Der Standard - 17.02.2020

(Nancy Kaufman) #1

DERSTANDARD Inland MONTAG,17. FEBRUAR 2020 | 7


Anpfifffürdie stilleNachrückerin


Ex-Schiedsrichterin undJuristin istgrüneJustizsprecherin imNationalrat


JohannaFuchs

S


eit Wochen steht dasThema
JustizimMittelpunktderpoli-
tischenDebatten. Es geht um
Unabhängigkeitoderparteiliche
Einfl ussnahme, es geht um Leaks,
um die Dauer vonVerfahren, um
diepersonelle Ausstattung, ums
Budget. Diegrüne Justizministerin
Alma Zadićvers ucht sich schüt-
zend vor die Korruptionsstaatsan-
waltschaft zu stellen und führt
einenAbwehrkampfgegen ÖVP-
KanzlerSebastianKurz.
Im Parlament haben die Grünen
aber auch eine Justizsprecherin.
Bisher hatte man geglaubt, der
Wiener Rechtsanwalt Georg
Bürstmayr hätte diese Rolle über-
nommen. Schließlich war er der
einzige grüne Nationalratsabge-
ordnete, der sich am Höhepunkt
der Justiz-Causa zu Wort meldete.
Tatsächlich ist Bürstmayr aber für
Inneres, Sicherheit und Asylpoli-
tik zuständig. Justizsprecherin ist
jemand anderer: die Oberösterrei-
cherin Agnes Sirkka Prammer. Sie

blieb bisher unter dem öffentli-
chen Wahrnehmungsradar. Ihren
ersten Auftritt hatte sie Mitte Fe-
bruar auf Puls4inder Diskus-
sionssendungPro&Contra.Sie
gab sich keine Blöße, allerdings
merkte man der 42-Jährigen die
mangelnde Routine an.
Prammer ist Rechtsanwältin,
sie ist mit Justizthemen vertraut.
Im Parlament ist sie aber auch für
den Sport zuständig. Die Ober-

österreicherin kam erst im Jänner
mit dem zweiten Anlauf auf ein
Mandat. Sie ist für Leonore Ge-
wessler nachgerückt, als diese zur
Klimaministerin aufstieg. Pram-
mer sitzt nicht nur im Nationalrat,
sondern ist im Gemeinderat in
ihrer Heimat Leonding in Oberös-
terreich.
Dass sie beziehungsweise der
Parlamentsklub in der Justiz-
debatte de facto nicht präsent ist,
ist für Prammerkein Problem. Sie
verweist auf die enge Abstimmung
mitdemJustizministerium.Eshät-
te für sie gar keine Notwendigkeit
gegeben, sich der Öffentlichkeit
aufzudrängen. Die grünenPositio-
nen vertritt die Justizministerin.
„Grundsätzlich ist es nicht
schlecht, dass die Justiz jetzt in
den Fokus gerückt ist“, sagt Pram-
mer im Gespräch mit dem
STANDARD. Die Aussprache im
Bundeskanzleramt hätte ein kla-
resBekenntniszumehrBudgetfür
dieJustiz gebracht.DieDigitalisie-
rung in der Justiz wäre ohnehin
angedacht gewesen und sollte

möglichst rasch umgesetzt wer-
den. „Es ist sinnvoll, Dokumenta-
tionsmöglichkeiten zu schaffen,
bei denen man sieht, dass es eben
nicht von der Staatsanwaltschaft
rausgeht. Ich bin überzeugt, dass
die Justiz seriös und gut arbeitet.“
Im Parlament ist Prammer Ob-
frau des Sportausschusses. Die
Oberösterreicherin war Schieds-
richterin in der Bundesliga der
Frauen und Fifa-Schiedsrichter-
assistentin. Referee wurde sie
über ihren Ehemann, mittlerweile
hat die zweifache Mutter ihre Pfei-
fe aber an den Nagel gehängt.
Prammer war zuletzt Referentin
für Migration und Flucht beim
oberösterreichischen Ex-Landes-
rat und Neo-Sozialminister Ru-
dolf Anschober (Grüne).
Anfang Februar begleitete
Prammer den grünen Vizekanzler
und Sportminister Werner Kogler
zum Skispringen der Damen nach
Hinzenbach (OÖ). Auch in Sport-
angelegenheiten darf sie partei-
intern jemandem den Vortritt las-
sen –immerhin dem Parteichef.

Prammer in ihrer ersten Natio-
nalratssitzung am Rednerpult.
Foto: Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen

Zadićstärkt


Staatsanwaltschaft


den Rücken


Wien–Die zuletztvon Bundes-
kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hef-
tig aufs Korngenommene Wirt-
schafts-und Korruptionsstaats-
anwaltschaft (WKStA)hat
demonstrative Unterstützungvon
der ressortzuständigen grünen Jus-
tizministerin Alma Zadićerhalten.
Zadićpostete auf Twitter einFoto
von ihr und Ilse Vrabl-Sanda, der
Leiterin der WKStA,und bekräftig-
te dabeiihreWertschätzung. „Ich
habeinsbesondere die Bedeutung
ihrer Arbeit im Kampf gegenKor-
ruption und Wirtschaftskriminali-
tät betont. Die Stärkung der unab-
hängigen Ermittlungsarbeit istmir
ein wichtigesAnliegen.“
Die frühere OGH-Präsidentin
und Ex-Neos-Abgeordnete Irm-
gard Griss drängt darauf, das Wei-
sungsrecht vom Justizministe-
rium an einen vom Parlament be-
stellten Bundes- oder General-
staatsanwalt zu übertragen. Damit
könnte man politischen Einfluss
auf die Staatsanwälte verhindern,
sagte sie in der Ö1-ReiheIm Jour-
nal zu Gast.(red)


MELANGE


Kaiser will sozialdemokratischerKompasssein


Je längerPeter Kaiserals Kärnt-
ner Landeshauptmann auch in
der Bundespartei mitmischt,
desto stärker besinnt er sich auf
seinen akademischen Back-
ground als theorienbezogener
Soziologe. Kaiser sieht sich als
Ideologe der SPÖ, der gerne und
lange grundsätzlich über die Zu-
kunft der Sozialdemokratie
nachdenkt. Für den Kreis der
Politikinteressierten macht der

Landeshauptmann jetzt einen
neuen öffentlichen Kanal auf:
Der stellvertretende SPÖ-Bun-
desvorsitzende produziert sei-
neneigenenPodcast,mitdemer,
wie er sagt, künftig „als sozial-
demokratischer Kompass“ fun-
gieren möchte.
In der ersten Folge, die ab
Montag on air ist, fragt Kaiser:
„Geht mit dem Ende des 20. Jahr-
hunderts auch das Jahrhundert

der Sozialdemokratie zu Ende?“
Nichtüberraschend,dasserwei-
ter –trotzt aktueller schwerer
Krise–aneine Zukunft der So-
zialdemokratie glaubt und dies
vielschichtig als Gegenthese
zum Neoliberalismus begrün-
det. Kaiser will seine Ideenwelt
mit „ungefilterten Informatio-
nen“ der „Show-and-shine-
Politik“ der politischen Mitbe-
werber entgegenstellen. (mue)

Die SPÖ-Chefin erntetfür ihreMitgliederbefragung
einiges anUnverständnis.Kritikersagen: Endlichstehe
die Regierung im Kreuzfeuer,daübe sich diePartei
schon wieder in fruchtloser Selbstbeschäftigung.

GeraldJohn

gegen Rendi-Wagner mobilisie-
ren. Schließlich geht es dabei
auch um taktische Überlegungen:
Selbst ein Gegner der Chefin wird
sich fragen, ob eine Demontage
vor der Wien-Wahl der SPÖ nützt.

Warum Rendi-WagnersCoupauf Einspruch stößt

D


ie Überraschung zeichnete
sich in den Gesichtern ab.
Perplex wirkte so mancher
Funktionär, der am Freitagmittag
–von den Kameras der Fernseh-
teamseingefangen–dieSitzungen
der Führungsgremien der SPÖ
verließ. Pamela Rendi-Wagner
setzte einen strategischen Zug,
den sie vorab offenbar nur mit
ihren engsten Vertrauten abge-
sprochen hatte. Nicht einmal die
WortführerinderWienerSPÖ,die
sie Ende November noch gegen
einen Umsturzversuch gestützt
hatten, waren eingeweiht.
Grund für die Verblüffung war
der Plan der Parteivorsitzenden,
im März eine Mitgliederbefragung
zu starten. Der vorgelegte Katalog
enthält erst einmal eine Reihe von
Nona-Fragen,derenBeantwortung
keine Sensationen erwarten lässt.
So dürfen die Genossenzum Aus-
druck bringen, wie wichtig ihnen
die stärkere Besteuerung von Mil-
lionenvermögen, die Sicherung
der Pflege für alle Menschen oder
eine jährlicheKlimaschutzmilliar-
de –„statt Kosten auf BürgerInnen
abwälzen“–sind. Doch die vor-
letzte Frage hat es dann in sich.
Wortlaut: „Soll Pamela Rendi-
Wagner Bundesparteivorsitzende
bleiben, um für diese wichtigen
Themen gemeinsam mit allen in
der Partei zu kämpfen?“


Offene Kritik von Schieder


Rendi-Wagner steigt damit of-
fensiv injene Führungsdiskus-
sion ein,die Parteikollegen seit
vielenMonaten führen. Im
Herbst gab es bereits einen (ge-
scheiterten)Demontageversuch,
immer wieder kocht die Debatte
von neuemauf.
Auf Begeisterung stößt Rendi-
Wagners Fluchtversuch nach vor-
ne nicht. Er sei an sich für die Di-
rektwahlderoderdesParteivorsit-
zenden, sagt Andreas Schieder,
Präsidiumsmitglied und Delega-
tionsleiter der SPÖ im EU-Parla-
ment im STANDARD-Gespräch:
„Die Befragung halte ich aber ge-
rade zu diesem Zeitpunkt für kei-
ne gute Idee, weil sich die SPÖ
wieder nur mit sich selbst be-
schäftigt. Mir wäre lieber, wir set-
zen unsere ganze Kraft in der Ge-


sundheitspolitik, in der Eurofigh-
ter-Debatte und im neuen Unter-
suchungsausschuss ein.“
Die SPÖ-Chefs von Vorarlberg
und Tirol bezeichnen die Abstim-
mung als nicht nötig. Franz
Schnabl, der als niederöster-
reichischer Obmann eine sehr
mitgliederstarke Landespartei
hinter sich hat, sagt: „Ich hätte mir
eine andere Diskussion ge-
wünscht, weil wegen der Affären
um die Justiz, die Casinos Austria
und die Eurofighter eigentlich ge-
rade die Regierung in der Ziehung
war. Aber das ist die persönliche
Entscheidung der Vorsitzenden.
Punkt.“

Zitterpartie im Vorstand
Wiens Bürgermeister Michael
Ludwig sprach von einer „sehr per-
sönlichen Entscheidung“,die „na-
türlich zu respektieren ist“, ohne
ein Wort des direkt en Zuspruchs.
Hintergrund:LudwigsWienerSPÖ
muss sich im Herbstder Landtags-
undGemeinderatswahlind erBun-
deshauptstadt stellen.Umim
Wahlkampf durch keine bundes-
politischen Kalamitäten gestört zu
sein, wurde in derWiener Partei an
sich die Paroleausgegeben, die
Führungsdebatte um Rendi-Wag-
ner bis zum Urnengang möglichst
abzuwürgen.Das könnte durch die
Befragung nun unmöglich werden.
Öffentlichen Zuspruch gab es
auch, etwa von Doris Bures, ein-
flussreiche Zweite Nationalrats-
präsidentin aus Wien: Sie versi-
chert „volle Unterstützung“ für die
Parteichefin und geht von „breiter
Zustimmung der Basis“ aus.
Im Parteivorstand führten die
unterschiedlichen Meinungen zu
einem knappen Ergebnis: Zwölf
Mitglieder stimmten für, zehn
Mitglieder gegen Rendi-Wagners
Befragung, fünf Vertreter enthiel-
ten sich. Für SPÖ-Verhältnisse ist
dies ein ungewöhnliches Er-
gebnis, das einen hohen Grad an
Dissens offenbart. Selbst in stritti-
gen Fragen stimmt im Vorstand
üblicherweise die breite Mehrheit
im Sinne der oder des Vorsitzen-
den, um nach außen Geschlossen-
heit zu demonstrieren.
Das bedeutet aber nicht, dass
die Kritiker nun bei der Befragung

Abgang von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner? Darüber sollen nun die SPÖ-Mitglieder entscheiden.

Foto: APA

/R

oland Schlager

Parteiquerelen kommen bei Wäh-
lern selten gut an.
Unstimmigkeiten anderer Art
versucht Hans Peter Doskozil zu
bereinigen. Der burgenländische
Landeshauptmann wollte seine

Verlobte Julia Jurtschak, eine
Eventmanagerin, als Referentin
im eigenen Büro anstellen. Nun,
nach viel Kritik, wird Jurtschak
auf den Job verzichten.
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