und die


Rubrikenmärktegeben.“


Ein Insiderbeschreibt die zu erwartende
Ausrichtung des Springer-Verlags.

Kai-Hinrich Rennerüberraschte, dass die An-
gaben seiner Informanten sich sehr ähnelten,
obwohl sie nichts miteinander zu tun hatten.

steckt.ZudemwürdedurcheinsolchesStif-
tungsmodelldasErbederkinderlosenVerle-
gerwitw eFriede Springer endlich geregelt.
Siehält42,6 Proz entderAnteiledesMedien-
hausesundistdamitnachKKRdessenzweit-
größterGesellschafter.
BlaupausefürdieseKonstruktionsindder
MischkonzernEvonik und die RAG-Stiftung.
Der2019 gestorbeneManager und frühere
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller
hattedie2007gegründeteRAG-Stiftungzum
HauptaktionärderausderRuhrkohle AGher-
vorgegangenenEvonikgemacht.MitdenEr-
träg en aus demKonzer nfinanziertdie Stif-
tungdieRegulierungderSchäden,diedurch
denjahr zehntelangenKohlebergbauentstan-
den sind.Auch für den US-Finanzinvestor
wäreeine Aufteilung Springers in eineStif-
tung fürPublizistik und eineAG für digitale
RubrikenmärktevonVorteil.Würdendiepu-
blizistischenAktivitätenineineStiftungaus-
gelagert,könnteKKRinallerRuheden welt-

größten Anbieter digitalerRubrikenmärkte
aufbauen–undzueinemspäterenZeitpunkt
seinenAG-AnteilanderBörseversilbern.Es
sprichtalsoallesfüreineAufteilung.Offiziell
weist man diePlänebeim Verlag weit von
sich, einUnternehme nssprecher sagte der
Berliner Zeitung: „Solche Plänegibt es
nicht.“
Zwaristesmöglich,dassderKonzer ndie
Plänefür eine Publizistik-Stiftung und eine
Aktiengesellschaft für digitale Rubriken-
märkte geänderthat.Die Frageist nur :Wo-
durchwurdendiesePläneersetzt?Denndie
derzeitige KonstruktionvonSpringer zeigt,
dass sie nur für eine Übergangsphase ge-
plant sein kann. AlsHauptgesellschafter ei-
nespublizistischenHausesscheintderwelt-

weit sehr umstritteneFinanzinvestor KKR
ungeeignet. Es drohenImageprobleme,In-
teressenskonflikteund,solltendieAmerika-
nerlängerfristigbeiSpringerengagiertblei-
ben, womöglich irreparable Schäden. KKR-
GründerHenryKravisgiltalsdasVorbildfür
GordonGekko,demvonMichaelDouglasin
Oliver StonesFilmklassiker„WallStreet“ver-
körpertenPrototyp des gierigen, skrupello-
sen Finanzhais.Dem Finanzinvestor ist
keine Branche zu fragwürdig, so sie denn
hohe Renditen verspricht. KKR investiert
munter in die Rüstungsindustrie –in
Deutschland gehörtden Am erikaner netwa
Hensoldt, die frühereVerte idigungselektro-
nik-SpartevonAirbus –und in konventio-
nelleEnergienmithohenCO 2 -Emissionen.
KKRist rundumdenGlobusinnahezual-
len Branchen aktiv.Was heißt das für die
Wirtschaftsberichterstattung derSpringer-
Blätter?SelbstwenneskeineAnweisungge-
ben sollte,Rücksicht auf dieInteressen des
neuen Hauptgesellschafters zu nehmen, ist
schwer vorstellbar,dass Springers Wirt-
schaftsredakteureunbefangen überUnter-
nehmen mit KKR-Beteiligung berichten
können–undseieswegenderberühmt-be-
rüchtigtenSchereimKopf.
AuflangeSichtambedrohlichstenfürdas
Medienhaus sind aber dieGeschäftsprakti-
kenderAmerikaner.DieKostenfürteureZu-
käufebürdensieinderRegelden vonihnen
erworbenen Unternehmen in Form von
Schuldenauf.DieseSchuldenmüssendann
vonden Unternehmen bedientwerden, in
derRegelmit Zinsen.Umauchnochüppige
Dividenden an dieFinanzinvestoren aus-
schütten zu können, müssen derenFirmen
sparen,biseskracht.Wasdaskonkretbedeu-
tet,erfuhrdieSenderfamilieProSiebenSat
zwischen 2006 und 2014.In dieser Zeit war
dortKKR zusammen mit dem ähnlich ge-
strickten US-FinanzinvestorPermirainves-
tiert. DieAmerikaner kauften die skandina-
vischeSenderketteSBShinzuundbürdeten
die Kosten dafür ihrer deutschenSenderfa-
milie auf.Zugleich ließ ihrrigider Sparkurs
dringendnotwendigeInvestitioneninsPro-
gramm ebensowenig zu wie einevernünf-
tigePersonalpolitik.AndenFolgendes Enga-
gementsderUS-FinanzinvestorenleidetPro
SiebenSat1bisheute.
Nundürften die KKR-Praktiken Sprin-
ger-ChefDöpfnerbekanntsein.Wohlauch
deshalbhatermitdenAmerikanernverein-
bart, dass er undFriede Springer allenGe-
sellschafterbeschlüssen zustimmen müs-

sen.DieswiederumdürftefürdenFinanzin-
vestornurfüreineÜbergangsphaseakzepta-
belsein. Wiemanesauchdrehtundwendet:
DiederzeitigeKonstruktionergibtalsDauer-
lösung für keine der beteiligtenParteien
Sinn.
Dasgilt in besonderemMaße für Sprin-
gersBelegschaft.DasProgrammzumPerso-
nalabbaumitdemschönenNamen„Herku-
les“ wurde,sov iel steht fest, nicht auf
Wunsch des neuen Hauptgesellschafters
aufgesetzt. Doch warum dann? Welche
neuen Perspektivenwerden sich nach dem
harten Schnitt ergeben?Dazu schweigt die
Unternehmensspitze, sieh tman malvon
Bild TV ab,den neuenBewegtbild-Aktivitä-
tenvonSpringersBoulevardblatt.
DochdienimmtinderBranchekaumje-
mandernst.WeiloffenbarGeldfürprofessio-
nelleFernsehtechnikunderfahrenesTV-Per-
sonal fehlt, bastelt sich eine Laienschar mit
dem zunehmend überfordertwirkenden
Bild-ChefredakteurJulian Reichelt an der
SpitzemitiPhonesihrProgramm.„Modera-
tor“ sei „völlig zuRechtein eigenerBeruf“,
spottetederSpiegelnachBegutachtungdes
Bild-Talks „Hier spricht dasVolk“, in dem
ReicheltalsGastgeberdilettierte.
Derweilnimmt„Herkules“Fahrtauf:Per-
sonalabgebautwerdensollinderWelt-und
in der Bild-Gruppe,bei Computer-Bild
ebenso wie beiAuto-Bild, beimWerbever-
markterMedia Impact, beimVertri eb Sales
ImpactsowieinderHolding.
ZunächstversuchtesSpringermiteinem
Freiwilligenprogramm.Solltensichnichtge-
nug Freiwillige finden, ließe sich wohl noch
etwas mit Altersteilzeit machen. Doch am
Ende de sTages,dam acht sich niemand im
Haus et wasvor,dürfte es bei einemPerso-
nalabbau in vierstelliger Höhe wohl kaum
ohne Entlassungen gehen. Für einHaus,
dessen Mitarbeiter denBegriff„betriebsbe-
dingteKündigung“jahrzehntelang allenfalls
vomHörensagenkannten,istdaseinKultur-
schock.
EinAbgang,derdefinitivnichtimZusam-
menhang mit„Herkules“ steht, könnteAuf-
schluss über den künftigenKurs vonSprin-
gergeben.Zumindesteinwenig.ImOktober
2019 wurde bekannt, dass das langjährige
Vorstandsmitglied AndreasWiele Springer
EndeMaiverlassenwird.Erwechseltindas
Senior AdvisoryBoardvonKKR.Wielehatfür
SpringerdasGeschäftmitdendigitalenRub-
rikenmärkten nicht nur aufgebaut, er hat
den mitAbstandp rofitabelstenUnterneh-
mensbereichdesKonzernsquasi erfunden.
Esdürf teweltweitkaumeinenManagerge-
ben,dersichmit digitalenRubriken märkten
besser auskennt alsder57-Jährige.Wie es
aussieht,hatsichKKRvorallem, wennnicht
garausschließlich,wegen dieses Geschäfts-
feldesanSpringerbeteili gt.
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