LiebeinVirus-ZeitenLeitartikel Seite 6
http://www.berliner-zeitung.deDonnerstag,19. März 2020 Nr.67HA-76. Jahrgang
Auswärts/D**: 1.70€–Berlin/Brandenburg: 1.60 €DichteWolken
Wetter Seite 27°/13°
DierichtigeZeitfür
Nachbarschaftshilfe
Berlin Seite 12
EinvirtuellerRundgang
durchdasMoMa
Feuilleton Seite 17
„Chichinette“:Spioninim
KampfgegendieNazis
Panorama Seite 20
Finanzhilfenfür
kleineBerliner
Unternehmen
SenatöffnetProgrammfür
Kredite.KritikvonVerbän denD
er Berliner Senat will ab Don-
nerstag bestehende Liquiditäts-
hilfenfürkleinereundmittlereUnter-
nehmen bis 250Mitarbeiter freige-
ben,die vonderCorona-Krisebetrof-
fen sind. Anträge können ab
Donnerstag auf derHomepage der
InvestitionsbankBerlin (IBB) gestellt
werden.DieFörderhöchstgrenzeliegt
bei 500000Euro.Die Hilfen stehen
explizitauchUnternehme rnausden
Freien Berufen, der Club-Szene und
derGastronomieoffen.Dasteilted ie
Senatsverwaltung fürWirtschaft am
MittwochabendnacheinemRunden
Tischmit SpitzenvertreternderWirt-
schaftundderIBBmit,andemerst-
malsauchdieArbeitsagentur,dieGe-
werk schaften und die Clubcommis-
sionteilnahmen.
In einem„ erstenSchritt“willdas
Land Berlin lautSenatswirtschafts-
verwaltungWirtschaft und Arbeits-
plätzemit 300 Millionen Euro absi-
chern. Dabei greift es auf einenMix
unterschiedlicherMaßnahmen zu-
rück –darun ter Liquiditätshilfen,
Steuer leichterungen und dieErhö-
hung vonBürgschaften.Steuer vo-
rauszahlungen sollen angepasst
werden un dzinsfreieStundungen
vonSteue rschuldenmö glichsein.
DerSenat werdealles tun, „um
Existenzen zuretten un dArbeits-
plätzezus ichern“,teilteWirtschafts-
senatorinRamonaPop(Grüne)mit.
ManhabedasProgramminwenigen
Tagen „aus demBoden gestampft“,
sagteJürgenAllerkamp,Vorsitzender
des Vorstands der IBB.„Dasist ein
gewaltiger Kraftakt“, so Allerkamp
weiter.
DengroßenBerlinerWirtschafts-
verbänden ist das aber angesichts
derkaumabschätzbarenFolgender
Corona-Krise nicht genug.Siewol-
lenkeineKredite–sondernfordern,
dass derSenat einenNotfallfonds
auflegt,ausdemUnternehme rohne
langeAnträgeunterstütztwerden.
„Wir steuernauf einenTotal-
schade nhin“, sagte Thomas Leng-
felder,Hauptgeschäftsführer des
Hotel- undGaststättenverbands
Berlin, derBerliner Zeitung. Viele
Gastronomenwüsstennicht,wiesie
ihreMitarbeiternochbezahlensoll-
ten. Gebeesk eine Soforthilfen,
„werden eineVielzahl vonUnter-
nehmen kurzfristigInsolvenz an-
melden!“(ann.)Berlin Seite 11Leichtigkeit,
die beste
Medizin
VonSebastian MollI
nNewYorkCityherrschtseiteiner
Woche fast gespenstischeRuhe.
BürgermeisterBill DeBlasio hatvor
den meisten seinerKollegen harte
Maßnahmenverhängt, um dieAus-
breitung desCoronavirus in der am
dichtesten besiedelten urbanenRe-
gion der USA einzudämmen.Der
Zustand hat verheerendeAuswir-
kungenaufbeinahealleBereichedes
Lebens.Beson-
ders hartgetrof-
fenistdieUnter-
haltungsbran-
che.DaAn-
sammlungen
vonmehrals
Menschen un-
tersagt wurden,
sindinTheatern,
Kinos undKon-
zerthallen die
Lichteraus.
Dastrifft auch die Late-Night-
Talkshows ,die in NewYorkaufge-
zeichnet werden. Dievon Jimmy
FallonundJimmyKimmelsindvor-
läufig abgesetzt, um dieVirenver-
breitung unter ihremStudiopubli-
kumundihrerBelegschaftzuunter-
binden. Doch wie derRest der Welt
behelfensichdieEntertainer.Siear-
beiten einfachvonzuH ause.Seit
dem Wochenende produzieren sie
YouTube-Filmchen undversuchen,
ihrebenfallseingesperrtesPublikum
beiLaunezuhalten.Soisteinunter-
haltsamesDuellder Jimmysumdas
besteHeimvideoentstanden.
Ganz objektiv gesehen liegt in
diesemDuellnachdenerstenTagen
Jimmy Fallon klarvorne. Er be-
herrschtdieKunst,auswirklichjeder
Situation einenSpaß zu machen.
DabeiassistierenihmseinHundund
seinebeidenKinder,mitdenenerim
häuslichenKeller herumalbert.Er
singtmitdenKinderneinenimpro-
visierten Handwasch-Song, lässt
sich vonseiner Tochter mit viel
Selbstironie veräppeln, während
sich seineFrau, selbstFernsehpro-
duzentin,mitdemiPhonealsKame-
rafraubetätigtundsichdabeikaputt
lacht.Teilder Fallon-Familiezusein,
denkt sich derBetrachter ,muss ein
endloserSpaß sein, selbst inZeiten
derQuarantäne.
In gewissemSinn macht derCo-
medianFallon aber nichts anderes
alsim Studioauch.SeinStilderLate-
Night-Unterhaltung hat dasGenre
revolutioniert.Manhat immer das
Gefühl, dass ervorallem sich selbst
unterhält.ObseinePartnerbei Spie-
len,MusikimprovisationenundBlö-
deleien Prominente ausShowbusi-
ness undPolitik sind oder die eige-
nenKinder,istim Grundeegal.
Dafür,dasserwirklichallesinein
Kinderspielverwandelt,hatsichder
EntertainerinderVergangenheitKri-
tikeingehandelt,etwa,alsermitDo-
nald Trump witzelte und ihn da-
durch, wie es hieß, „normalisierte“.
Aber in den schweren undverwir-
renden Zeiten, welche Amerika und
die Welt der zeit durchmachen, ist
Leichtigkeitganzeindeutigdierich-
tigeMedizin.
US-Talkmaster
JimmyFallon,
unterhält jetzt mit
Heimvideos(^4194050501603)
41012
BerlinerVerlag GmbH, 11509 Berlin
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Entgelt bezahlt
HärtereEinschnittemöglich
Merkel:Corona-KrisegrößteHerausforderungseit1945.BerlinwillAusgangssperreverhindern
VonTanja Brandes undAndreasKopietz
D
ie Zahl der Corona-Infi-
zierten in Berlin steigt
immerschneller:519be-
stätigteFällemeldetedie
SenatsverwaltungfürGesundheitmit
Stand vomMittwoch, 16.10Uhr. 28
PersonenwerdendemnachimKran-
kenhausisoliertbehandelt,neunda-
vonaufder Intensivstation.
Alle anderen Personen werden
häuslich isoliert. AmMontagnach-
mittag waren es noch 332Infizierte,
vondenen 20 im Krankenhaus be-
handelt wurden, davon drei auf der
Intensivstation.DasRobert-Koch-In-
stitutmeldeteknapp8200bestätigte
Fällebundesweit,gut1000mehrals
amVortag.
Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) wandte sich amMittwoch-
abend mit einerFernsehansprache
an die Bürgerinnen und Bürger.Ab-
gesehenvonihren jährlichenNeu-
jahrsansprachen war das das erste
Mal.Siewolle,sagtedie Kanzlerin,die
Maßnahmen erklären, die dieBun-
desregierung in derCoronakrise er-
griffenhat.Wasdannfolgte,warkeine
alarmierendeRede,aber doch eine,
dieden ErnstderLagebetonte.
Seit dem Zweiten Weltkrieg habe
es keine Herausforderung an
Deutschlandmehrgegeben,„beider
essosehraufunsergemeinsamesso-
lidarisches Handeln ankommt“,
sagtedieKanzlerin.„Esisternst.Neh-
menSieesa uchernst.“
Ihrseibewusst,sagteMerkel,wie
dramatisch die Einschränkungen
schonjetztseien.Damitwarennicht
nur dieAbsage vonFußballspielen
unddieSchließungvonSchulenge-
meint. DieReisebeschränkungen
und Grenzschließungen nannte
Merkel einen signifikanten Ein-schnitt in das demokrati-
scheSelbstverständnisder
Bundesbürger.Ess eien
„Einschränkungen, wie es
sie in derBundesrepublik
nochniegab.“ImMoment
seien die Maßnahmen
aber „unverzichtbar,um
Lebenzuretten.“
Merkel appellierte an
das Verantwortungsbe-
wusstseinjedesEinzelnen.Nur,wenn
alledie Regelnbefolgtenundvonein-
anderAbstandhielten,könnedieVer-
breitung des Coronavirus verlang-
samt werden.Ausdrücklich dankte
dieKanzlerindenÄrztenundPflege-
kräften und betonte noch einmal,
dass es nunvorallem darum gehe,
das Gesundheitssystem nicht zu
überlasten.
DieFernsehan sprachesollteauch,
so viel war schon imVorfeldklarge-
worden,dazudienen,Falschmeldun-
gen entgegenzuwirken, die seitBe-
ginnder CoronakriseimUmfeldsind.
„GlaubenSiekeinenG erüchten“,bat
Merkel.Sieer neuerteauchdasschon
vomWirtschafts-undFinanzministe-rium gegebene Verspre-
chen, alles zu tun, um die
wirtschaftlichen Auswir-
kungenderViruskriseabzu-
federn. DieLeben smit tel-
versorgung inDeutschland
sei überdies jederzeit gesi-
chert, Hamste rkäufe seien
daher unnötig und unso-
zial. Im Vorfeldwar speku-
liertworden,dassdieKanz-
lerinbeiihremungewöhnlichenAuf-
tritt möglicherweise eineAusgangs-
sperreverkü nden werde, so wie sie
schoninandereneuropäischenLän-
derngilt. EinenderartigenSchritter-
wägt die Bundesregierung bisher
aber noch nicht. Allerdings,sagte
Merkel,werdema nstetsneuprüfen,
„waswomöglichnochnötigist.“
Berlinund Brandenburgriefenam
Mittwoch al le Bürger zu verantwor-
tungsv ollem Verhalten auf,um Aus-
gangssperren zuverhinder n. Berlins
RegierenderBürgermeisterMichael
Mülle r(SPD) machtedeutlich, dass
eine Ausgangssperretheoreti sch
schnell entschiedenwerden könnte.
„Aberichhoffe sehr,daswirdieseSi-tuation vermeidenkönnen“, sagte
Müller nach der gemeinsamenSit-
zungvonSenatundLandesregierung
inPotsdam.
In Berlin bereiten sich dieBehör-
den zumindestvorsorglich auf eine
bundesweite Ausgangssperrevor.
Bisher giltin Italien,Spanien,Frank-
reich,ÖsterreichundBelgieneinAus-
gangsverbot,vondem in derRegel
nurdringendeBesorgungsgängeund
der Lebensmitteleinkauf ausgenom-
mensind.BeiVerstößendrohenhohe
Geldstrafen.
Doch selbst,wenn es dazu käme,
könnte eineAusgangssperreind er
3,7-Millionen-Einwohner-StadtBer-
linnichtlückenlosdurchgesetztwer-
den.Die17500Vollzugsbeamtender
Polizei, vondenenpr oSchichtnurei-
nigeTausendimEinsatzsind,müss-
ten 892 Quadratkilometer Fläche
überwachen.
ZurzeitsindzweiEinsatzhundert-
schaftenmitjerund60 Beamtenrund
um die Uhrunterwegs.Sie überwa-
chen die amMittwoch noch einm al
aktualisierte „Eindämmungsverord-
nung“desSenats,nachdernunauch
Geschäfte und Gaststätten einge-
schränkt sind. Ansonsten läuft der
PolizeialltaginvielenBereichenwei-
ter,sogar Verkehrs kontrollen finden
statt.„Wirkönnenzurzeitalle Aufga-
benwahrnehmenundauchdas,was
zusätzlichkommt“,sagtePolizeispre-
cherThiloCablitz.
Eine Ausgangssperrewürde aller-
dings eine ungleich höhereHeraus-
forderungbedeuten. DiePolizei
müssteihrePräsenzmassiverhöhen.
„ImMomentgehtesnoch“,sagtBodo
Pfalzgrafvonder DeutschenPolizei-
gewerkschaft.„Aberwenn es bei der
Polizei zu einer coronabedingten er-
höhten Ausfallquote kommt, dann
wirdese ng.“Geschäfte wie dieses in Berlin haben geschlossen,Firmen schicken ihre Mitarbeiter nach Hause. AFP/TOBIAS SCHWARZLEBEN MIT DEM CORONA-VIRUSReicht die Zahl der Pfleger? Seiten2und 6Spanien ist unsvoraus Seite 3Die Stunde der Scharlatane Seite 4Richtig desinfizieren Seite 8Olympia inTokio in Gefahr Seite 10Müller droht Quarantäne Seite 11Die Leiden der Messebranche Seite 14Entscheidung über Abi-Termine Seite 14Die BER-Eröffnung wackelt Seite 15Mit Datengege nViren Seite 16Angela
MerkelAFP/ STEFFEN KUGLER