Berliner Zeitung - 25.03.2020

Tagesthema

2 * Berliner Zeitung·Nummer 72·Mittwoch, 25. März 2020 ·························································································································································································································································································

D

ieGeschichte dermo-
dernen Olympischen
Spielewährt1 24 Jahre.
FünfmalfielendieSpiele
währendzweierWeltkriegeaus.Nun
wurdensieerstmalsverschoben.Die
Sommerspiele inTokio sollen im
Frühsommer2021ausgetragenwer-
den. Darauf verständigten sich die
drei Partnerdiesesmilliardenschwe-
renJointVentureserstamDienstag-
vormittag:JapansMinisterpräsident
ShinzoAbe,Tokios Gouverneurin
YurikoKoikeundThomasBach,Prä-
sident desInternationalenOlympi-
schenKomitees(IOC).
Wiedramatisch sich alles zuge-
spitzthatte,kannmanauchamklei-
nen wichtigenFaktum sehen, dass
BacherstdanacheineTelefonschalte
seines Exekutivkomitees einberief.
Die33S port-Weltverbände imTo-
kio-ProgrammundderenDachorga-
nisation ASOIF waren nicht in die
Entscheidungsfindung einbezogen
undwurdenkaltüberrascht.

ÜberfälligeEntscheidung

IOC-PräsidentBach und ShinzoAbe
musstenzudieserEntscheidung,die
schon vorWochen hätte fallen müs-
sen, getriebenwerden. Es geht nicht
um Schuldzuweisungen, doch eines
sollte für dieGeschichtsbücher fest-
gehaltenwerden: Während dieWelt
bereits stillstand, sich dasCoronavi-
rusrasantverbreiteteundbesonders
im künftigen Olympia-Gastgeber-
landItalien(Winterspiele2026)einen
Horror auslöste,hielten Bach und
AbenochsturanihrenPlänenfest.
DieInteressen derSportler ,wie
das IOC stets postuliert, standen
nicht imVordergrund aller Überle-
gungen.DieGeschäftspartnerdieses
schonjetztknapp30Milliarden ver-
schlingenden größten Events des
Planeten haben mit derGesundheit
vonmehrals zehntausendOlympia-
sportler ngespieltundkeineVerant-
wortungbewiesen.DaswirddieWelt
nichtverg essen.Letztlichhabenvor
allem dieSportler das erzwungen,
was ohnehin nicht zuverhindern
war:eineVerlegungderSpiele.
2021könntedabeidramatischzu
kurzgedacht sein und demnächst
erneut gigantischeProbleme berei-

ten.WirddiePandemiebisdahinge-

stoppt sein?DasRisiko bleibt und

wäremiteiner VerlegungindasJahr

2022 kleiner geworden.Dies aber

wärefürdie Japaner,aufdieohnehin

zusätzliche Milliardenlasten und

schwierige juristische Fragen zu-

kommen, noch teurer geworden.

Unter den überrumpelten Sport-

Weltverbändenhießesinerstenver-

Der Präsident des Internationalen OlympischenKomitees, Thomas Bach, stellte sich lange stur. DPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Olympische Spiele

SiegdermündigenAthleten

ErstdurchdenmassivenDruckderSportlerinnenundSportlerentschlosssichdas

InternationaleOlympischeKomiteedazu,dieSommerspieleaufdaskommendeJahrzuverschieben.

VonJens Weinreich

traulichenReaktionen,2021seieine

schlechteLösung.DerSommer

hättebessergepasst,diesesZeitfens-

ter ist wegen derFußball-WM 2022

frei,dieerstimAdventstattfindet.

Für die Geschichtsbücher darf

auch festgehaltenwerden: Vorsie-

benTagenhatkeinerder33olympi-

schen Fachverbände widerspro-

chen, als Thomas Bach keinen

Grundsah,diePlanungenfürdieEr-

öffnungsfeieram24.Juli2020inTo-

kio zu verändern. Alle segneten ein

unwürdiges Kommuniqué ab.Vor

sechsTagen hat keines derweltweit

206 NationalenOlympischenKomi-

teesgegendieIOC-Pläneopponiert.

In einer Telefonschaltkonferenz mit

Bach unterstützten auch alle 50 eu-

ropäischen NOKs,darunter der

DOSB,bedingungslos denKurs des

Präsidenten.VorzweiTagen hat das

IOC in einer Erklärung noch das

Wort Pandemie vermieden und das

Problem heruntergespielt als eines

in„einigenLändernaufei nigenKon-

tinenten“.EineAbsagederSommer-

spiele 2020 würde keines derPro-

bleme derMenschheit lösen und

niemandemnützen,hießeseiskalt.

EswarendieOlympiasportleraus

allerWelt,diedierasanteWendenun

doch möglich machen mussten. Al-

lenvorandieKanadierinHayleyWi-

cken heiser,selbst IOC-Mitglied, die

alseinedererstenprominentenAth-

leten „Menschlichkeit“ und soforti-

ges Handeln vomIOC einforderte.

Wicken heiser wurde daraufhinvon

der IOC-Administration gemaßre-

gelt –Abweichler vonder Einheits-

meinung sieht Bach nicht gern.

Noch am Montag hatBach die vier-

maligeOlympiasiegerinineinemTe-

lefonat vonseiner Haltung zu über-

zeugenversucht.

Esistt raurig,dassessoweitkom-

menmussteunddieSportler vonden-

jenigeneineLösungerzwingenmuss-

ten,dieeigentlichnurdafürzuständig

sind,dasBestefürdieSportler zutun.

Stattdessen dominiertenStarrköpfig-

keit, juristischeBedenken, finanzielle

Aspekte,Inhumanität,Weltfremdheit

und Machts piele.Die Verlegung der

SpieleisteinSiegdermündigenAthle-

ten.ImGrundeeinPyrrhussieg,denn

der ohnehin schonrapide An sehens-

verlustderolympischenInstitutionen

wurdeindenverg angenenWochen ra-

santbeschleunigt.

BachsVerantwortung

Doch derSieg gegen die IOC-Füh-

rungwi rdmittel-undlangfristigFol-

genhaben.DasolympischeSystem,

dieDreifaltigkeitvonIOC, Fachver-

bändenundNOKs,wirdendlicheine

eigenevierteSäuleerhalten–dieder

Athleten. Dieser Proz ess ist unum-

kehrbar.Esi st da spositiv eErgebnis

einer weltweiten Krise,die gerade

erst begonnen hat. Es geht nicht

darum, einen Alleinschuldigen für

die beschämenden Vorgänge um

diese späteOlympia-Verschiebung

zusuchen.ThomasBachaberhatdie

volleVerantwo rtung zu übe rneh-

men. Dieundemok ratischen,

intransparenten Usancen in der

olympischenFamilie,dieermitsei-

nem diktatorischenGehabe beför-

derthat, erschwerten eine Lösung.

Daswirdbleiben. Undesw irddie

Debatten derkommendenMonate

bestimmen.DasolympischeSystem

wirdsicherneuer nmüssen. Werzu

spätkommt,denbestr aftdasLeben.

BERLIN UND BRANDENBURG WETTERLAGEREISEWETTER

Heute gibt es vielfach

Sonnenschein, aberauch ein paar

Wolken,unddie Temperaturenklet-

ternamTage auf6bis 13 Grad.

Nachtsgehen dieWerte dannauf

minus1bis minus6Grad zurück.

Der Wind weht schwach bismäßig

ausOst. Morgen machenWolkenfel-

der der Sonne nur seltenihrenPlatz

am Himmel streitig. Dabei klettern

die Höchsttemperaturen auf8bis

13 Grad, undderWind weht schwach

bis mäßigaus Ost.

Deutschland:

Donnerstag

Witten berge

Cottbus

-4°/9°

BERLIN

-2°/8° Frankfurt(Oder)

Prenzlau

-4°/6°

-5°/9°

-4°/8°

Heute scheint verbreitet dieSonne,teilweise begleitet von einigenWol-
ken.Die Höchstwerte kletternauf 6bis 9Grad,und derWindweht
schwachbis mäßig aus Ost. In derNacht begleiten nurselten dünneWol-
ken die Sterne, und dieTemperaturensind bei minus4Gradanzutreffen.

Freitag

-1°/10°4°/15° 7°/17°

Sonnabend

Mondphasen: 01.04. 08.04. 14.04. 23.04. Sonnenaufgang: Sonnenuntergang: Mondaufgang: Monduntergang:

Rügen

Rostock -2°/8°

-3°/8°

Hamburg

-3°/9°

Sylt

-4°/10°

Dresden

-3°/8°

Köln

-2°/13°

Hannover

-3°/9° Magdebu-5°/8°rg

Erfurt

-6°/7°

Frankfurt/Main

Saarbrücken -4°/12°

-3°/9° Nürnberg-4°/9°

Stuttgart

-4°/9°

München

-4°/6°

Konstanz

-4°/9°

Las Palmas

18°

Oslo

13°

Dublin

Reykjavik

12°

London

13°

Kopenhagen

7°

Stockholm

12°

St. Petersburg

11°

Moskau

9°

4°

Berlin

8°

Paris

11°

Bordeaux

16°

Lissabon

20°

Madrid

18°

Nizza

12°

Palma

15°

Mailand

10°

Rom

12°

Palermo

Algier 8°

12°

Tunis

10°

Athen

15°

Iraklio

16°

Antalya

22°

Ankara

16°

Istanbul

10°

Varna

6°

Dubrovnik

13°

Warschau

7°

Wien

7° Budapest

7°

Odessa

9°

Wilna

9°

Kiew

7°

Archangelsk

4°

Oulu

6°

Kiruna

2°

Trondheim

5°

Acapulco 32° sonnig

Bali25° Gewitter

Bangkok 34 °heiter

Barbados27° wolkig

Buenos Aires 26° Schauer

Casablanca 19 °wolkig

Chicago 17 °wolkig

Dakar26° heiter

Dubai25° heiter

Hongkong 24° bewölkt

Jerusalem 16 °sonnig

Johannesburg29° wolkig

Kairo24° heiter

Kapstadt 25° wolkig

Los Angeles 15° wolkig

Manila 33 °sonnig

Miami32° heiter

Nairobi 29 °heiter

Neu Delhi36° heiter

New York 9° bedeckt

Peking 24 °sonnig

Perth 34 °wolkig

Phuket 35 °heiter

Rio deJaneiro 28°heiter

San Francisco12° Schauer

SantoDomingo28° heiter

Seychellen 30° wolkig

Singapur 34° wolkig

Sydney 25 °Schauer

Tokio 15 °wolkig

Toronto 9° wolkig

Brandenburg

-4°/9°

Luckenwalde

-5°/9°

05:56 Uhr

GefühlteTemperatur:maximal8Grad.

Wind:schwachaus Ost.

heiter bedeckt starkbewölkt

Min./Max.

des 24h-Tages

Ein kräftigesTiefist für teilsstarke Regenfälle vonTunesienüberSizilienbis Ka-

labrien verantwortlich. Ein HochüberWeißrussland lenkttrockene und kalte Luft

zu unsund sorgt tagsüberfür vielSonnenschein, nachtsgibt es oftmäßigen

Frost. AtlantischeTiefs ziehen überNorwegen nordostwärts.

18:29 Uhr 06:48 Uhr19:33 Uhr

Ostsee:

Nordsee:

Mittelmeer:

Ost-Atlantik:

4°-6°

5°-7°

11°-20°

10°-15°

Meerestemperaturen:

Bluthochdruck
Kopfschmerzen
Schlafstörungen
Rheumaschmerzen
Atemwegsbeschwerden

schwach

schwach

schwach

schwach

schwach

Pappel
Weide
Erle
Esche

mäßig

mäßig

mäßig

mäßig

Biowetter:

Pollenflug:

Belastung

VomOlympia-BoomindieWirtschaftskrise

VonFelix Lill,Tokio

E

inJahrspätersolldasRiesenspek-
takel nun beginnen.Olympia in
Japan in Tokio wir dwegen derCo-
rona-Kriseverschoben, aufSommer

2021. Undwarum kam dieserEnt-
      schlusssospät?DieAntwortistbanal:
      Daspolitische,ökonomische und fi-
      nanzielleKapital,dasinJapaneinge-
      setztwordenwar,schienlangeZeitzu
      hoch,umdieSpieleabsagenzukön-
      nen.SeitseinemAmtsantrittalsPre-
      mierministerEnde 2012 hatShinzo
      Abedamit geworben,Olympia nach
      Japanzuholenunddamiteineneue
      ÄradesLandeseinzuläuten.AufJahre
      der ökonomischenStagnation sollte
      neuesWachstumfolgen,angetrieben
      durchmoderneInfrastrukturundei-

nenSchubderInternationalisierung.

Abemachte dieOlympischenSpiele

zum Fernziel seinerWirtschaftspoli-

tik. Eine Kombination aus höheren

Staatsausgaben, einer noch lockere-

renGeldpolitiksowiewachstumsför-

derndenStrukturreformen sollte in

der drittgrößtenVolkswirtschaft der

Welt eine neueBoomäraauslösen.

Doch nach einer anfänglichenEu-

phoriewelle kam dieSache bald ins

Stocken. DieWachstumszahlen un-

terscheiden sich mittlerweile kaum

nochvondenJahren vorAbesAmts-

antritt.

Nundroht sogar eineRezession.

Imvierten Quartal2019führteneine

Mehrwertsteuererhöhungvonacht

aufzehnProz entsowiederSchaden

durchdenTaifunHagibisdazu,dass

Japan

die japanischeWirtschaft um gut

sechs Proz ent schrumpfte.Ange-

sichtsderEinschränkungendesöko-

nomischenLebens,diedieKriseum

Covid-19nunseitWochenerfordert,

ist damit zurechnen, dass auch das

erste Quartal diesesJahres einen

Rückgangverzeichnen wird.So ist

wahrscheinlich,dassJapanim Som-

mer 2020, wenn Premierminister

AbeeigentlichdenHöhepunkteines

olympiabefeuerten Booms feiern

wollte,ine inerakutenKrisestecken

wird.

DabeigehörteineRezessionnoch

zu den geringeren Problemen.

Würde OlympiakomplettinsWasser

fallen, was nach wievormöglich

scheint,soschätztdieGroßbankSu-

mitomoMitsui auf eineReduktion

des jährlichen Wirtschaftswachs-

tums um 1,4Proz entpunkte.Beim

ohnehinehergeringenWachstums-

potenzial Japans könnte dies auf

eineJahresnullhinauslaufen.Unter-

nehmenserlösefielenderSchätzung

zufolgeimVergleichzumVorjahrso-

gar um 24,4Proz ent. Doch selbst

wenn die OlympischenSpiele trotz

allem wie geplant stattfinden,redu-

ziertsichdas Wachstumfür2020laut

SumitomoMitsui immer noch um

0,9Proz entpunkte.

Vorallem das derzeitige Ausblei-

ben vonTourismus fällt schwer ins

Gewicht. Eine weitereSchätzung

gehtschonbeiderVerschiebungder

Spiele vonKosten in Höhevonum-

gerechnet 5,8Milliarden US-Dollar

aus.Diverse japanischeHotelketten

haben schon ihreErlösprognosen

gesenkt,Reiseunternehmen erwar-

tennun Ausfälle,diesichaufdenGe-

genwer tfasteinesganzenJahresbe-

laufen könnten. Für 2020 hatJapan

eigentlich denRekordwer tvon 40

Millionen Touristen aus demAus-

landangepeilt.

Doch dieProbleme enden auch

hiernicht.WiekeineOlympiaauflage

zuvorhates„Tokyo2020“geschafft,

Sponsorengeld aus der Wirtschaft

einzuspielen.Insgesam tdreiMilliar-

den US-Dollar haben gut 60 japani-

scheUnternehmenerstenRangesin

den Topf geworfen.Dasist knapp

dreimal so viel, wie es 2012 London

gelungenwar.DenSponsorenistim

Gegenzug garantiertworden, sie

würdenimGlanzvonOlympiastrah-

len. Es könntenKontakte zu neuen

Märkten entstehen, zumindest aber

großeinternationaleSichtb arkeit.

UndwenndiesesEventnundeut-

lich verspätet stattfindet?Erhalten

dieSponsoreneinenTeilihrer Gaben

zurückerstattet?Esisteinevonmeh-

rere nFragen, die derzeit niemand

derOffiziellenbeantwortenmöchte.

AuchimBezuga ufden Versiche-

rungsfall gibt es kaum Antworten.

DieUS-amerikanischeInvestment-

bank Jefferiesschätzt,dassrundum

die Tokioter Spiele insgesamtVersi-

cherungenimWertvonzweiMilliar-

den US-Dollar aufgenommen wur-

den. Aber wergegen einenAusfall

oder eine Verschiebung desEvents

durch einePandemie versichertist,

darüberherrschtSchweigen.