Neue Zürcher Zeitung - 18.03.2020

(Dana P.) #1

26 PANORAMA Mittwoch, 18. März 2020


ZAHLENRÄTSEL NR. 65

SPIELREGELN«KR INGEL»:Die Ziffern 1
bis 7sind soeinzutragen,dasssie in jeder
Reihe einmalvorkommen.Zwischenzwei
Felderngilt: AusgefüllterKreis:EineZahl
ist das Doppelte der anderen.LeererKreis:
EineZahl ist um1 grösser als die andere.
KeinKreis: Keineder beidenEigenschaften
trifftzu.

Auflösung:
ZahlenrätselNr. 64

Nicht jede r, der hustet, hat Covid-19


Die offiziellen Anwe isungen sind bei der Unterscheidung zwischen Erkältung, Grippe und einer Erkrankung durch das Coronavirus unmiss verständlich


CHRISTIAN SPEICHER


Wenn in der kaltenJahreszeit der Hals
kratzt, die Nase läuft und die Glieder
schmerzen, ist der Grund dafür in vie-
len Fällen eine simple Erkältung. Ge-
sellen sichFieber und Müdigkeit dazu,
kann es sich auch um eine Grippe han-
deln. Doch wer momentan von solchen
Symptomen geplagt wird, denkt häufig
in eine ganz andere Richtung. Könnte es


sein, dass ich mich mit dem Sars-CoV-2-
Erreger angesteckt habe?
Tatsächlich ist es auch für Mediziner
nichtganzeinfach,anhandderSymptome
zu entscheiden, welche Krankheit vor-
liegt. Denn die Krankheitsbilder ähneln
sich.ZudemkannsicheineKrankheitbei
unterschiedlichenPersonen auf unter-
schiedlicheWeise äussern.So ist Fieber
bei einer gewöhnlichen Erkältung zwar
selten, aber nicht ausgeschlossen. Und

Durchfall deutet – inKombinationmit
anderenSymptomen–zwareheraufeine
Grippe hin, kann aber auch bei Covid-1 9
in seltenenFällen auftreten.

Fieber als häufigstesIndiz


LauteinerStudiederWHO,fürdie55 924
im Labor bestätigteFälle ausgewertet
wurden, istFieber eines der häufigsten
Symptome für Covid-19. Es trat in 87,9
Prozent allerFälle auf. Auch trockener
Hustenisthäufig(67,7Prozent),esfolgen
Müdigkeit (38,1 Prozent) und Atemnot
(18,6 Prozent). Selbst wenn dieseSym-
ptome inKombinationauftreten, heisst
das allerdings nicht, dasseine Person
zwingendanCovid-19erkrankt ist.Denn
mit Ausnahme der Atemnot sind diese
Symptome auch für eine Grippe typisch
(siehe Grafik). EineErkältung ist hin-
gegen eher unwahrscheinlich.
Sicherheit kann allein einTest liefern,
bei dem der Erreger der Krankheit mit
molekulargenetischen Methoden nach-
gewiesenwird.Derzeitfehlenallerdingsin
vielenLändern dieVoraussetzungen,jede
Person zu testen, die glaubt, an Covid- 19
erkrankt zu sein. Notgedrungen testet
man nur diejenigen, die zu einer Risiko-
gruppegehörenundstarkeSymptomezei-
gen. Das sind die wenigsten. Die grosse
Mehrheit muss mit der Ungewissheit le-
benunddastun,wasmanbeieinerGrippe
auchtäte:zuHausebl eiben,Kontaktever-
meiden und die Krankheit auskurieren.
DasBundesamtfürGesundheit(BAG)
hat konkreteAnweisungenveröffentlicht,
was beiSymptomen einer akuten Atem-
wegsinfektion mitFieber und Husten zu
tun ist. So soll man das Haus aufkeinen

Fall verlassen,auch nicht für Einkäufe.
Diese soll man sich vonFreunden oder
Verwandten vor die Haustüre liefern las-
sen. Eine telefonischeKonsultation eines
Arztes soll nur dann erfolgen, wenn sich
die Symptome verschlimmern.Wer seine
Wohnung für einenArztbesuch verlassen
muss,sollteunbedingtdaraufachten,min-
destens zwei MeterAbstand von anderen
Personenzuhalten.Fallsdasnichtmöglich
ist , empfiehlt dasBAG – so vorhanden–
das Tragen einer Hygienemaske.
Weiter empfiehlt dasBAG,kontami-
nierte Oberflächen wieTürklinken oder
Nachttischeregelmässig mit einem nor-
malen Haushaltsdesinfektionsmittel zu
desinfizieren.DasgiltauchfürdieToilette ,
das Waschbecken oder dieBadewanne.

Separates Zimmer nötig


BesondereVorsicht ist geboten, wenn
man mit anderenPersonen im glei-
chen Haushalt lebt.In diesem Fall sollte
man möglichst in einem separaten Zim-
mer schlafen und dort auch dieMahl-
zeiten einnehmen. Geschirr und andere
Küchenutensilien dürfen nicht gemein-
sam genutzt werden,das Gleiche gilt für
Bettwäsche oder Handtücher.
Auch die Mitbewohner sollten min-
destens fünfTage zu Hause bleiben und
den Kontakt mit anderen Mitmenschen
meiden. So lange dauert es, bis sich typi-
scherweise die erstenSymptome einer
Ansteckung zeigen. Gehört der Mitbe-
wohner zu einer Risikogruppe, sollte er
sich beimAuftreten vonSymptomen un-
bedingt an einen Arzt wenden.
Und wann kann man die selbst-
gewählte Isolation beenden?Das BAG

empfiehlt, nach dem Abklingen der
Symptome mindestens 24 Stunden ver-
streichen zu lassen.Ist eine Infektion
mit dem Sars-CoV-2-Erreger bestätigt
word en, solltemansogar 48 Stunden
warten, sofern seit demAuftreten der
erstenSymptome mindestens zehnTage
vergangen sind.

Ein Test würde Gewissheit bringen


Bei Verdacht auf Corona werden in der Schweiz nur bestimmte Personengetestet – das hat die Ausb reitun g des Virus vermutlich gefördert


LENASTALLMACH

DieTochter hat 38 GradFieber und hus-
tet. «Es ist ein viraler Infekt», sagt die
Kinderärztin. Ob es Corona ist,kann sie
nicht überprüfen. Sie darf nur Kinder
testen, die schwer krank sind oder ein
erhöhtes Risiko für einen schwerenVer-
lauf haben. So lauten dieVorgaben des
Bundesamtes für Gesundheit. Dasselbe
gilt für Erwachsene, ausser sie arbeiten
im Gesundheitssystem, dann werden
auch sie getestet.
Mit dieser Information mussten sich
in den letztenWochen viele Betroffene
begnügen und sich zu Hause vorsichts-
halber in Isolation begeben.Ihre Fami-
lienmitglieder oder Mitbewohner durf-
ten sich dabei frei bewegen, solange sie
keine Symptome hatten. Aber wie man
weiss, habenviele Menschen nur leichte
Symptome, ähnlich einer Erkältung, und
können dasVirus trotzdem weiter über-
tragen. So breitete sich die Infektions-
krankheit in der Schweiz schnell aus.

Eine verpasste Chance


Für die Zurückhaltung gibt es gute
Gründe. So wäre eskontraproduktiv,
wenn alle Menschen mit leichten Erkäl-
tungssymptomen zum Arzt gehen wür-
den, um sich testen zu lassen.Die Ärzte
könnten ihrer Arbeit nicht mehr nach-
gehen, und dieTestlabors würden wahr-
scheinlich schnell an Grenzen stossen.
Allerdings müsste dieLage sich hier
entschärfthaben,seitRocheeinenneuen
Test auf den Markt gebracht hat, der
schneller ein Ergebnis liefert als die her-
kömmlichen PCR-Tests. Insgesamtkann
die Firma 8,5 Millionen dieserTests pro
Monatliefern.Dochauchdasscheintdie
weltweite Nachfrage nicht zu decken.
Für den Epidemiologen Marcel Sala-
thé von der ETH Lausanne ist der Hin-
weis auf Engpässekein überzeugendes
Argument.«Wenn wir Engpässe haben,
dann müssen wir eben kreativ sein und
sie beheben», sagt er. «Will man eine
Epidemie aufhalten, dann muss man
die Infektionsketten verfolgen. Nur so

kann man wirklich alle Infizierten iden-
tifizieren, sie isolieren und damit ver-
hindern, dasses zueinem Stillstand
des öffentlichen Lebenskommt.» Die-
sen Moment habe man in der Schweiz
verpasst, jetzt ginge es darum dieAus-
breitung zu verlangsamen. Aber auch
dafür seien breite Testungen notwen-
dig. In der Schweizwerden bis anhin
2000 Tests proTag durchgeführt, dass
sei mehr als in vielen Nachbarländern,
sagte der Bundesrat.
Asien hat vorgemacht,wie diese auch
ausserhalbvonArztpraxen oder Kliniken
ingrossemMassstabdurchgeführtwerden
können. In Südkorea wurden beispiels-

weise innerhalb kurzer ZeitAnlaufstel-
len eingerichtet, beispielsweise als «drive
through».DortkönnendieTestwilligenim
Auto vorbeifahren. Sie geben ihrePerso-
nalien undKontaktdaten an und strecken
ihren geöffneten Mund einerPerson im
Schutzanzug entgegen,die durch das her-
untergelasseneFenster mit einemWatte-
stäbchen eine Probe aus demRachen
nimmt. Auch in Deutschland gibt es eine
ersteTeststelle als «drive through».
Aber auch in der Schweiz tut sich
etwas. In Bern soll nächsteWoche ein
Testzentrum eröffnet werden.Es soll
für Fussgänger undAutos gut erreich-
bar sein.InnerhalbeinesTages sollen die

Getesteten über das Ergebnis informiert
werden, wie der Kanton Bern mitteilt.
Und im KantonBaselland sind seit einer
Woche mobileTestteams im Einsatz,
die Personen zu Hause testen, die auf-
grund vonkörperlichen Einschränkun-
gen keine der ambulantenTeststationen
aufsuchenkönnen.

Nicht validierteTests im Netz


Die breitflächigenTests helfen aber
nicht nur beim Eindämmen der Infek-
tion en. Sie geben den Menschen auch
Gewissheit darüber, ob sie eine Sars-
CoV-2-Infektion haben und sie nachher

nicht mehr gefährdet sind. Mit diesem
Wissenkönnten sie auch Angehörige,
die ein hohes Risiko für eine schwere
Erkrankung haben, wieder bedenken-
los besuchen gehen.
Konnte man während der Erkran-
kungkeinen Test machen, gibt es aber
auch im Nachhinein noch eine Mög-
lichkeit, um eine überstandene Infek-
tion festzustellen: mit einem Antikör-
pertest. Anders als die gängigen PCR-
Tests spüren diese nicht das Erbgut der
Viren in den Proben auf. Sondern sie
detektieren Antikörper, die daskör-
pereigene Immunsystem zur Abwehr
derViren gebildet hat.Diese Moleküle
sind hochspezifisch und bleiben zeit-
lebens erhalten.
Einfache Antikörper-Schnelltests
werden im Internet bereits angeboten.
Noch ist allerdingskeiner davonvali-
diert und zugelassen. Somit ist unklar,
wie zuverlässig und aussagekräftig sie
sind. In Zukunft werden sie aber sicher
eine wichtigeRolle dabei spielen, um
das Verpasste nachzuholen. Aber auch
um im Nachhinein mehr über denVer-
lauf der Epidemie zu erfahren.

Mitarbeit:StephanieLahrtz.

Fieber

Müdigkeit

Husten

Niesen

Gliederschmerzen

Laufende Nase

Halsschmerzen

Durchfall

Kopfschmerzen

Atemnot

Covid-19 Erkältung Grippe

Stufe1Stufe 2Stufe 3

QUELLEN: CDC, WHO NZZ Visuals/cke.

So oft treten die Symptome bei Covid-19, Erkältungen und der Grippe auf

Intensität auf einer Skala von0bis 3

Erklärung der Skala:
1steht für geringe,2für mittelschwere und3für besonders schwere Symptome.

Südkorea
hat am intensivsten getestet
Testangaben zwischen dem 4. und dem 10. März
(ausgewählte Länder)
Land Einwohner Anzahl
Tests

Test pro Mio.
Einwohner
Südkorea 51 635 256 210 144 4070
Italien 60 431 283 60 761 1005
Schweiz 8 516 543 8 000 939
Österreich 8 847 037 5 026 568
Grossbritannien 66 488 991 26 261 395
Israel 8 883 800 3 451 388
Niederlande 17 231 017 6 000 348
Dänemark 5 797 446 1 631 281
Japan 126 529 100 21 174 167
USA 327 167 434 8 554 26
Philippinen 106 651 922 691 6
QUELLEN: UNIVERSITÄT OXFORD, BUNDESAMT FÜR GESUNDHEIT

In Südkorea kann sich jedertesten lassen: das«Drive-through» desYeungnam University Medical Center inDaegu. KIM HYUN-TAI /AP
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