Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1

T


ransport und Logistik halten die
Welt in Bewegung und haben den
Wohlstand von Milliarden Menschen
rund um den Globus überhaupt erst
möglich gemacht. Das Transportvo-
lumen in den OECD-Ländern, in China und in In-
dien erreicht rund 15 Billionen Tonnen-Kilometer
pro Jahr und wird mit wirtschaftlichem Wachs-
tum weiter ansteigen. Unsere Branche ist also un-
glaublich erfolgreich – und genau dieser Erfolg ist
nun unsere zentrale Herausforderung.
In dieser Dimension kann Transport mit den
bisherigen Antriebstechnologien auf Dauer nicht
nachhaltig funktionieren. Für mich steht deshalb
außer Frage: Wir müssen den Transport dekar-
bonisieren – und wir müssen diese Dekarbonisie-
rung als die Mondmission unserer Branche be-
greifen. Auch bei der Apollo-Mission war das
Ziel, das John F. Kennedy seinerzeit vorgegeben
hatte, extrem ambitioniert. Trotzdem wurde das
scheinbar Unmögliche möglich, weil das Apollo-
Team konsequent von diesem Ziel her gearbeitet
und alles zusammengebracht hat, was notwendig
war, um dieses Ziel auch tatsächlich zu errei-
chen. Genau diese Haltung brauchen wir nun
auch bei der Dekarbonisierung des Transports.
Drei Dinge werden für eine erfolgreiche Missi-
on entscheidend sein: erstens: verlässliche,
CO 2 -neutrale Lkw – und hier sind wir als Herstel-
ler gefordert, diese in den kommenden Jahren zu
liefern. Europa will bis 2050 CO 2 -neutral sein,
und so muss es auch die Ambition unserer Bran-
che sein, den Transport bis 2050 CO 2 -neutral zu
machen. Weil es etwa zehn Jahre dauert, die
Flotten komplett zu erneuern, bedeutet das: Ab


2040 dürfen hierzulande nur noch CO 2 -neutrale
Neufahrzeuge auf den Markt kommen.
Grundsätzlich gibt es zu Diesel mehrere Alter-
nativen: Batterie, Brennstoffzelle und Erdgas.
Erdgas-Antriebe stoßen allerdings ebenfalls CO 2
aus und wären auf dem Weg zu einem CO 2 -neu-
tralen Transport nur eine teure Übergangstech-
nologie. Es lohnt sich deshalb nicht, sie weiterzu-
verfolgen. Wirklich CO 2 -neutraler Transport funk-
tioniert nur auf der Basis von CO 2 -neutralen
Antrieben. Ich bin überzeugt, dass Batterien und
Brennstoffzelle sich sehr gut ergänzen werden.
In beide Antriebsarten wird unsere Branche in
den kommenden Jahren erheblich investieren.
Batterieelektrische Serienfahrzeuge werden sich
schon in der ersten Hälfte der 2020er-Jahre auf
dem Markt etablieren. Bei Brennstoffzellen auf
Wasserstoffbasis wird es in der zweiten Hälfte
der 2020er-Jahre so weit sein. Der zweite zentra-
le Fakt auf dem Weg zum nachhaltigen Transport
lautet: Auch 2040 werden die Anschaffungs- und
Gesamtbetriebskosten von CO 2 -neutralen Lkws
aller Voraussicht nach noch höher sein als bei
Diesel-Lkws. Sie werden sich aber nur auf dem
Markt durchsetzen, wenn unsere Kunden damit
wirtschaftlich arbeiten können, ohne Nachteile.
Der dritte entscheidende Punkt hin zu einem
CO 2 -neutralen Transport ist somit: Um CO 2 -neu-
trale Lkws wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu
machen, brauchen wir staatliche Lenkungseingrif-
fe. Die Maßgabe muss sein: CO 2 -neutraler Trans-
port darf – gemessen in Cent pro Kilometer –
nicht mehr kosten als Diesel-basierter Transport.
Die Kostennachteile müssen ausgeglichen wer-
den, und ich appelliere an die Politik, diesen Aus-

gleich über geeignete Initiativen herbeizuführen.
In Europa beispielsweise wäre es dringend gebo-
ten, lokal emissionsfreie Lkws bei der Maut signi-
fikant besserzustellen als herkömmliche Lkws.
Für gasgetriebene Lkws, die im Fahrbetrieb eben
nicht CO 2 -neutral sind, sollte dieser Anreiz nicht
gelten – erst recht, wenn wir die Dekarbonisie-
rung wirklich ernsthaft beschleunigen wollen.
Eine weitere ordnungspolitische Aufgabe ist
der Aufbau der notwendigen Infrastruktur: Hier
geht es vor allem um eine flächendeckende
Lade infrastruktur mit ausreichender Kapazität,
bei der die Politik eine Anschubhilfe leisten muss


  • konzeptionell und finanziell. Wichtig ist, dass
    wir die Infrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge
    auslegen, also beispielsweise nicht nur für gasför-
    migen, sondern auch für flüssigen Wasserstoff.
    Und wichtig ist auch, dass wir den Begriff Infra-
    struktur nicht zu eng fassen: Notwendig sind
    auch einheitliche Zulassungsregularien.
    Die drei zentralen Bedingungen auf dem Weg
    zu einem CO 2 -neutralen Transport sind zweifel-
    los eine Herausforderung – und deshalb müssen
    wir sie umso entschlossener angehen, und zwar
    hier und jetzt. Klar ist, dass all dies zu steigenden
    Preisen führen wird. Der Umstieg auf CO 2 -neutra-
    le Antriebe wird den Transport und die Logistik
    verteuern und damit auch Waren aller Art. Da-
    rauf müssen wir uns alle einstellen – als Indus-
    trie, aber auch als Gesellschaft. Das ist der Preis
    für eine gute Zukunft. Wer sagt, diese sei um-
    sonst zu haben, der führt in die Irre.


Mondmission für


Lastkraftwagen


Staatshilfen für CO 2 -neutralen Gütertransport auf


der Straße fordert Martin Daum.


Der Autor ist Vorstandschef der Daimler Truck
AG und Vorstandsmitglied der Daimler AG.

imago images/Sven Simon [M]

Um CO 2 -


neutrale


Lkws wirt -


schaftlich


wettbewerbs -


fähig zu


machen,


brauchen wir


staatliche


Lenkungs -


eingriffe.


CO 2 - neutraler


Transport darf


nicht mehr


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Diesel-basierter


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Gastkommentar
MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
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