Karriere
WOCHENENDE 27./28./29. MÄRZ 2020, NR. 62
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Hofmann: „Der Moderator sieht, ob die Kollegen
skeptisch schauen oder jemand durch die Kör-
perhaltung andeutet, etwas sagen zu wollen.“ Te-
lefonate seien besser geeignet in kleinen Teams,
die sich gut kennen und nur schnell etwas ab-
stimmen müssen.
Vor allem bei emotionalen, konfliktbeladenen
oder vertraulichen Gesprächen raten Experten
dazu, sich persönlich zu treffen. Nur eben in die-
sen Tagen nicht. „Das persönliche Gespräch ist
nicht zu ersetzen“, sagt auch Auth0-Chef Pace.
Zur jährlichen Zusammenkunft der Mitarbeiter
würden sich deshalb alle eine Woche lang tref-
fen, um sich einmal gründlich auszutauschen.
Schlüsselfunktion
Moderator
Für Unternehmer Pace be-
ginnt das Videomeeting
schon, bevor die Webcam
angeht. Er verschickt die
Agenda, liefert eine Technik -
anleitung, stellt klar, zu wel-
chen Punkten eine Entschei-
dung getroffen werden
muss. Für Experten ist das
ein Vorgehen nach Lehr-
buch. Gerade bei virtuellen
Treffen sei der Moderator in
einer wichtigen Schlüsselpo-
sition, sagt Vortragstrainerin
Nicole Krieger, die die Mode-
ratorenschule Baden-Würt-
temberg leitet. Sie rät Mana-
gern dazu, klare Verhaltens-
regeln aufzustellen: sich kurzfassen, nicht
reinreden, sich auf das Meeting fokussieren. Und:
Das Meeting wird unterbrochen, wenn sich etwa
jemand ein Glas Wasser holt. „Das erhöht den so-
zialen Druck und zwingt die Teilnehmer zur Dis-
ziplin“, weiß Krieger.
Was in diesen Zeiten besonders wichtig ist: ein
informeller Austausch zu Beginn des Treffens,
schließlich entfällt der wichtige Plausch in der
Teeküche. In der eigentlichen Besprechung dage-
gen sollte der Moderator klar steuern, etwa Viel-
sprecher in die Schranken weisen und sie elegant
in ihren Sprechpausen unterbrechen – „am bes-
ten dabei namentlich ansprechen“, rät Krieger.
„Das wirkt wie ein Achtungszeichen.“ Zudem
empfiehlt die Moderatorin, die introvertierten
Mitarbeiter aktiv anzusprechen, um alle Teilneh-
mer einzubinden. Bei Audiokonferenzen macht
es Sinn, seinen Wortbeitrag mit dem eigenen Na-
men zu starten. Das erspart Missverständnisse.
Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, explizit um
eine Bestätigung zu bitten. Ist der Auftrag klar an-
gekommen? Und zum Schluss lohnt eine Reflexi-
onsrunde: Wie lief es heute? Was sollten wir
beim nächsten Mal anders machen? Das dauert
drei Minuten, verbessert aber das Folgemeeting.
In ihren Studien stellte Forscherin Hofmann
wiederholt fest, dass für viele Teilnehmer eine Vi-
deokonferenz nicht so verbindlich ist wie eine
reale. „Einige nutzen das aus, um später zu kom-
men und früher zu gehen“, kommentiert sie das
Verhalten. Manager müssten klarstellen, dass
Start- und Endzeiten auch bei einem virtuellen
Meeting gelten.
So wird Corona für viele Führungskräfte zur
Bewährungsprobe. Unternehmer Pace sagt: „Ma-
nager müssen lernen, ihrem Team zu vertrauen“
- auch in der Videokonferenz.
Überzeugend rüberkommen
Doch der Erfolg einer Videokonferenz ist nicht
nur allein vom Manager abhängig. Auch die Mit-
arbeiter müssen sich disziplinieren. Die Teilneh-
mer sollten sich fragen: Ist mein Wortbeitrag
wichtig? Kann ich mich kürzerfassen? Sollte ich
eine bestimmte Frage lieber direkt mit einem
Kollegen klären? Zugegeben: Ein virtuelles Mee-
ting ist anstrengender als ein reales. Hinzu
kommt, dass es im Video „viel schwieriger ist zu
überzeugen, weil die Kollegen einen nur zweidi-
mensional in einem kleinen Ausschnitt wahrneh-
men können“, sagt Moderatorin Krieger.
Wer ein paar Regeln beachtet, dem gelingt al-
lerdings auch ein überzeugender Auftritt in der
Videokonferenz. Dazu gehört es auch, den richti-
Bewerbung von zu Hause aus
Vorstellung per Video
P
er Video bekommen Perso-
naler ganz ungewohnte
Einblicke in das Leben ih-
rer Bewerber: In einem Vorstel-
lungsgespräch etwa, daran erin-
nert sich Anja Michael, Personale-
rin beim Softwarehersteller Avira,
stand der Kandidat auf, weil seine
Frau ihn rief. Hatten die Fragestel-
ler bis dato Gesicht und Ausschnit-
te des T-Shirts gesehen, blickten
sie nun auf seine Boxershorts.
Den Job hat er nicht bekommen.
Das Beispiel zeigt: Bei Vorstel-
lungsgesprächen per Video kön-
nen Bewerber in ganz neue Fal-
len tappen. Auch für viele Perso-
naler ist das eine ungewohnte
Situation, wenn die anhaltende
Coronakrise sie zum Einsatz von
Techniklösungen zwingt. Zwar
haben viele Industriekonzerne
derzeit einen Einstellungsstopp,
aber es gibt durchaus Firmen, die
noch rekrutieren – per Video.
Das gilt auch für Avira. Der Soft-
warehersteller führe seit vielen
Jahren zunächst mit jedem Kandi-
daten ein Auswahlgespräch per
Video durch, sagt die globale Per-
sonalchefin Michael. Und urteilt
positiv: „Gerade bei Bewerbern
aus dem Ausland hilft das, einen
ersten Eindruck zu gewinnen.“
Der Flug fällt weg, die Firma
spart Geld, der Kandidat Zeit.
Für die finalen Interviews lädt
Avira dann in einem zweiten
Schritt vielversprechende Bewer-
ber in die Zentrale ein.
Ein Jobinterview per Webcam –
das ist in normalen Zeiten eher die
Ausnahme. In Zeiten von Corona
muss nun aber vielerorts funktio-
nieren, was bei Avira längst er-
probte Praxis ist. Das sei aber
kompliziert, räumt Michael ein.
„Durch die Webcam sehe ich nur
einen Ausschnitt des Bewerbers,
kann seine Mimik schlechter ein-
schätzen und bekomme nicht mit,
wie er aufs Team zugeht.“
Auch für die Jobsuchenden ist es
ungewohnt, sich per Webcam
vorzustellen. Gerade für höher-
rangige Manager sei das exotisch,
sagt der Berliner Bewerbungsex-
perte Jürgen Hesse. „Viele Bewer-
ber sind ohnehin nervös und vor
der Kamera zusätzlich gehemmt.“
Was hilft: sich besonders gut vor-
zubereiten. Dazu zählt auch die
Technik. Laufen die Programme?
Ist das Internet stabil? Funktio-
niert die Webcam? Inhaltlich gelte
das Gleiche wie beim realen Tref-
fen, sagt Hesse: „Bewerber soll-
ten sich überlegen, was sie schon
geleistet haben, was sie der neu-
en Firma bringen können, und sie
sollten deutlich machen, aus wel-
chem Holz sie geschnitzt sind.“
Auf den Punkt kommen
Was im virtuellen Jobinterview
sehr wichtig ist: auf den Punkt zu
kommen. Dazu rät der Kölner
Karrierecoach Bernd Slaghuis
nachdrücklich. „Bewerber ten-
dieren schon im realen Gespräch
dazu, zu sehr ins Erzählen zu
kommen“, sagt er. Slaghuis sieht
aber auch Vorteile: So könnten
sich Kandidaten Notizen zurecht-
legen. Die fallen auf dem Schreib-
tisch liegend eben nicht so auf
wie in einem realen Gespräch.
Um den Bewerbern die zusätzli-
chen Techniksorgen zu nehmen,
versucht Personalerin Michael,
für eine gute Atmosphäre zu sor-
gen: „Wir weisen die Bewerber
vorsorglich darauf hin, dass es zu
technischen Unterbrechungen
kommen kann und sie ihnen
nicht zum Nachteil ausgelegt wer-
den.“ Im Gespräch erwartet die
53-Jährige dann volle Professiona-
lität. Dazu zählen auch Äußerlich-
keiten, etwa dass der Hinter-
grund aufgeräumt, die Kamera
richtig eingerichtet – und der Be-
werber auch angemessen geklei-
det ist. Michael Scheppe
gen Hintergrund zu wählen, etwa vor einem Bü-
cherregal oder einer weißen Wand. Und bitte
aufräumen – das Feierabendbier kann einen fal-
schen Eindruck vermitteln! In manchen Video-
diensten lässt sich auch der Hintergrund un-
scharf einstellen, das schützt vor neugierigen Bli-
cken der Kollegen. Auch wichtig: die Kleidung.
Kleine Karos oder Muster verursachen ein Flim-
mern auf dem Bildschirm. Bei der Beleuchtung
sollte das Licht von vorn strahlen, allenfalls von
der Seite – sonst sitzt der Teilnehmer im Schat-
ten. Dann gilt es, den richtigen Kameraausschnitt
zu wählen. „Je näher man an die Kamera tritt,
desto präsenter wirkt man“, sagt Krieger. Zu nah
wiederum wirkt aufdringlich. Am besten das Bild
so einrichten wie beim „Tagesschau“-Sprecher:
vom Ellbogen bis zum Kopf.
Es ist wichtig, immer in die Kamera zu schau-
en. Denn viele schauen auf den Monitor, obwohl
die Webcam oft oben oder seitlich angebracht ist.
Dann aber fühlen sich die Kollegen nicht ange-
sprochen. So gehört es auch dazu, die Kamera
auf Augenhöhe einzurichten. Was das Sprechen
angeht, sollten sich die Teilnehmer bewusst ma-
chen: klar und deutlich reden. Die Übertragung
verschluckt mitunter einige Silben. Da hilft es zu-
dem, Pausen zwischen Fragen und Antworten zu
setzen. Selbst eine gute technische Verbindung
kann einen kleinen Versatz nicht verhindern. Ab-
zuwarten – das erfordert Disziplin, verhindert
aber, dass Nachfragen und Antworten kollidie-
ren.
Ist nun alles bestens vorbereitet? Selbst dann
kann es im Homeoffice zu Unterbrechungen
kommen: Der Postbote klingelt, der Hund läuft
durchs Bild, das Kleinkind schreit im Nachbar-
zimmer. Jetzt gilt es, möglichst authentisch und
nicht hektisch zu reagieren. Klar ist aber auch:
Solche Störungen gilt es zu vermeiden, etwa in-
dem ein Schild an der Tür zum Arbeitszimmer
aufgehängt wird.
Was bei virtuellen Treffen nicht ausbleibt: tech-
nische Probleme. Wenn das Bild einfriert und
der Ton stockt, sollten sich Mitarbeiter zu Wort
melden. „Störungen haben Vorrang“, sagt Krie-
ger. Hilfreich ist, den Rechner per LAN-Kabel an-
zuschließen, beim WLAN kann die Übertragung
schnell ruckelig werden. Funktionierender Ton
ist übrigens wichtiger als ein gutes Bild. „Das Ge-
hör ist deutlich empfindlicher und intoleranter
als das Auge“, sagt Hofmann. Ihr Ratschlag: ein
separates Mikrofon an den Computer anschlie-
ßen – das mindert die Störgeräusche und sorgt
für besseren Klang.
Peinliche Pannen vermeiden
Zuletzt gilt es, Peinlichkeiten zu vermeiden. Der
Klassiker: Videokonferenzen bieten ungewollte
Einblicke in das digitale Leben der Kollegen. Eine
gute Idee ist, vorher zu schauen, welche Internet-
seiten offen sind und was auf dem Desktop liegt.
Die Bewerbung für den direkten Konkurrenten
könnte für unfreiwillige Gespräche sorgen. Und:
die Stummtaste nutzen, bitte! Das vermeidet
nicht nur nervige Hintergrundgeräusche. Wer
versehentlich vor der ganzen Mannschaft über
den Chef herzieht, braucht sich beim nächsten
Videomeeting erst gar nicht mehr einzuwählen.
Dann bringen auch die besten Ratschläge nichts.
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