Süddeutsche Zeitung - 25.03.2020

(Wang) #1
von uwe ritzer

E


igentlich war Kasper Rorsted, 58, am
Donnerstag voriger Woche mit Sän-
gerin Beyoncé in Kalifornien verab-
redet, die für Adidas nicht nur wirbt, son-
dern auch eine kleine Kollektion entwirft,
die meistens ausverkauft ist. Dann traf
Rorsted aber Björn Gulden, zufällig, auf ei-
nem Feldweg im fränkischen Herzogenau-
rach, ein jeder auf dem Weg zur Arbeit. Der
Chef von Adidas und der Chef von Puma.
Die beiden Firmengründer und Brüder,
Adolf und Rudolf Dassler, waren sich be-
kanntlich ihr Leben lang spinnefeind und
sollen kein Wort mehr miteinander gespro-
chen haben, nachdem sie gleich nach dem
Krieg ihre Sportschuhfirma auseinander-
gerissen hatten. Auch nachdem beide in
den 1970er Jahren gestorben waren, dauer-
te es bis 2009, ehe ein Fußballmatch am
Weltfriedenstag aus verfeindeten Firmen


normale Konkurrenten machte. Rorsted
und Gulden, Däne der eine, Norweger der
andere, können persönlich gut miteinan-
der. Von ihrem zufälligen Treffen schos-
sen sie spontan ein Foto und posteten es in
den Intranets von Adidas und Puma. Zwei
lachende Chefs in ernsten Zeiten, dazu
schrieb Kasper Rorsted: „Wir kommen
von derselben Familie...“.
Familie, das klingt beschaulich. Tatsäch-
lich ist die Sportartikelindustrie in norma-
len Zeiten eine hochtourige Maschine, die
Jahr für Jahr spektakuläre Rekorde produ-
ziert und kaum noch nachkommt mit ih-
rem rasenden Wachstum. Schneller, hö-
her, weiter. Weil immer mehr Menschen
auf diesem Globus sich Schuhe und Shirts
von Nike, Adidas oder Puma leisten kön-
nen, und sie nicht nur tragen, sondern tat-
sächlich Sport darin treiben. Das hat mit
wachsendem Wohlstand in vielen Teilen
der Welt zu tun und mit steigendem Ge-
sundheitsbewusstsein. Und nun ist es aus-
gerechnet ein Virus, das diese boomende
Branche zur Vollbremsung zwingt.
Normalerweise würde Kasper Rorsted
gerade durch die Welt touren und nicht
nur Beyoncé treffen, sondern auch wichti-
ge Kunden und Investoren. Stattdessen
sitzt er als Krisenmanager in Herzogenau-
rach fest. „Ich sehe meine Vorstandskolle-
gen gerade häufiger als meine Frau“, sagt
er. Statt einmal monatlich tagt der Adidas-
Vorstand zweimal am Tag. Zwei Dänen,
zwei Deutsche, eine Britin, ein Australier –
alle Vorstände sind im Hauptquartier.
Selbst bei einer Ausgangssperre werde
er nicht nach Hause fahren, sagt Rorsted,
der mit Familie südlich von München lebt.
„In meiner Position muss ich hier sein und
mich meiner Verantwortung stellen. Als
Führung müssen wir ruhig bleiben, uns
um die Zukunft kümmern und die richti-
gen Entscheidungen treffen.“ Im Moment
gehe es vor allem um die Gesundheit der
Mitarbeiter und die Frage: „Wie bringen
wir sie und die Firma gut durch die Krise?“
Kasper Rorsted und sein Führungszir-
kel arbeiten daran in einem Geisterhaus.
Alle Vorstände haben ihre Büros im dritten
Stock der „Arena“. Wenn es ein Gebäude
gibt, dass Ehrgeiz, Wachstum, Selbstbe-
wusstsein und Erfolgshunger von Adidas
ausstrahlt, dann dieses beeindruckende
Monstrum auf schrägen Stelzen, das von
weitem aussieht wie ein Fußballstadion.
„Welcome to Arena“ begrüßen riesige
Flatscreens im Foyer Ankömmlinge. Nur:
Es kommt so gut wie keiner mehr. Adidas
beschäftigt 60 000 Menschen, davon etwa
5500 in der „World of Sports“, wie der Kon-
zern sein über einen weitläufigen Campus
verstreutes Hauptquartier in Herzogenau-
rach nennt. Allein die Arena ist auf 2000
Mitarbeiter ausgelegt, und wer wissen
will, wie das Corona-Virus diesen Sportarti-
kelriesen gerade lahm legt, der muss sich
nur in diesem Gebäude umsehen.
Während die junge Frau am Empfang in
gebotener Distanz den Besucher regis-
triert, läuft eine andere mit Desinfektions-
spray, Handschuhen und Putzlappen
durch die menschenleere Halle. Im ganzen
Haus sind sie und ihre Kolleginnen unter-
wegs, pausenlos. Sie wischen Wände, Ti-


sche, Sitzflächen, Türen, Schränke, Griffe


  • einfach alles, wo das Covid-19-Virus ge-
    landet sein könnte. Um sie herum herrscht
    eine bedrückende Stille.
    Dabei ist diese Arena ganz auf Begeg-
    nung ausgelegt. Hier gibt es keine abge-
    schotteten Bürowaben, nahezu alles ist of-
    fen. Menschen sollen sich hier treffen,
    Grüppchen bilden und miteinander kom-
    munizieren, an Stehtischen, in Sitzni-
    schen, über Schreibtische hinweg, in Café-
    Ecken, an Getränketheken oder auf Bän-
    ken im Design von alten Umkleidekabinen
    oder Turnhallen. Sogar das Treppenhaus
    ist so geplant, dass man nicht zwangsläu-
    fig aneinander vorbei hastet, sondern sich
    begegnen kann.


Oben im dritten Stock empfängt Kasper
Rorsted, natürlich ohne Handschlag und
an einen Stehtisch gelehnt, mit der Frage,
ob man denn Palle kenne, den in seinem
Geburtsland Dänemark berühmten Kin-
derbuchhelden. Der wachte eines Tages
auf und stellte fest, dass er ganz alleine war
auf der Welt. „Manchmal fühle ich mich ge-
rade wie er“, sagt Rorsted. „Ich laufe über
den Campus und niemand ist da.“
Auch die Trainingseinheiten fallen aus,
die Rorsted sonst für gewöhnlich am frü-
hen Morgen hier absolviert – das firmenei-
gene Fitnessstudio und die anderen Sport-
anlagen wurden als erste geschlossen. Kita
und Kantinen folgten. Für die Verpflegung
der wenigen verbliebenen Mitarbeiter sor-
gen Felipe und seine Kollegen mit ihren

Rollwagen, aus denen heraus sie verschlos-
sene Lunchpakete verteilen.
Seit das Virus ausgebrochen ist, wurde
eine Handvoll Herzogenauracher Adidas-
Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet.
Der erste von ihnen ist mittlerweile wieder
gesund. Vorige Woche arbeiteten auf der
World of Sports noch 200 Beschäftigte, in-
zwischen sind nur noch die Vorstände und
ihre wichtigsten Führungskräfte da, plus
ausgewählte Mitarbeiter aus den Berei-
chen Digital und IT. Alles in allem ein paar
Dutzend Leute. Die anderen arbeiten von
zu Hause aus. Das Verkaufspersonal in den
Tausenden Geschäften hat Adidas heimge-
schickt, bei voller Lohnfortzahlung.
10.30 Uhr. In einem Konferenzraum, wo
zehn Leute Platz hätten, verteilen sich drei
in großen Abständen zu einer Telefon- und
Videokonferenz eines der PR- und Kommu-
nikationsteams. Ein Routinetermin. In vie-
len Firmen sind solche Runden derzeit
aber auch der Versuch, ein wenig Normali-
tät zu erhalten. Themen sind die tags zuvor
abgesagte Hauptversammlung und ein in-
ternes Infopaket zur Nachhaltigkeit. Die
deutschen Mitarbeiter sind aus Homeoffi-
ces zugeschaltet, jene in Peking und Shang-
hai sind zurück in den Adidas-Büros. Es
heißt ja, in China hätten die Menschen das
Schlimmste hinter sich.
Kasper Rorsted schaut auf einen kurzen
Gruß vorbei. Kommunikation sei gerade
jetzt sehr wichtig, wird er später sagen.
„Die Menschen brauchen in der Krise Klar-
heit“. Das sei auch der Grund, weshalb er
das Krisenmanagement von Bayerns Mi-
nisterpräsident Markus Söder besonders
schätze. „Mich beeindruckt vor allem sei-
ne Klarheit. Für seine Reden verdient er
die Note Eins plus. Er geht sehr struktu-

riert und strategisch mit der Krise um.“Ins-
gesamt manage „die deutsche Politik die
Krise besser als das in anderen Ländern
der Fall ist.“ Aber? „Ich würde mir wün-
schen, dass Deutschland einen einheitli-
chen Kurs fährt. Föderalismus ist gut, aber
in der Krise ist der Mensch nicht föderal.“

In der Adidas-Welt hat Elizabeth Ste-
wart momentan vielleicht den besten Über-
blick. Die Amerikanerin kümmert sich via
Notebook um interne Kommunikation.
„Das Thema bringt uns als Firma auch zu-
sammen“ sagt sie. Stewart spricht über
Teamspirit und erzählt, wie Kollegen aus
Ländern, die das Schlimmste hinter sich
haben, Informationen mit jenen teilen, wo
Corona noch nicht so lange wütet. „Man
lernt voneinander und tauscht sich aus.“
Es war irgendwann im Februar, als Kas-
per Rorsted die Dimension der anrücken-
den Krise langsam klar wurde. Da trudel-
ten die ersten Zahlen aus China ein, wo Adi-
das von Januar bis März 2020 eine Milliar-
de Euro Umsatz verlieren wird. Dabei berei-
tete sich Rorsted doch gerade darauf vor,
das mit Abstand beste Jahr der Adidas-Ge-
schichte zu verkünden: 23,6 Milliarden Eu-
ro Umsatz und 1,92 Milliarden Euro Ge-
winn im Jahr 2019, bei satten Zuwächsen
in allen Regionen und Produktkategorien.
Mitte März 2020 allerdings ist klar, dass
dem Rekord- ein Krisenjahr folgen wird.
Zu den Einbrüchen in China kommen seit
voriger Woche auch solche in Nordameri-
ka, Europa und Lateinamerika. „Mit ei-

nem Schlag wurde fast unser gesamter Ver-
trieb eingestellt“, schildert Rorsted. „Wir
erwirtschaften normalerweise knapp 50
Prozent unseres Umsatzes in Europa und
Nordamerika.“ So etwas gab es noch nie,
„das kann selbst das gesündeste Unterneh-
men auf Dauer nicht verkraften. Ohne
E-Commerce wären wir allein in Deutsch-
land bei 80 Prozent Umsatzeinbruch.“
Nichts deutet auf schnelle Besserung.
Die großen Sportligen unter- oder gar abge-
brochen. Die Fußball-EM verschoben und
seit diesem Dienstag auch Olympia. Alles
große, wichtige Bühnen zur Selbstdarstel-
lung für die marketinggetriebene Branche.
„Momentan sind Sport-Events Nebensa-
che“, sagt Kasper Rorsted. Die finanziellen
Auswirkungen der Absagen von EM und
Olympia seien „eher gering.“ Und über-
haupt: „Was im November sein wird, weiß
keiner, das ist momentan auch zweitran-
gig.“ Klar sei aber: Ohne Staatshilfen selbst
für an sich erfolgreiche Unternehmen wie
Adidas wird es nicht gehen. „Wir werden
Kredite brauchen, wir bei Adidas, aber
auch die Wirtschaft insgesamt“, sagt Rors-
ted. Er begrüße, dass die Politik auch gro-
ße Unternehmen unterstützen will. „Diese
Botschaft ist bei den Banken und der EZB
aber noch nicht angekommen. Das muss
sie aber, und zwar schnell. Das muss die Po-
litik den Banken deutlich machen.“
Kasper Rorsted glaubt, die Corona-Kri-
se zu Adi und Rudolf Dasslers Zeiten hätte
selbst die beiden einander wieder näherge-
bracht. Sie hätten bei aller Konkurrenz ge-
wollt, dass wir als Freunde zusammenste-
hen. Rorsted hat das deshalb sinngemäß
unter das gepostete Foto von sich und Pu-
ma-Chef Björn Gulden geschrieben. Und
den Satz: „Wir sitzen alle im selben Boot.“

Im Geisterhaus


Adidas-Chef Kasper Rorsted muss einen Sportartikel-Konzern steuern, den die Corona-Krise
lahmgelegt hat. Im neuen Hauptquartier herrscht bedrückende Leere

Er sah das Dilemma kommen,
im Februar, als die ersten Zahlen
bei ihm eintrudelten

E


igentlich hätte das Europaparla-
ment in dieser Woche in Straßburg
tagen sollen, wegen der Ausbrei-
tung des Coronavirus wird daraus nichts.
Immerhin einer kann diesen Schwierigkei-
ten etwas Gutes abgewinnen: Man könne
problemlos 200 Meter Abstand halten
und sei von gut gefüllten Desinfektions-
mittelspendern umgeben, sagte der Sati-
riker und Europabageordnete Martin
Sonneborn in einer Videobotschaft aus
dem leeren Europaparlament in Brüssel.
Außerdem: „Die Toilettenpapierangebote
sind spektakulär.“
Aber das leere Parlament wirft auch
eher ernste und ganz praktische Fragen
auf: Eigentlich sind die Tagungen des EU-
Parlaments Präsenzveranstaltungen, we-
gen der Corona-Krise ist das nun nicht
ohne Weiteres möglich. Ein paar Abgeord-
nete werden sich an diesem Donnerstag
zwar dennoch in Brüssel treffen, aber viele
andere könnten aus Mangel an Flugverbin-
dungen gar nicht anreisen, selbst wenn sie
das wollten. Abgesehen davon, dass Tref-
fen von zig oder gar Hunderten Abgeordne-
ten wohl nicht mit den allerorts erlassenen
Versammlungs- und Ausgangsbeschrän-
kungen vereinbar wären. Gleichzeitig sol-
len derzeit auch auf europäischer Ebene
wichtige Gesetze verabschiedet werden,
bei denen die Mitwirkung der Abgeordne-
ten erforderlich ist. Das zwingt das EU-Par-
lament, kreativ zu werden. Auch digitale
Wahlverfahren werden nun diskutiert.
Für die Abstimmungen in dieser Woche
hat sich das Parlament erst einmal einen
recht simplen Weg zur Fernabstimmung


einfallen lassen. Dafür bekommen die Ab-
geordneten per E-Mail einen Stimmzettel,
den sie zu Hause ausdrucken, unterschrei-
ben, einscannen oder fotografieren und
per E-Mail zurücksenden sollen. Ein beina-
he altmodisch anmutendes Verfahren, das
die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke
auf Twitter so kommentierte: „Alle Abge-
ordneten unter 50 werden gerade verrückt
bei der Suche nach einer Gelegenheit, et-
was auszudrucken.“
Das Verfahren hat aber natürlich auch
Sicherheitsmängel: Wie zum Beispiel ist
gewährleistet, dass es auch wirklich der Ab-
geordnete selbst ist, der abstimmt? Immer-
hin könnte ja auch ein anderer die Unter-
schrift auf den Zettel schreiben. Der Abge-
ordnete Daniel Freund glaubt aber nicht,
dass Fälschungen ein großes Problem sein
werden: „Wir stimmen fast immer nament-
lich ab, spätestens da würde es dem
Abgeordneten also auffallen“, sagt er. Der
Grünen-Politiker sorgte sich zu Beginn der
Corona-Krise, das Parlament könne durch
Corona seine Arbeitsfähigkeit verlieren –
etwa nicht mehr in der Lage sein, Gesetze zu
verabschieden oder seine Kontrollfunktion
zu erfüllen. Deshalb schrieb er gemeinsam
mit anderen Abgeordneten einen offenen
Brief, um auf das Problem hinzuweisen –
„Der hat dann ja auch direkt gefruchtet.“
Für die Abstimmungen in dieser Woche
sei der nun gefundene Weg eine akzeptab-
le Lösung – auch deswegen, weil die Coro-
na-Krisen-Maßnahmen in den Fraktionen
im Parlament von einer breiten Mehrheit
getragen werden würden. „Die Frage ist
aber, wie lange wir in dieser Situation

bleiben werden, wie lange wir Entschei-
dungen auf diesem Weg treffen müssen“,
sagt Freund. Wenn die Mehrheiten bei
künftigen Entscheidungen nicht so deut-
lich sind, sei es umso wichtiger, auf ein
System zurückgreifen zu können, dass zu
100Prozent funktioniert.
Bereits für diese Woche war auch ein
E-Voting-System im Gespräch – bevor
man sich doch für die E-Mail-Ausdruck-Va-
riante entschied. Gut so, glaubt der Ab-
geordnete Patrick Breyer von der Piraten-
partei: „E-Voting über das normale Inter-
net ist unsicher und anfällig für Hacker“,
sagt er. Es gebe genug Player, die ein
Interesse daran und auch die Mittel dazu

hätten, solche Abstimmungsvorgänge an-
zugreifen. Aber auch die nun gewählte
Abstimmungsmethode habe Mängel, sagt
Breyer. „Das E-Mail-Verfahren birgt das
Risiko, dass persönlich gewählte und hoch
bezahlte Abgeordnete des Europäischen
Parlaments wissentlich anderen erlauben
könnten, an ihrer Stelle abzustimmen.“ Er
plädiert darum für Alternativen ähnlich
dem „Postident“-Verfahren, bei dem sich
der Abgeordnete vor einer Webcam im
Videostream identifizieren müsste.
Aber selbst wenn sich die Abgeordneten
bald auf ein langfristigeres Fernwahlsys-
tem einigen sollten, sind Abstimmungen
doch nur ein Teil der Arbeit des Parla-

ments. Auch die Plenardebatten werden
durch Corona gerade heftig erschwert,
wenn nicht gar unmöglich gemacht.
Bislang war geplant, dass in dieser Wo-
che nur jene Abgeordnete mitdebattieren
können, die auch physisch in Brüssel anwe-
send sind, die anderen könnten die Debat-
te per Videostream verfolgen, sich aber
nicht beteiligen – soweit ist die Technik
des Parlaments schlicht noch nicht. Katari-
na Barley ist Abgeordnete der Sozial-
demokraten und Vizepräsidentin des Par-
laments, und hält das für einen falschen
Anreiz. „Ich bin vehement dagegen, dass
die Leute jetzt nach Brüssel fahren“, sagt
sie. Sie ist deswegen auch dagegen, dass
die Abgeordneten, die es tatsächlich ins
Parlamentsgebäude schaffen, vor Ort ihre
Stimme abgeben können – weil auch das
für manche ein Anreiz sein könnte, nach
Brüssel zu kommen, genau wie das be-
rühmte Tagegeld, das die Abgeordneten
an Anwesenheitstagen bekommen.
Aber auch wenn die Technik so weit
wäre, dass alle Abgeordneten problemlos
von zu Hause arbeiten können – ein rein
virtuelles Parlament wäre nicht das Richti-
ge, sagt Barley. In Europa arbeiteten Abge-
ordnete aus unterschiedlichen Kulturen,
mit unterschiedlichen Sprachen. „Gerade
darum ist es wichtig, dass man sich regel-
mäßig auch in Wirklichkeit sieht“, sagt sie.
karoline meta beisel

Carsten Spohr, 53, Lufthansa-Chef und
derzeit besonders geforderter Krisenma-
nager, bekennt sich zu seinem Unterneh-
men. Spohr(FOTO: DPA)hat mitten in der
Corona-Krise für knapp 250000 Euro
Aktien seines Unternehmens gekauft.
Im Schnitt zahlte der Vorstandschef am
vergangenen Freitag 9,53 Euro pro An-
teil, wie aus einer am Dienstag veröffent-
lichten Pflichtmitteilung an die Börse
weiter hervorgeht. Der Kurs war in den
vergangenen Wochen deutlich gesun-
ken, weil die Fluggesellschaft massiv
von der Epidemie getroffen ist und fast
alle Flugzeuge am Boden halten muss.
Spohr ist nach dem im vergangenen Jahr
geänderten Vergütungssystem des Dax-
Konzerns zum Kauf verpflichtet. Danach
müssen die Vorstände jährlich 15 Pro-
zent ihrer variablen
Brutto-Vergütung in
Unternehmensantei-
le anlegen, bis sie
eine bestimmte
Schwelle erreicht
haben. Dies soll
ihren Einsatz für den
langfristigen Firmen-
erfolg stärken. sz

Silvio Berlusconi, 83, ehemaliger Minis-
terpräsident von Italien, baut seinen
Einfluss in München aus. Der Medien-
konzern Mediaset, der von seiner Fami-
lie beherrscht wird und von seinem
Sohn Pier Silvio Berlusconi, 50, geführt
wird, hat den Anteil am Fernsehunter-
nehmen Pro Sieben Sat 1 von 15 auf gut
20 Prozent aufgestockt. Die spanische
Tochter Mediaset España habe 4,
Prozent der Aktien für rund 60 Millio-
nen Euro erworben, damit steige der
Mediaset-Anteil an den Münchnern
insgesamt auf 20,1 Prozent, teilte Media-
set in einer Mitteilung an die italienische
Börse mit. Erst in der vorvergangenen
Woche hatte der tschechische Investor
Daniel Kretinsky seinen Anteil von fünf
auf zehn Prozent aufgestockt. Der Kurs
von Pro Sieben Sat 1 war zuletzt deutlich
gesunken, die Aktie
liegt nur noch knapp
über sechs Euro. Der
Politiker Berlusconi
(FOTO: DPA)war zwi-
schen 1994 und 2011
mehrmals Minister-
präsident in Italien.
Mediaset gibt es seit


  1. cbu


Wolfgang Porsche, 76, Familienober-
haupt, kann sich mit seinem Clan über
einen neuen Rekord-Geldregen freuen.
Die Familien Porsche und Piëch, die alle
stimmberechtigten Stammaktien an der
Stuttgarter Holding Porsche SE (PSE)
halten, erhalten in diesem Jahr eine Divi-
dende von 476 Millionen Euro – so viel
wie noch nie in der Geschichte der Por-
sche SE, die 2007 gegründet wurde. Die
PSE ist mit 31 Prozent der größte Aktio-
när der Volkswagen AG und profitiert
von dem Gewinnanstieg des Wolfsburger
Konzerns im Geschäftsjahr 2019. Die
Dividende pro Aktie wurde von zuletzt
2,20 auf 3,10 Euro erhöht. Das ist ein
Anstieg von mehr als 40Prozent. Wolf-
gang Porsche(FOTO: IMAGO)ist Aufsichts-
ratschef der PSE. Die Holding hält noch
Beteiligungen an kleineren Technologie-
Unternehmen der
Auto-Branche. Insge-
samt verbuchte die
PSE ein Ergebnis
nach Steuern von
4,4 Milliarden Euro.
Für 2020 rechnet sie
mit ähnlichen Zah-
len, trotz Corona-
Krise. stma

„Manchmal
fühle ich mich gerade
wie Palle.“

16 HF2 (^) WIRTSCHAFT Mittwoch, 25. März 2020, Nr. 71 DEFGH
„Ich laufe über den Campus, und niemand ist da.“ Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted. FOTO: MATTHIAS SCHRADER/AP
Drucksache
Das EU-Parlament ist wegen der Corona-Krise
verwaist. Abgeordnete müssen sich Stimmzettel
nun zu Hause ausdrucken und einscannen.
Auch E-Voting und andere digitale
Abstimmungsformen sind im Gespräch.
Doch es gibt Sicherheitsbedenken
LEX DIGITALIS
„Ich bin vehement dagegen,
dass die Leute jetzt nach Brüssel
fahren“, sagt Katarina Barley
An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc
Beise, Karoline Meta Beisel (Brüssel), Christoph
Giesen (Peking), Helmut Martin-Jung (München)
und Jürgen Schmieder (Los Angeles) im Wechsel.
MITTWOCHSPORTRÄT
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Aufgestockt
Hochgeschraubt
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