Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1

Prüflinge haben dieWahl


Hessen hat sichfür eine ungewöhnli-
cheLösung für die Durchführung ju-
ristischer PrüfungeninZeitenderCo-
rona-Krise entschieden: In dem Bun-
deslandkönnen dieKandidaten frei
wählen, ob sie zu ihrer mündlichen
Prüfung im erstenoder zweiten Exa-
men antreten wollen oder nicht, wie
die juristische Internetplattform„Le-
galTribune Online“vermeldet. Wer
abspringen will,kann das bis zum
Mittag desVortags der Prüfung tun,
indem er eine entsprechende Erklä-
rung gegenüber dem Justizprüfungs-
amt abgibt.Nachgeholt werdedann
zu einem späterenTermin, der noch
nicht feststeht.Die Regelung gilt für
alle Kandidaten im ersten Examen,
die nochbis Ende April 2020geladen
werden. Viele andereBundesländer
haben dagegen die Prüfungen für die
juristischen Examen grundsätzlich
abgesagt.cbu.


Weinhändlerdarföffnen


Wein is tein Lebensmittel und darf
trotzumfassender Ladenschließun-
geninder Corona-Kriseweiter ver-
kauftwerden. Dashatdas Verwal-
tungsgerichtAachen am Montag in
einemEilverfahrenentschieden. Der
vonder Schließung betroffene Wein-
händler darf damit wiederöffnen.
Wegender um fangreiche nAusgangs-
beschränkun genmussten vieleLä-
denschließen.Vorallem Supermärk-
te und Geschäfte,dienotwendigeLe-
bensmittelführen, dürfenjedochwei-
terhin geöffne tbleiben .NachAuffas-
sungdesGerichtsseiderBegriff„Le-
bensmittel“weit zu verstehen und
sei ni chtauf dieunbedingtnotwendi-
ge Grundversorgungbeschränkt.
Das Ziel,die Verbreitung derPande-
mie einzudämmen, könneauch
durch strengeHygienemaßnahmen
errei chtwerden, argumentieren die
Richter in ihrer Entscheidung. (Az.:
7L259/20).cbu.


M


illionenvonBetrieben müssen
in der Corona-Krise schließen:
Große Schuhläden, kleine
Spielzeuggeschäfte,das Caf éander Ec ke
–die Umsatzeinbußengehen schon nach
wenigen Wochen in die Milliarden. Müs-
sensiejetzt dieganzeLasttragen,auc hfi-
nanziell, damit die Allgemeinheit ge-
schütztwerden kann? Juristenhaben dar-
an Zweifel, immer mehr Anwälteraten
Unternehmen deshalb, ihreEntschädi-
gungsansprüchegegenüber derKommu-
ne anzumelden, die die Schließung ange-
ordne that.
Als Basis dafür dient das Infektions-
schutzgesetz (IfSG), ein bisvorkurzem
völlig inVergessenheitgeratenes Regel-
werk,das dur ch die Corona-Krise inzwi-
schen selbstNicht-Juristenein Begriff
sein dürfte. Schließlichstützt sichder
Staat mit seinen umfassenden Corona-
Verord nungen darauf, auchimHinblick
aufdieinihremAusmaßwohleinmaligen
Betriebsschließungen. „Der Betroffene
darfnicht auf dem Schaden sitzenblei-
ben, der ihm dadurch entsteht, dasser
zum Schutz der Allgemeinheit seinen Be-
trieb schließen muss“, sagteetwader Ber-
liner Rechtsanwalt Nik oHärting, der mit
seinerKanzlei schon seit Beginn der Kri-
se eineTelefonhotline fürUnternehmen
anbietet.
Hintergrund dieser Überlegung sind
die unzulänglichenReglungen im IfSG,
diesic hinderVergangenheit nurseltenei-
nem Praxistest unterziehen mussten.
Schnellstelltesichheraus: An die Coro-
na-Krise mussten sie schon angepasst
werden, der Gesetzgeber hat sie erst
EndeMärzgeändert.Abernoc himmerge-
ben dieRegelungenRaum für Interpreta-
tionen. Imkonkreten Fall liegt das daran,
dassdas Gesetz zwar fürTätigkeitsverbo-
te einen klarenRahmen definiert. Wer
sichalsomitdemgefährlichen Corona-Vi-
rusanges teckt,da rfnicht mehr arbeiten –
ob als Ärztin, Krankenpfleger oder auch
Verkäuferin. Dafür wirderentschädigt,
das sieht§56IfSG ausdrücklichvor.
Vonallgemeinen Betriebsschließungen
ohnekonkreteEinzelfallprüfung istin
dem Gesetz allerdings nicht ausdrücklich

die Rede. „DerStaat darfGrundrechte
wie die BerufsfreiheitvonUnternehmern
ohne zulässigeErmächtigungsgrundlage
nicht beschneiden“, sagt Härting.Auch
Entschädigungszahlungen für dieseFälle
sind nicht ausdrücklichimIfSG genannt.
Anwältegehen daher davonaus, dasses
nur gerechtwäre, wenn die bestehenden
Regeln für dieTätigkeitsverbote vonbe-
trof fenen Personen erst Rechtfür Unter-
nehmergelten würden, die sichmit der
Krankheitgarnicht er st anges teckthaben
–und trotzdemvondem faktischen Be-
rufsverbotbetroffensind.Schließlichleis-
tensiehie rmiteinSonderopferfürdieGe-
meinschaft.
AuchRechtsanwalt Martin Asalvon
der Stuttgar terKanzlei Thümmel, Schüt-
ze &Partner sieht hier die Lastenunge-
recht verteilt, waserfür „verfassungs-
rechtli ch nicht akzeptabel“ hält.„Es läs st
sichwohl kaum rechtfertigen, dass§
lfSG einemTräger eines Krankheitserre-
gers einen Anspruchauf Entschädigung
einräumt,wenn ihm seine Erwerbstätig-

keit untersagt wird, nicht aber dem Ge-
werbetreibenden, dessen Betrieb ge-
schlossen wird.“
Ob die Gerichtedem folgen, müssen
künftig eEntscheidungen zeigen. Sicher
istschon jetzt:Die Frageder Entschädi-
gung wirdwohl zu einer der umstrittens-
tenrechtlichenFragenin derCorona-Kri-
sen überhaupt, schließlich werden die
Kommunenwohl kaum freiwillig zahlen.
Härting jedenfallsrätbetroffenen Unter-
nehmen schon jetzt dazu, dieVerluste
durch die Betriebsschließungen für den
Monat Märzzuermitteln und bei den Be-
hördengeltend zu machen. Dazu müssen
Unternehmer ihrenUmsatzverlustschät-
zen und die erspartenKosten, etwa durch
Wareneinkauf undPersonal davonabzu-
ziehen. In jedemFall müsse schnellge-
handeltwerden, sagt auchJoachim Hund
vonHagen, Anwalt vonder Kanzlei
Aclanz.„DasGesetzsiehtvor,dassAnträ-
ge auf Entschädigung innerhalb einer
Fristvon drei Monaten nachEinstellung
der verbotenen Tätigkeit zustellen sind.“

mj. KÖLN.Inder Krise mussnachvor-
ne gedacht werden. Viele Juristenma-
chen sic hGedanken, wie dieRechts ab-
teilungen in denUnternehmen, aber
auchdie Justiz selbst, nachder wochen-
langen Heimarbeit wieder in den nor-
malen Geschäftsbetrieb zurückversetzt
werden kann. Derzeit sei alle Kraftder
Beschäftigten in der Justiz daraufge-
richtet, den Rechtsstaat im Notbetrieb
handlungsfähig zu erhalten, sagt Sven
Rebehn, Bundesgeschäftsführer im
Deutschen Richterbund (DRB) der
F.A.Z. „Dasgelingtbishergut,insbeson-
dereindringendenStrafsachen und in
Eilverfahren bleibt ein schneller,effek-
tiver Rechtsschutzgewährleist et.Vonei-
nem Stillstand derRechtspflegekann
keine Rede sein.“
An den Landesarbeitsgericht haben
einigeRichter das Heftindie Handge-
nommen. Zusammen mit Ingrid
Schmidt, der Präsidentin des Bundesar-
beitsgericht (BAG), haben sie sichvor-
vergangeneWocheauf ein Eckpunkte-
papierverständigt, das Bundesarbeits-
ministerHubertus Heil (SPD) als Im-
puls dienen soll (F.A.Z.vom3.April).
Aufgrund der sichabzeichnendenRe-
zessionderWirtschaf trechne tdie Rich-
terschaftmit einem starkenAnstieg
vonKündigungsschutzklagenvonMit-
arbeiterninder Eingangsinstanz. Auch
Rebehn bestätigt, dassnachdem Aus-
laufen der Kontaktbeschränkungen
eineWellevonVerfahrenauf dievieler-
orts ohnehin unterbesetzteJustiz zu-
kommenwerde,weilin derCorona-Kri-
se die meistenVerfahren pausieren.
Deutlichmehr Verfahren, abervoral-
lemdeutlichmehr Menschen–dassteht
im völligen Gegensatz zu denVorgaben,
auchkünftig Neuinfektionenindenhäu-
figkleinenVerhandlungszimmernder
Arbeitsgerichtezuvermeiden.Diesen
Konflik twollendie BAG-Präsidentin
Schmidt und ihreMitstreiter lösen, in
dem die Arbeitsrichterkünftig viaVi-
deo-SchaltenachVorbildvon§128aZi-
vilprozessordnungmündlichverhan-
deln, unterAusschlussder Öf fentlich-

keit.Allerdings müsstedafür das Ar-
beitsgerichtsgesetz geändert werden.
In der Anwaltschaftist dieserVor-
stoß größtenteils positiv aufgenom-
men worden. Interessanterweise stel-
len Wirtschaftsanwälte nicht nur auf
den Infektionsschutz ab. Sie argumen-
tieren auch, dasssichdamit dieVerfah-
rendeutlich effizientersteuernlassen.
In einem Gastbeitrag für den Deut-
schen Anwaltverein (DAV)spricht sich
derKölner Rechtsprofessor Hanns Prüt-
ting dafüraus, dassdie Gerichten ihre
eigenen Gestaltungsmöglichkeiten für
die Verfahren, wie§128 aZPO im
Auge behalten.
Kritikkommt wiederumvomRich-
terbund. Die Corona-Krisewerfeauch
ein Schlaglicht auf dieLücken der IT-
AusstattungderGerichte, aufdieKapa-
zitätsgrenzen der Datennetze und auf
dieProblemeim elektronischenRechts-
verkehr,erklärtRebehn. Diegesetzli-
chen Rege lungen für Videoübertragun-
geninZivilprozessenzumBeispiel füh-
renbisher eherein Nischendasein,
auchweil es in vielen Gerichtssälen
nochander er forderlichenTechnik
fehlt.„Ein generelles Ausweichen auf
Online-Verhandlungenwäre kurzfris-
tig alsokaum umsetzbar“,sagt der
DRB-Geschäftsführer.
Ein weiteres ProblemvonVideokon-
ferenzen istder weitgehende Aus-
schlus sder Öf fentlichkeit.Arbeitneh-
mervertretersehen darin eineVerlet-
zung vonVerfahrensgrundsätzen.
Denn sowohl die Grundrechtecharta
der EU als auchArtikel 6Ider Europäi-
schen Menschenrechtskonvention se-
hen einfaires Verfahren und eine öf-
fentlicheUrteilsver kündungvor. Eine
Ausnahme, wieetwa im Jugendstraf-
recht,wirdesimArbeitsrecht nichtge-
ben. Die Initiativehat diese Kritik of-
fenbar vorausgeahnt.Nachdem Eck-
punktepapier soll der Eingriff in die
grundlegendenVerfahrensrechte,insbe-
sondereden Grundsatz der Öffentlich-
keit auf dievoraussichtliche Dauer des
derzeitigen Infektionsgeschehens zeit-
lichbegrenzt werden.

RECHTUND STEUERN


K


ein Land in Europa hat ein so
großzügigesKurzarbeiter-Sys-
temwie Frankreich–so rühmt
sichdie Regierung inParisseit
mehrerenTagen. In derTaterhalten die
UnternehmenvomStaat derzeit so viel
Geld wie nie, damit sie ihreMitarbeiter
nicht entlassen müssen. Die seitwenigen
Wochen geltendeRegelungsiehtvor, dass
Arbeitnehmer imFall einervollständigen
Einstellung der Arbeit noch im Durch-
schnitt 84 Prozent ihresNettolohnes er-
halten. In Deutschland sind es derzeit 60
Prozent (oder 67 Prozent für Arbeitneh-
mer mit einem Kind).Rund fünf Millio-
nen Personen in 470 000Unternehmen
beziehen inFrankreichheuteKurzarbei-
tergeld, berichteteeine Sprecherin des
französischen Arbeitsministeriums am
Dienstag. Das istjeder vierte Beschäftig-
teinderPrivatwirtschaft. AlsGesamtkos-
tensind derzeitrund 11 Milliarden Euro
budgetiert, dochobder Rahmenreicht,
wirdvon der Längeder Ausgangssperre
abhängen.„Wir wollen sicherstellen, dass
die Unternehmen nachder Krise schnell
den Neustart schaf fen“, sagtedie Arbeits-
ministerinMuriel Pénicaud.
Allerdings musstedie Ministerinkürz-
lichauchauf die Spielregeln unddie mög-
lichen Sanktionen für Missbrauchhinwei-
sen. Denn es häufen sichdie Berichte,
nachdenen dieUnternehmenMitarbeiter
weiterarbeiten lassen und dennochKurz-
arbeitergeld kassieren. Teilweise istes
aucheine Gratwanderung,wo genau die
Linie verläuft, wenn etwa ein Arbeitneh-
mer inKurzarbeit die E-Mail einesKun-
den vonzuhause aus beantwortet. Nach
französischen Medienberichten kommt
es jedochimmer wieder zuFällen, in de-
nen Arbeitgebervonihren Beschäftigten
zu 100 Prozent Heimarbeitverlangen, ob-
wohl sieKurzarbeitergeld erhalten. An-
dernfallskönne dasUnternehmen nicht
überleben, lautet die Begründung.
Wererwischt wird, hat mit schweren
Konsequenzen zurechnen. DieStrafen
können bis zu zwei Jahren Gefängnis und
einer Geldstrafevon 30 000 Eurofür den
Unternehmenschefreichen. Das betroffe-
ne Unternehmenkann bis zu fünf Jahre
vonjeglicher öffentlichen Hilfeausge-

schlossenwerden. In den kommenden
Wochen werdedie Arbeitsinspektion ihre
Prüfungen ausweiten,kündigtedie Ar-
beitsministerinan. Den Beschäftigten in
Kurzarbeit istmit einer Sondererlaubnis
der Regierung derzeit nur erlaubt,gleich-
zeitig als Erntehelfer zu arbeiten, denn
die Landwirtschaftsucht händeringend
Personal. Ansonstenkann dasKurzarbei-
tergeld auchstufen weise an den Arbeits-
bedarfangepasst werden, sodassdie Ar-
beitszeit nichtganz auf nullgesenkt wer-
den muss, betont das Arbeitsministerium.
Das Kurzarbeitergeld is tauchdeswe-
genverloc kend, weil es vonmanchenUn-
ternehmen auf 100 Prozent des früheren
Lohnes aufgestocktwird. Als Anreizwer-
den ihnen dafür Sozialabgaben undSteu-
ernteilweise erlassen.FürBezieher des
staatlichvorgeschriebenen Mindestloh-
nes vonrund 1540 EurobruttoimMonat
ersetzt derStaat ohnehin 100 Prozent des

Gehalts. Die Obergrenze hat er auf das
4,5-fache des Mindestlohnes ausgeweitet.
Frankreich hat sichbei der Ausweitung
seinesKurzarbeiter-Systems an den gu-
tenErfahrungenin Deutschlandwährend
der Finanzkrise 2009 orientiert. „Damals
nahmen in Deutschland fünfmal mehr
Menschen dasKurzarbeitergeld in An-
spruc hals in Frankreich“, heißt es inPa-
ris. Die französischen Bedingungenwa-
renfrüher enggefasst, sie galten als büro-
kratisch,orientiertensichanderBetriebs-
größe und schlossengrößereBerufsg rup-
pen aus,etwa Dienstleisterinden Haus-
halten wie Putzkräfte oder Kinderbetreu-
er.Vor allemgroße Unternehmen nah-
men sie in Anspruch. Allerdings hatte
Deutschland laut einerStudie des franzö-
sischen Finanzministeriums zwischen
den Jahren 2007 und 2010 auchAusga-
ben von9,5 Milliarden Euro–gegenüber
1,1 Milliarden EuroinFrankreich.

Viele Läden müssen schließen:Bekommen sie eine Entschädigung? Fotodpa

Missbrauch?Esheißt Kurzarbeit, doches isteigentlichHeimarbeit. FotoBloomberg

Kommtdie Entschädigungswelle?


Juris tenhalten Betriebsschließungenfür verfassungswidrig–weil keine


Entschädigungenvorgesehen sind.VonCorinna Budras,Frankfurt


ProzesseimInternet


Die Pandemie zwingtzur Online-Hauptverhandlung,


dochdie Gerichtesinddarauf kaum vorbereitet


Auch FrankreichkannKurzarbeit


pwe. TOKIO. AusFurchtvor einerex-
plosionsartigenAusbreitung desVirus
in Japan hat Ministerpräsident Shinzo
AbeamDienstagfürdieGroßstädteTo-
kiound Osakaund fünfweiter ePräfek-
turen denNotstand erklärt. Das Kabi-
nettbeschlosszugleicheinKonjunktur-
prog ramm über 108 BillionenYen(
Milliarden Euro), um den erwarteten
Wirtschaftseinbruchabzumildern. Das
Konjunkturprogramm entsprichtetwa
20 Prozent der jährlichenWirtschafts-
leistung und istdamit weit größer als
Prog ramme in Amerikamit 11 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder
in Deutschland mit,gemessen am Bun-
deshaushalt,etwa 4Prozent des BIP.
AbestelltedenDoppelschlagaus Not-
stand undKonjunkturprogramm in den
großen historischen Zusammenhang.
„Das Einzige,waswir zu fürchten ha-
ben, is tdie Furchtselbst“, zitierte er
denamerikanischenPräsidentenFrank-
lin D. Roosevelt.Erwar mit schuldenfi-
nanziertenStaatsausgabengegendie
damaligeDepression in denVereinig-
tenStaaten angegangen.
Der große Umfang des japanischen
Prog ramms schrumpftbeim Blickauf
die Details. An direktenStaatsausga-
ben sind 39,5 BillionenYengeplant
oder 7,5 Prozent des BIP.Indie Ankün-
digung eingerechnetsind Programme
eines im Dezember beschlossenenZu-
satzbudgets.Da sFinanzministeriumbe-
reitet einenweiteren Nach tragshaus-
haltmitneuenSchuldenvon16,8Billio-
nen Yen(142 Milliarden Euro)vor.

Mit demNotprog ramm stellt dieRe-
gierung6BillionenYenalsfinanzielle
SoforthilfefürHaushalteundkleineUn-
ternehmen bereit.Haushalte, deren
Einkommenstarkgesunken ist, erhal-
ten300 000Yen(2540 Euro).Um einen
drastischen Anstieg der Arbeitslosig-
keit zu vermeiden, wirddie Regierung
einbestehendesProgrammbisJunifort-
schreiben,wonachUnternehmenPerso-
nalkostensubventioniertbekommen,
wenn sie Mitarbeiter nicht entlassen.
Bei kleinenUnternehmen beträgt der
Zuschus sbis 90 Prozent derKosten, bei
großen Unternehmen bis 75 Prozent.
Eine finanzielle Erleichterung im
Wertvon26BillionenYen(220 Milliar-
den Euro)gewährtdie Regierung den
Unternehmen, indem sie dieZahlung
vonSteuernund Sozialabgaben für ein
Jahr stundet. In Absprache mit privaten
Bankenrichtete die Regierung zudem
einenRahmen ein, in demUnterneh-
men zinslose Krediteerhalten können.
Für die Zeit nac hdem Abklingen der
Pandemieverspricht dieRegierung mo-
natelangeUnter stützung fürTourismus
und Gastronomie.
Als Teil desKonjunkturprogramms
wirddie Regierung zudem Geld bereit-
stellen, um eine nationaleReserve von
2Millionen Einheiten des Grippemit-
tels Avigan des HerstellersFujifilm auf-
zubauen, dasPotential auchals Mittel
gegendas neuartigeCoronavirusver-
spricht.Japan hat klinischeTestsmit
Avigan begonnen. Auch Deutschland
hat Interesse an dem Medikament.

rit. ZÜRICH.Vonden einschneidenden
Maßnahmenzur Bekämpfung der Coro-
na-Pandemie sindrund um den Globus
direkt und indirekt 2,7 Milliarden Ar-
beitskräfte betrof fen. Das entspricht 81
Prozent dergesamten arbeitenden Be-
völkerung auf derWelt.Dies hat die In-
ternationale Arbeitsorganisation (ILO)
der Vereinten Nationen ermittelt.
IneineramDienstagvorgelegtenStu-
die kommt sie zu dem Schluss, dass
zum Ende dieses Jahres deutlichmehr
Menschen arbeitslos seinwerden als
bisher angenommen.VorzweiWochen
hattedie in Genf ansässigeILO ge-
schätzt, dassdie Zahl der Arbeitslosen
um 25 Millionensteigenwerde. Von
den „verheerenden Produktionsausfäl-
len“und„katastrophalenVerlu sten“sei-
en vorallem die vielen kleinenUnter-

nehmen betroffen, in denen Millionen
Menschen arbeiteten, die insbesondere
in Entwicklungsländernkeinerlei Sozi-
alversicherungsschutz hätten.
DieILO-Fachleuteschätzen, dassdie
Zahl dergeleistete nArbeitsstunden im
zweiten Quartal2020 um 6,7 Prozent
sinken dürfte. AufBasis einer 40-Stun-
den-WocheentsprechediesderArbeits-
zeit von230 Millionen Beschäftigten.
Am stärkstenvon der Corona-Krise be-
trof fenseien das Gastgewerbe, das
Handwerk, Groß- und Einzelhandel so-
wie Autowerkstätten. Die ILOplädiert
dafür,neben den allgemeinen Maßnah-
men zurStimulierung derWirtschaft
undzurStützungvonUnternehmenvor
allem dortgezielt zu helfen,wo viel in-
formellgearbeitetwird–alsoinLän-
dernwie Indien, Brasilien und Nigeria.

tp. ROM. Rund400 Milliarden Euro
Kreditvolumenverspricht ItaliensRe-
gierung denUnternehmenmit einem
Hilfsprogramm,dasnachlangeninter-
nen Streitigkeiten am Montagkurz
vorMitternacht beschlossen wurde.
Grundsätzlichsteht im Mittelpunkt
aber nicht das Kreditvolumen, son-
derndie Methode derVergabe von
Krediten.
SchonMitteMärzhatteItalieninei-
nem Gesetzesdekret eine Garantie
fürUnternehmenskrediteundeinKre-
ditvolumenvon340 Milliarden Euro
versprochen, dochsind bislang offen-
bar nurwenigeKredite vergeben wor-
den. DerUmstand, dassdie staatli-
chen Garantiennurfür90Prozentder
Kreditsummegelten sollen,führte bei
den BankenzulangwierigenVerfah-
renfür die Vergabe vonKrediten. Die
Unternehmerverbände beschweren
sichdarüber, dassnachgroßenWor-
tenalles in der Bürokratiefestgefah-
rensei.
Nunsoll es einfacher und schneller
gehen: In derKommunikation derRe-
gierunggegenüber den Medien heißt
es,das skleineUnternehmenbismaxi-
mal 499 Beschäftigten eine Garantie
von100 Prozent derÜberbrüc kungs-
kredit ebekommenkönnten.Diemaxi-
male Summe sei 25 Prozent desUm-
satzes des Jahres2019 oder der dop-
pelteBetragder Personalkosten. Un-
ternehmen mit 500 bis 5000 Mitarbei-
tern und einemUmsatz vonbis zu 1,
Milliarden Eurosollen bis zu 90 Pro-
zent desÜbergangskreditsgarantiert
bekommen.FürnochgrößereUnter-
nehmenverringert sichdas Garantie-
volumen auf 80 und 70 Prozent.Ein
Extrakapitel sind zudemAusfuhrerlö-
se, die zu 90 Prozentvomitalieni-
schen Staat und zu 10 Prozentvonder
ExportkreditversicherungSacegaran-
tiertwerden sollen.
Um dieZuständigkeitenfürdieKre-
ditver gabe tobtetagelang eine heftige
Debatteinder Regierungskoalition.
Der frühereChef derFünf-Sterne-Be-
wegungundnunmehrigeAußenminis-
ter, Luigi Di Maio,reklamiert für sich
die Herrschaftüber die Exportkredit-
versicherung Sace. Dochdiese soll
nun fachlichder Aufsicht des demo-
kratischenSchatz- undFinanzminis-
ters Roberto Gualtieriunter stehen.
Zudem gibt es einen Machtkampf um
die Zukunftsperspektiven. DieFünf
Sternewollen aus der Cassa Depositi
ePrestiti, eine Behörde ähnlichder
deutschen Kreditanstalt fürWieder-
aufbau (KfW), eine neueStaatshol-
ding machen. Die Mitte-linksorien-
tierten, pragmatischeren Demokra-
tenwie Gualtieristellen dieFinanzie-
rung der privatenWirtschaf tinden
Vordergrund.


915 Milliarden Euro


gegendie Rezession


JapansNotstandspläne und ihreFinanzierung


Das Virusals Jobkiller


Weltweit 81 Prozent derArbeitskräfte betrof fen


Italiengeht in


die Vollen


Nach den Erfahrungen


der Finanzkrise istdas


System großzügiger


denn je. Allerdings


mehrtsichMissbrauch.


VonChristian Schubert,


Paris


SEITE 18·MITTWOCH,8.APRIL 2020·NR.84 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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