Süddeutsche Zeitung - 18.03.2020

(Elliott) #1
München– Franziska Leiberts – sie ist in
Oberbayern zu Hause – hat so gut wie nie
in ihrem Leben Fieber gehabt, doch vergan-
gene Woche sagte ihr ein Blick aufs Fieber-
thermometer: „Jetzt ist es so weit – und
das ausgerechnet in der Corona-Krise.“
Angst um sich selbst habe sie nicht gehabt,
sagt Leiberts (Name geändert), aber Sorge
um das Wohl ihrer hochbetagten Mutter.
Und so rief die Mittfünfzigerin auf Anraten
ihres Hausarztes unter der Nummer 116 117
beim ärztlichen Bereitschaftsdienst an,
um einen Corona-Test machen zu lassen.
Nach 25 Minuten Wartezeit kam sie durch,
die Gesprächspartnerin hörte aufmerk-
sam zu und teilte ihr schließlich mit, ein
Pandemiearzt werde sie zurückrufen – in-
nerhalb der nächsten zwei Tage. Nahezu ei-
ne Woche verging ohne den Rückruf des
Pandemiearztes, Leiberts rief erneut beim
ärztlichen Bereitschaftsdienst an. Nach
40 Minuten Wartezeit legte sie entnervt
auf. Fieber hat sie nach wie vor, wenn auch
nicht mehr so hoch. Aber die Frage geht ihr
nach wie vor im Kopf um: „Warum wurde
ich nicht getestet, warum rief der Pande-
miearzt nicht wenigstens zurück?“
Dies fragen sich im Augenblick nicht we-
nige in Bayern. Gesundheitsministerin Me-
lanie Huml (CSU) hat darauf eine klare Ant-
wort: „Wir legen verstärkt Wert darauf,
dass gezielt Menschen getestet werden,
die begründete Verdachtsfälle sind und
Krankheitssymptome haben oder in en-
gem Kontakt mit einem Erkrankten wa-
ren“, sagte sie am Dienstag auf Nachfrage.
Diese Fälle, so die Ministerin weiter, hät-
ten „Vorrang vor Menschen, die zum Bei-
spiel den Eindruck haben, dass sie in der

S-Bahn angehustet worden sind“. Wichtig
sei „natürlich auch, bei Menschen rasch
Klarheit zu bekommen, die in einem Kran-
kenhaus oder Pflegeheim arbeiten“.
Die Kapazitäten der Labore seien be-
grenzt, auch wenn sie täglich ausgeweitet
würden, sagte Huml. Wer Kontakt zu ei-
nem Erkrankten hatte, der solle beim Ge-
sundheitsamt anrufen. Und wer – ohne sol-
chen Kontakt – den Verdacht habe, dass er
infiziert sein könnte, der möge sich telefo-
nisch bei seinem Hausarzt melden oder bei

der Hotline 116 117. Genau das hatte Franzis-
ka Leiberts gemacht, allerdings mit einem
Ergebnis, das sie eher verstört. „Ich hatte
Fieber, was ich noch nie hatte, und darf
aber auch keine Arztpraxis betreten“, sagt
sie. Vom Test auf Corona-Viren will sie gar
nicht mehr reden. Als Alleinstehende muss-
te sie trotz Fieber das Haus verlassen, weil
ihr die Lebensmittel ausgegangen waren.
Leiberts zuckt schicksalergeben mit
den Schultern. Doch längst nicht alle Bür-
ger reagieren so besonnen wie die Mittfünf-

zigerin. Beispiel Landshut: Der Plan war
gut gemeint, ging aber gründlich schief.
Am Montag um neun Uhr eröffneten Stadt
und Landkreis Landshut auf der Grieser-
wiese in Landshut eine zentrale Corona-
Screening-Stelle, um Hausärzte, Notauf-
nahmen und Rettungsdienste zu entlas-
ten. In einem „Drive-In“-Verfahren sollten
Personen, ohne ihr Auto zu verlassen, ge-
testet werden, wenn bei ihnen der Ver-
dacht bestand, dass sie sich mit dem Coro-
navirus infiziert haben. Die Testpersonen
sollten aber zuvor von ihrem Hausarzt
oder von der telefonischen Annahmestelle
als begründeter Verdachtsfall angemeldet
werden. Schon wenige Stunden nach der
Eröffnung war der Andrang nicht mehr zu

bewältigen. Laut Mitteilung des Landrats-
amts hatten die Hausärzte zu viele Anrufer
ohne eine gründliche telefonische Anamne-
se weitergeschickt, obwohl bei ihnen nicht
ansatzweise der konkrete Verdachtsfall ei-
ner Infektion bestanden habe. Überdies er-
schienen viele Bürger ohne Termin, die
trotzdem getestet werden wollten. Es kam
zu langen Staus und laut Augenzeugen so-
gar zu tumultartigen Szenen.
Als sich abzeichnete, dass der Andrang
nicht mehr zu stemmen sein würde, schlos-
sen die Verantwortlichen die Station. Land-
rat Peter Dreier und OB Alexander Putz re-
agierten verärgert. „Wenn unsere freiwilli-
ge Hilfeleistung so missbräuchlich ausge-

nutzt wird, können und werden wir diesen
Service nicht mehr anbieten.“
Bei derSüddeutschen Zeitungmelden
sich inzwischen aber auch Bürger aus Bay-
ern, die ruhig und besonnen aber verge-
bens um einen Test baten – und die durch-
aus in jene Gruppe fielen, die getestet wer-
den sollte. Zu ihnen zählt sich zum Beispiel
Peter Kranz (Name geändert). „Ich war in
Ischgl, also einem Risikogebiet, und hatte
Kontakt zu einer positiv getesteten Person
aus Mannheim, alles in den letzten 14 Ta-
gen“, schreibt er. So wie sein Urlaubskon-
takt, der in Mannheim positiv getestet wur-
de, habe er Covid-19-ähnliche Symptome
entwickelt – ausgenommen Fieber. „Mir
hingegen wurde im Kreis Augsburg ein
Test verwehrt“, sagt Kranz. Man habe ihm
lediglich eine Quarantäne empfohlen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bay-
erns (KVB), unter deren Regie der ärztliche
Bereitschaftsdienst viele der in Bayern er-
folgten Corona-Tests durchführt, kennt
solche und ähnlich lautende Vorwürfe
auch aus eigener Erfahrung. „Einzelfälle
können wir aufgrund der Masse an Testun-
gen gar nicht mehr nachvollziehen“, heißt
es dort auf Anfrage. Besonders viele Tests
fanden am vergangenen Samstag statt.
„An diesem Tag waren es 17 99 Testungen


  • allein durch den ärztlichen Bereitschafts-
    dienst“, sagt ein Sprecher. Wie das Gesund-
    heitsministerium mitteilte, können beim
    Bayerischen Landesamt für Gesundheit
    und Lebensmittelsicherheit derzeit rund
    700 Proben täglich getestet werden, „wo-
    bei die Kapazitäten kontinuierlich erwei-
    tert werden“.
    k. auer, h. kratzer, d. mittler


von katja auer und lisa schnell

München– Es sei ja nicht das erste Mal,
sagt Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU), aber einmal mehr sei er be-
eindruckt. Von Bayern meint er, von der
Staatsregierung, und wie sie mit der Coro-
na-Krise verfahre. Spahn ist am Dienstag
zur Sitzung des bayerischen Kabinetts
nach München gekommen. Als er danach
zusammen mit Ministerpräsident Markus
Söder eine Pressekonferenz abhält, lobt er
„die Klarheit und Konkretheit der Maßnah-
men“ im Freistaat.
Die hat die Staatsregierung abermals
verschärft, um die Ausbreitung des Corona-
virus zu verlangsamen. Schulen und Kin-
dertagesstätten sind bereits zu, Bars und
Freizeiteinrichtungen geschlossen. Von
diesem Mittwoch an müssen viele Geschäf-
te zusperren, Restaurants dürfen nur noch
bis 15 Uhr öffnen. Das gelte auch für Bier-
gärten und Terrassen, konkretisierte Sö-
der am Dienstag. Es sei nicht richtig, „dass
outdoor das nachgeholt wird, was drinnen
nicht möglich ist“. Hotels dürfen Gäste nur
noch aus zwingend notwendigen Gründen
beherbergen, für Touristen bleiben sie ge-
schlossen. Busreisen werden verboten. Bei
Dienstleistungen, etwa beim Friseur, müs-
se ein Mindestabstand von anderthalb Me-
tern zwischen den Kunden eingehalten
werden.
Söder appellierte nochmals an die Men-
schen, sich an die Vorgaben zu halten, da-
mit nicht drastischere Maßnahmen nötig
würden. Es sei eine Zeit der Einschrän-
kung, aber diese könne Leben retten.
Um die Gesundheitsbehörden zu entlas-
ten, will die Staatsregierung 400 Beamte
aus anderen Behörden, die zurzeit weniger
stark beansprucht sind, zur Unterstützung
abstellen. „Nicht jeder muss Arzt sein“, sag-
te Söder, die Beamten sollten etwa bei den
Telefondiensten und organisatorischen
Aufgaben aushelfen. Das Gesundheitssys-
tem stabil zu halten, ist eine zentrale Bemü-
hung der Staatsregierung. So werden die
Krankenhäuser angewiesen, Operationen

zu verschieben, die nicht dringend notwen-
dig sind, und Kapazitäten für Corona-Pati-
enten bereitzuhalten. Uni-Kliniken sollen
nun versorgen statt forschen, auch Reha-
Kliniken müssen sich beteiligen. Vorstell-
bar seien eventuell auch Kapazitäten in Ho-
tels, die nicht mehr genutzt würden, sagte
Söder. „Damit im Zweifelsfall jeder ein
Bett finden kann, wenn er es braucht.“
500 Medizinstudenten seien zur Unterstüt-

zung bereits akquiriert worden, sagte Sö-
der, bis zu 5000 könnten es werden. Labor-
kapazitäten und Beatmungsgeräte müs-
sen gemeldet werden, diese könnten – falls
notwendig – beschlagnahmt werden. Auch
dafür soll das bayerische Infektionsschutz-
gesetz neu gefasst werden. Der Katastro-
phenfall bleibt bestehen, zusätzlich wird
ein Katastrophenstab in der Staatskanzlei
eingerichtet. So soll ein „Kompetenz-Wirr-

warr“ vermieden werden. Ein Problem
bleibt die Schutzkleidung. Masken etwa
sind knapp im Land, auch deswegen, weil
sie bislang vorwiegend in China gefertigt
wurden. Das sei eine Lehre aus der Krise,
sagte Söder, man brauche künftig eine
„Notfall-Apotheke“ im Freistaat. Es müsse
eine „kritische Infrastruktur“ geben, die
dringend benötigte Dinge herstellen kön-
ne. Von nächster Woche an sollen bayeri-
sche Firmen, die bislang anderes produ-
zierten, Schutzmasken herstellen, sagte
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Es
handle sich dabei etwa um Unternehmen
aus dem Textilbereich, die nun größere
Mengen der dringend benötigten Masken
liefern könnten.
Bei der Lebensmittelversorgung dage-
gen gebe es keine Engpässe. Um die Versor-
gung zu sichern, forderte Söder „grüne
Spuren“ für Lastwagen an den Grenzüber-
gängen. So könne vermieden werden, dass
es wegen der Grenzkontrollen zu Verzöge-
rungen bei Warenlieferungen komme. Die
Bitte richte sich an den Bund. „Das wäre
ganz existenziell wichtig“, sagte Söder. Zu-
gleich appellierte er an die Bevölkerung,
auf Hamsterkäufe zu verzichten. „Nach
derzeitigem Stand sieht es so aus, dass die
Lebensmittelversorgung gesichert ist.“
Zur Corona-Krise will Söder am Don-
nerstag eine Regierungserklärung im
Landtag abgeben. Das Parlament schaltet
unterdessen ebenfalls immer stärker in
den Krisenmodus. Alle Plenarsitzungen
sollen ab sofort nur noch mit einem Fünf-
tel der Abgeordneten stattfinden. Darauf
hätten sich die sechs Fraktionen am Mon-
tag einvernehmlich verständigt, teilte der
Landtag mit. So solle der Abstand im Ple-
narsaal gewährleistet werden.
Die Fraktionsstärken sollen den Anga-
ben zufolge proportional erhalten bleiben.
Welche Abgeordneten sie ins verkleinerte
Krisen-Plenum entsenden, sollen die ein-
zelnen Fraktionen selber entscheiden. Es
wird davon ausgegangen, dass Abgeordne-
te, die einer Risikogruppe angehören, eher
nicht erscheinen. Ansonsten können Parla-

mentarier sich auch auf die Besuchertribü-
ne setzen, um den Abstand zu erhöhen. Be-
suchergruppen dürfen den Landtag bis auf
weiteres nicht betreten. Zudem einigten
sich die Fraktionen darauf, Mehrheiten
nicht anzuzweifeln und vorerst auf Dring-
lichkeitsanträge zu verzichten. Angst vor
„Tricksereien“, etwa aus den Reihen der
AfD, habe man nicht, heißt es von den par-
lamentarischen Geschäftsführern der an-
deren Fraktionen.

Die neuen Regeln sollen schon in der
nächsten Plenarsitzung am Donnerstag
gelten. Diese werde verkürzt abgehalten,
nur das Nötigste soll besprochen werden.
Auf der Tagesordnung stehen Söders Re-
gierungserklärung sowie der Nachtrags-
haushalt. Am Donnerstag soll das Hilfspa-
ket verabschiedet werden. Nach Angaben
von Haushaltspolitikern ist vorgesehen,
die Gelder von 2024 an, also nach der Land-
tagswahl, mit einer jährlichen Rate von
500 Millionen Euro zurückzuzahlen. Auch
eine Lockerung der in der Verfassung ver-
ankerten Schuldenbremse wird es geben,
über sie muss aber nicht eigens abge-
stimmt werden, weil die Regierung in Kri-
senzeiten davon abweichen darf.
Die Geschäftsordnung soll ebenfalls ge-
ändert werden. Alle Fraktionen einigten
sich darauf, die Immunitätsregelungen zu
lockern. Ziel sei es, dass die rechtliche Im-
munität eines Abgeordneten für den beson-
deren Fall nicht mehr per Beschluss aufge-
hoben werden muss, wenn ein Abgeordne-
ter etwa gegen eine behördlich angeordne-
te Quarantäne verstößt. „Der Bayerische
Landtag muss und wird arbeitsfähig blei-
ben“, sagte Landtagspräsidentin Ilse Aig-
ner (CSU) und forderte alle Parlamentarier
auf, „dass wir über Parteigrenzen hinweg
in dieser Krise vorbildlich und einig han-
deln“.

Regensburg– In der katholischen Kinder-
klinik St. Hedwig in Regensburg haben
sich 15 Mitarbeiter mit dem Coronavirus in-
fiziert. Darunter seien auch mehrere Heb-
ammen, teilte das Krankenhaus Barmher-
zige Brüder mit, zu dem St. Hedwig gehört.
Die Geburtshilfe laufe aber unter strengen
Hygienemaßnahmen weiter. Die Sicher-
heit der Patienten sei gewährleistet, sagte
der ärztliche Direktor Michael Kabesch.
„Wir haben sofort alle nötigen Maßnah-
men ergriffen, um eine weitere Verbrei-
tung des Virus zu unterbinden.“ Momen-
tan prüfe man die Kontakte der Mitarbei-
ter zu Eltern, da diese möglicherweise


häusliche Quarantäne einhalten müssten.
Die Entscheidung treffe das Gesundheits-
amt. Laut Krankenhaus wurde zunächst ei-
ne Hebamme positiv getestet. Sie sei im Ur-
laub in Tirol gewesen, bevor das österrei-
chische Bundesland zum Risikogebiet er-
klärt worden sei. Zwei Tage nach ihrer
Rückkehr habe sie leichte Symptome be-
merkt und sich umgehend krank gemel-
det. Seitdem hätten alle Kontaktpersonen
Mund-Nasen-Schutzmasken getragen
und seien angehalten gewesen, sich genau
zu beobachten und bei Symptomen zuhau-
se zu bleiben. Alle Mitarbeiter des Kreiß-
saals, alle Hebammen und alle Ärzte der Ab-
teilung seien getestet worden. In den be-
sagten 15 Fällen sei das Ergebnis eine Infek-
tion gewesen. Sie hätten sich daraufhin um-
gehend in häusliche Quarantäne begeben.
Die Klinik in Regensburg bezeichnet sich
selbst als das größte Früh- und Neugebore-
nen-Zentrum Bayerns. kna


Bundesgesundheitsminister Spahn (Mitte) grüßt Finanzminister Albert Füracker
(links) mit dem Ellbogen. Im Hintergrund unterhalten sich Ministerpräsident Mar-
kus Söder und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. FOTO: PETER KNEFFEL/DPA

Die Labore sind zurzeit voll ausgelastet mit den Corona-Tests, auch wenn die Kapa-
zitäten ständig erhöht werden. FOTO: BARBARA GINDL/APA/DPA

Die Zeit


der Einschränkungen


An diesem Mittwoch schließen die meisten Geschäfte,
Krankenhäuser bereiten sich auf Corona-Patienten vor

Unklarheit bei Corona-Tests


Viele Menschen würden gerne getestet werden – ob mit oder ohne Symptome. Dafür aber reichen die Kapazitäten nicht. Bei Patienten herrscht Verwirrung


15 infizierte Mitarbeiter


in Regensburger Klinik


Zurzeit können beim Landesamt
für Gesundheit täglich
700 Proben getestet werden

von hans kratzer

D


as Coronavirus sei eine Strafe Got-
tes, pulvern religiöse Eiferer. Sie
berufen sich dabei auf alttesta-
mentliche Propheten, nach deren An-
sicht Gottes Zorngericht die ganze Erde
verzehren werde. Es ist deshalb kein ge-
ringer Trost, dass der Bamberger Erzbi-
schof Ludwig Schick soeben kundtat, von
einer Strafe Gottes zu sprechen sei zy-
nisch und mit Jesu Botschaft unverein-
bar. Im Religionsunterricht wurden
Schreckensbilder früher gerne themati-
siert. Die zehn biblischen Plagen etwa,
mit denen die Ägypter bestraft wurden,
weil sie die Israeliten nicht in ihre Heimat
ziehen lassen wollten. Und immer wieder
die Trias des Grauens, die der Herr Pfar-
rer seinen Sünderlein drohend vor Augen
hielt: Krieg, Hunger und Pest.
Vor allem im Mittelalter dominierte
der Gedanke, dass Katastrophen und Seu-
chen durch unmoralisches Verhalten aus-
gelöst werden. Während der Pestjahre
1348/49 kamen Geißlerzüge in Mode, de-
ren Teilnehmer sich selbst geißelten und
zur Buße aufriefen. Auch in Bayern wa-
ren haufenweise Geißler unterwegs, wie
Klosterchroniken belegen. Städte wie
Nürnberg, Augsburg, Regensburg und
Würzburg waren so etwas wie Hotspots
für Geißler und Flagellanten. Wo der Wil-
le zur Erlangung des Seelenheils weniger
stark ausgeprägt war, dort griff die Kir-
che erzieherisch ein. Anstoß erregten et-
wa die Lustbarkeiten der Trachtenverei-
ne, vor allem die Treffen der Jugend bei-
derlei Geschlechts ohne Aufsicht von
Geistlichen. Diese nährten den Verdacht
von Unmoral, der durch den Kleidungs-
stil (kurze Lederhose) noch gesteigert
wurde. Kirchenobere verweigerten zur
Eindämmung der Sittenlosigkeit noch in
den 1930er Jahren die Weihe der Trach-
tenvereinsfahnen. Manchmal wurde zur
Disziplinierung der Sünder eine – biswei-
len wackelige – Drohkulisse aufgebaut.
Ein königlich bayerisches Blatt berichte-
te 1848 von einer Marienerscheinung na-
he Aichach. Die Gottesmutter, so heißt es
darin, habe einem Hirtenknaben aufge-
tragen: „Sage den Leuten, sie sollen Buße
tun, sonst kann ich das Strafgericht Got-
tes nicht länger mehr abwenden!“ Die
Mahnung wurde aber durch den treuher-
zigen Hirtenknaben selber abgemildert.
Als er befragt wurde, wie denn die Gottes-
mutter ausgesehen habe, gab er zu Proto-
koll: „Akkurat wie die Pfarrersköchin!“


Berufsverkehr in Nürnberg am Mittwoch. Die U-Bahn-Station Rennweg ist so gut wie menschenleer. Wer kann, der bleibt zuhause. FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA

„Der Bayerische Landtag
muss und wird
arbeitsfähig bleiben.“

Alle Hebammen und Ärzte


seien getestet worden


(^26) MÜNCHEN · BAYERN Mittwoch, 18. März 2020, Nr. 65 DEFGH
Bestätigte Infektionen in Bayern
SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Landesamtfür Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
0
300
600
900
1200
100
27.2. 1.3. 4.3. 7.3. 10.3. 13.3. 15.3. 17.3.
22 56
147
313
558
886
1352
15
Stand: 17.3. 12 Uhr
MITTEN IN BAYERN
Die Hotspots
der Flagellanten

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