Der Standard - 17.02.2020

(Nancy Kaufman) #1

16 |MONTAG,17. FEBRUAR 2020 sport DERSTANDARD


Gabriela Eliaswarals GabyMartin Österreichs ersteWeltmeisterin im Amateur-Galopprennsport.
DieresoluteWienerin will sich mit dem Niedergang ihrer Lebensliebe nicht abfinden.

Sigi Lützow

G


ay Cricket hatte seine
Schuldigkeit getan an die-
sem Apriltag im Jahr 1994.
Er hatte Gabriela Martin in der
Freudenau zu Wien galoppierend
zum Sieg getragen und nahm sich
das Recht heraus, gleich in Rich-
tung Stall abzubiegen–das obli-
gatorische Auswiegen nach dem
Rennen hin, die Siegerehrung her.
Martin mühte sich vergeblich um
eine Richtungsänderung, ja stieg
gar unfreiwillig ab und landete
mit dem Hinterteil auf einer he-
rumstehenden Hürde aus Holz.
„Papa Schreitl hat gesagt, dass er
so einen Bluterguss noch nie gese-
hen hat“, sagt Gaby Elias, vormals
Martin, heute. „Wäre Fasching ge-
wesen, ich hätte als Pavian gehen
können.“
Papa Schreitl, das ist Georg
„Schurl“ Schreitl, heute 90 Jahre
alt, bis 1995 der legendäre Mas-
seur der Wiener Austria, ein klei-
ner Mann mit vom Bäckerhand-
werk gestärkten und äußerst kun-
digenHändensowieeinemgroßen
Anekdotenschatz ausgestattet.
Geschichten hat auch Gabriela
Elias auf Lager, die dank Schreitls
Können im folgenden Mai inner-
halb von zwei Tagen neuerlich in
Wien und dann in Bratislava Sie-
ge feierte. Auch abgesehen vom
Bluterguss ein Wunder, hatte sie
doch im vorhergehenden Jänner
beieinemSturzinCagnessurMer,
Frankreich, einen Rippen- und
einen Wirbelbruch erlitten. Drei
Siege–neben Wien und Bratisla-
va noch in Zürich–sowie einige
weitere starke Ergebnisse sum-
mierten sich für die Dauerrekon-
valeszente zum Weltmeistertitel
der Fegentri, der 1955 gegründe-
ten Fédération Internationale des
Gentlemen-Riders et des Cavaliè-
res. Martins Triumph in der inter-
nationalen Amateurszene war
eine Premiere für Österreich.


Früh im Sattel


Es war einer der größten Erfol-
ge der sechsmaligen Staatsmeiste-
rin, die eher zufällig zum Sport ge-
kommen war. Die Tochter einer
Geschäftsfrau und eines Gold-
schmieds aus Wien-Hietzing saß
zwar schon früh im Sattel, kam
aber erst über ihren Großvater,
einen Hobbywinzer, mit einem
Schmied in Kontakt, dessen Sohn
eine Vollblutstute namens Jeu-
nesse trainierte und in der Freu-
denau galoppieren ließ. Gaby Eli-
as tauchte ihrer „Putzi“ folgend in
eine heute nicht mehr existente,
damals noch rege österreichische


Rennszene ein. In der lernte sie
Gérard Martin kennen. Der Fran-
zose sollte über Jahre einer der er-
folgreichsten Jockeys in der Freu-
denau sein. 1975 sicherte er sich
etwa mit 25 Siegen bei 151 Starts
dasChampionat.MitGabywarder
Profi bis 1997 verheiratet. Sie ritt
ab 1971 Amateurrennen, das ers-
te, auf „Indianer“, endete früh,
weil dieses Ross unmittelbar nach
dem Öffnen der Startbox auszu-
brechen pflegte. Immerhin hielt
sich seine Reiterin im Sattel.
Den ersten Sieg feierte Gaby
Martin 1972, ab 1974 folgte eine
zehnjährige Rennpause. 1989 hol-
te Martin mit fünf Siegen das ers-
te ihrer Championate. 1991 (sie-
ben Siege), 1993 (vier Siege) und
1995 (fünf Siege) setzte sie sich
ebenfalls durch, „als Hausfrau,
neben einem Beruf wäre das nicht

zu machen gewesen“. Schließlich
hatte 1990 auch Martins interna-
tionale Karriere begonnen und
brachtepromtdenerstenEM-Titel
für Österreich. Gipfel war aber der
Gewinn der WM 1994 durch die
damals 40-Jährige. Und 1995 in
einem aufsehenerregenden Renn-
sieg in Newmarket, England,
einem der Epizentren des interna-
tionalen Galopprennsports. Das
siegreiche Ross hieß Fort Knox,
„für mich war der Name wegen
meines Vaters, des Goldschmieds,
eingutesOmen“,sagtGabrielaEli-
as, die unter ihrem Mädchen-
namen auch im Jahr 2000 ihren


  1. und letzten Sieg herausritt.
    Damals wurden in der Freude-
    nau zwischen Anfang April und
    Anfang November noch 150 Ga-
    lopprennen geritten, nicht we-
    sentlich weniger als 1971 (183).


2004 wurde die Szene unter
Einsatz großer Summen, aber ge-
ringer Weitsicht von Frank Stro-
nach nach Ebreichsdorf abgezo-
gen, die Freudenau sah nur noch
in Ausnahmefällen Rennen. Das
Stronach-Projekt Racino belebte
den Galopprennsport nicht nach-
haltig, im Gegenteil. 2004 gab es
144 Rennen, im Vorjahr waren es
an zwei Renntagen nur noch acht.
Für dieses Jahr ist überhaupt nur
noch ein Galopprenntag avisiert,
über dem Racino wabern Ver-
kaufsgerüchte.

Gegen Windmühlen
Gabriela Elias erlebt den Nie-
dergang hautnah mit. Ab 1989
arbeitete sie im Vorstand des ös-
terreichischen Amateur-Rennrei-
tervereins (ÖARV), diente ihm als
Kassierin, Generalsekretärin und
Vizepräsidentin. Nach einer Pau-
se aus gesundheitlichen Gründen
dient sie dem nur noch wenige
Dutzend Mitglieder zählenden
Verein seit 2010 wieder.
Elias, 1,60 Meter groß und einst
in Rennverfassung 52 Kilo
schwer, stemmt sich mit aller
Kraft gegen den Niedergang, lotet
Möglichkeiten aus, wirbt, nützt
ihre Kontakte und leidet darunter,
dass es keine Amateur-Rennreiter
aus Österreich mehr gibt. Schließ-
lich verdanke sie dem ÖARV
selbst Ritte in fast aller Welt.
Gabriela Elias saß in Europa,
Asien und den USA im Sattel, sie
ritt auf berühmten Bahnen wie
Longchamp, Hoppegarten, Baden-
Baden, Newmarketund im Arling-
ton Park bei Chicago. Daheim in
der Freudenau hatte sie über all
die Jahre bis 2010 selbst zumin-
dest ein Rennpferd stehen.
Heute stillt sie ihre Rennleiden-
schaft, die nie des Extrakicks
durchWettenbedurfte,mitReisen
an die größten Bahnen der Welt –
zum Melbourne-Cup, zum Dubai
Worldcup oder zum Prix de l’Arc
de Triomphe. „Konfuzius sagte:
Strahlende Stunden –weine
nicht, dass sie vorüber, sondern
lächle, dass sie gewesen sind“,
sagt Gaby Elias, vormals Martin.

Ein LebenimGalopp

August 1995: GabrielaMartinstürmtin Newmarket aufFortKnox (5) zum Sieg im Fegentri-Rennen.
Die Fachzeitschrift„Sporting Life“ gönntder Wienerinvor lauter Begeisterung ein zweitesLimVornamen.

Foto: Sporting Life

DAS


WURDEAUS


GABY MARTIN


  1. Teil


Gabriela Elias lebt
für den Galopprennsport.
Foto: privat

BIATHLON
Antholz/WM,Sprint, HERREN: 1. Loginow (RUS)
22:48,1 Min. (0 Schießfehler), 2. Fillon Maillet +6,
Sek. (1), 3. Fourcade (beide FRA) 19,5 (0); 9. Leitner
52,1 (0); 26. J. Eberhard (beide AUT) +1:27,9 Min. (3)
Verfolgung HERREN: 1. Jacquelin (FRA) 31:15,2 (0),


  1. J. T. Bö (NOR) 0,4 (2), 3. Loginow 23,9 (1); 9. Leit-
    ner 1:33,0 (2), 12. Eder (AUT) 2:02,2 (0), 14. J. Eber-
    hard 2:07,2 (4)
    Verfolgung DAMEN: 1. Wierer (ITA) 29:22,0 (1),

  2. Herrmann (GER) 9,5 (3), 3. Röiseland (NOR) 13,
    (3); 8. Hauser (AUT) 51,4 (1)
    EISHOCKEY
    Ebel/Pick Round:Salzburg–KAC 3:2, Graz–Süd-
    tirol 1:4–Tabelle: 1. Salzburg 15/4, 2. Südtirol 9/4,

  3. Vienna Capitals, 4. KAC je 5/4, 5. Graz 3/
    KUNSTBAHNRODELN
    Sotschi/WM,HERREN: 1. Repilow (RUS) 1:43,
    Min.,2.Müller+0,032Sek.,3.Kindl(beideAUT)0,
    DAMEN: 1. Katnikowa (RUS) 1:39,398, 2. Taubitz
    (GER) +0,094, 3. Demtschenko (RUS) 0,139; 11. Egle
    0,733; 16. Schulte (AUT) 1,
    DOPPELSITZER: 1. Eggert/Benecken (GER) 1:39,3,

  4. Denisew/Antonow (RUS) 0,104, 3. Wendl/Arlt
    (GER) 0,142; 11. Müller/Frauscher (AUT) 0,
    SKI ALPIN
    Kranjska Gora/Weltcup,DAMEM, Riesentorlauf:

  5. Robinson (NZL) 1:54,32 Min., 2. Vlhova (SVK)
    +0,34 Sek., 3. Hrovat (SLO) und Holdener (SUI) je-
    weils 1,59; 11. Liensberger 2,22; 14. Scheib 2,53;

  6. Gritsch (alle AUT) 3,


SLALOM: 1. Vlhova 1:47,56, 2. Holdener 0,24,


  1. Truppe (AUT) 0,89, 4. Haver-Löseth (NOR) 0,99,

  2. Liensberger 1,34, 6. Mair 1,90; 16. Huber (AUT)
    WELTCUP (26): 1. Shiffrin (USA) 1225 Pkt., 2. Brig-
    none (ITA) 1112, 3. Vlhova 1071; 10. Liensberger 401
    RIESENTORLAUF(6):1.Brignone407;13.Liensber-
    ger 108–SLALOM (6): 1. Vlhova 460, 2. Shiffrin 440,

  3. Liensberger 276
    NATIONENCUP (57): 1. Schweiz 7192, 2. Österreich
    6522, 3. Italien 5446
    SEGELN
    Geelong/AUS/WM,49er: 1. Burling/Tuke (NZL) 38
    Pkt., 2. Botin/Lopez Marra (ESP) 58, 3. Heil/Plößel
    (GER) 60, 4. Bildstein/Hussl (AUT) 61
    SKISPRINGEN
    Bad Mitterndorf/Kulm/Weltcup/Skifliegen,1. TAG:

  4. Zyla (POL) 418,5 Pkt. (225,5 m/219,5 m), 2. Zajc
    (SLO) 418,2 (222,5/225), 3. Kraft (AUT) 414,
    (224,5/214,5), 4. Geiger (GER) 414,5 (230/213); 11.
    Hayböck 395,6 (215,5/224); 19. Aschenwald (beide
    AUT) 376,0 (208,5/214)

  5. TAG (nur ein Durchgang): 1. Kraft 232,6 (230),

  6. R. Kobayashi (JPN) 231,9 (242,5), 3. Zajc 230,
    (228,5), 4. Stoch (POL) 229,4 (232), 5. D. Prevc (SLO)
    229,1 (232,5), 6. Geiger 227,3 (225)
    GESAMTWELTCUP: 1. Kraft 1273 Pkt., 2. Geiger
    1135, 3. R. Kobayashi 1045; 13. Aschenwald 471
    NATIONEN: 1. Österreich 3716, 2. Deutschland 3372
    TENNIS
    Hua Hin/THA,275.000 Dollar, Hartplatz, DAMEN-
    DOPPEL, Finale: Rodionova/Sanders (AUS/4) –
    Haas/Perez (AUT/AUS) 6:3, 6:


GANZKURZ


Kraft fliegt zu seinem
allererstenHeimsieg

Bad Mitterndorf –
Stefan Kraft feierte
am Sonntag im
Skifliegen auf dem
Kulm bei Bad Mit-
terndorf/Tauplitz
seinen 19. Welt-
cupsieg, den aller-
ersten in Öster-
reich. Der 26-jäh-
rige Salzburger ge-
wann den in nur einem Durch-
gang entschiedenen Bewerb 0,
Punkte vor dem Japaner Ryoyu
Kobayashiund2,5vordemSlowe-
nen Timi Zajc. Mit seinem dritten
Saisonerfolg baute der Dritte des
ersten Fliegens am Samstag seine
Gesamtführung weiter aus. Die
restlichen Österreicher flogen
ziemlich hinterher, schafften kei-
nen Platz unter den besten zehn.
Gregor Schlierenzauer verpasste
zweimal die Quali, war am Sonn-
tag gar in Sturzgefahr. (APA, red)


KURZGEMELDET


Truppe im Slalomvon
KranjskaGora Dritte
Kranjska Gora–Siege für die Neu-
seeländerin Alice Robinson (Rie-
sentorlauf) und die Slowakin Pet-
ra Vlhova (Slalom) brachten in
Abwesenheit der Gesamtführen-
den Mikaela Shiffrin die Weltcup-
rennen in Kranjska Gora. Die Ös-
terreicherinnen hielten nur im
Slalomgutmit.DieKärntnerinKa-
tharina Truppe wurde Dritte, Ka-
tharina Liensberger Fünfte und
Chiara Mair Sechste. Für Truppe
war es der zweite Podestplatz
nach Rang drei in Levi. (red)

Enttäuschende WMfür
EisschnellläuferinHerzog
Salt Lake City–Eisschnellläuferin
Vanessa Herzog belegte bei der
Einzelstrecken-WM in Salt Lake
City die Plätze vier (500 m) und elf
(1000 m). Im Vorjahr in Inzell hat-
te die Tirolerin Gold (500) und Sil-
ber (1000) geholt. (APA, red)

Drei WM-Medaillen
fürÖsterreichsRodler
Sotschi–Österreichs Kunstbahn-
rodler schlossen die WM auf der
Olympiabahn in Sotschi mit drei
Medaillen ab. Nach Silber im
Sprint durch David Gleirscher am
Freitag holten Jonas Müller und
Wolfgang Kindl am Sonntag im
Einsitz Silber und Bronze. Gleir-
scher führte zur Halbzeit nach
einem Bahnrekord, stürzte dann
aber im Finallauf. (APA, red)

Skeletoni FlockZweite
imWeltcup und EM-Dritte
Sigulda–Titelverteidigerin Janine
Flock holte bei der im Rahmen des
Weltcupfinales ausgetragenen
Skeleton-EM in Sigulda Bronze
hinter der Russin Jelena Nikitina
und der Schweizerin Marina Gi-
lardoni. Den Weltcup beendete
die Tirolerin nach acht Rennen
knapphinterderDeutscheJacque-
line Lölling auf Rang zwei. (red)

Stefan Kraft
Foto: APA/AFP

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