Astrid Dörner, Katharina Kort New York
E
s war ein emotionales Interview,
das Bill Ackman vergangene Wo-
che im US-Börsensender CNBC
gab. Der sonst so kühle Hedge-
fonds-Manager wurde persön-
lich. Immer wieder stockte die Stimme des
53-Jährigen, als er über das Coronavirus
sprach: „Jeder glaubt, man habe eine Wahr-
scheinlichkeit von 99 Prozent, dass es für ei-
nen selbst glimpflich ausgeht. Aber es geht
gar nicht um einen selbst. Es geht um die
Leute, die man ansteckt“, betonte der Grün-
der und CEO des Hedgefonds Pershing
Square Capital Management und verwies auf
seinen Vater, dessen Immunsystem ge-
schwächt ist. Er selbst habe sich daher schon
seit Ende Februar in eine freiwillige Quaran-
täne begeben. „Ich werde nicht meinen Vater
umbringen, klar?“
Es war eine herzzerreißende Szene. Aber
was Ackman verschwieg: Mit seinem Per-
shing-Fonds hatte er 27 Millionen Dollar in
Hedging-Instrumente investiert, die auf einen
fallenden Markt setzten. Diese hat er am
Montag mit einem Gewinn von 2,6 Milliarden
Dollar eingelöst. Das teilte Ackman in einem
Schreiben an seine Aktionäre mit. „Es sieht
nach einem verdammt guten Trade aus“,
kommentierte der Händler einer Großbank.
„Ich wette, Bill hat aus vielen Gründen im
Fernsehen geweint. Freudentränen!“
Bereits kurz nach seinem Fernsehauftritt
haben ihn viele kritisiert, weil er mit seinen
Aussagen den ohnehin schon schwachen Ak-
tienmarkt weiter nach unten trieb. „Kann je-
mand bitte Ackman von CNBC wegholen, be-
vor die Leute beginnen, sich von Brücken zu
stürzen?“, ätzte Investor Michael Novogratz
auf Twitter.
Schürte er bewusst Panik?
Auch die Tatsache, dass Ackman den US-Prä-
sidenten auf Twitter vergangene Woche an-
flehte, im Kampf gegen das Coronavirus eine
30-tägige Ausgangssperre zu verhängen, er-
scheint nun in einem anderen Licht. Wollte
er nur Panik schüren, um den Markt noch
stärker zu destabilisieren? Oder warum kauft
er jetzt mit seinem Milliardengewinn bereits
Aktien, obwohl von einem landesweiten
Shutdown keine Rede ist? Seinen Aktionären
teilte er mit, die 2,6 Milliarden Dollar in Pa-
piere von Agilent, Berkshire Hathaway, Hil-
ton, Starbucks, Lowe’s und Restaurantketten
zu stecken. Er sei optimistisch, weil die US-
Regierung „in einzigartiger Art in die Finanz-
märkte eingegriffen hat“.
Ackman gilt schon lange als umstrittene Fi-
gur der Finanzwelt. Der im wohlhabenden
Norden von New York aufgewachsene Har-
vard-Absolvent gründete bereits als 26-Jähri-
ger mit einem Harvard-Kumpel die Invest-
mentfirma Gotham Capital. Bekannt wurden
sie, als sie versuchten, zusammen mit ande-
ren das Rockefeller Center in New York zu
kaufen. Das Angebot war zwar nicht er -
folgreich, aber sein Name war nun in aller
Munde. Später investierte er in verschiedene
Unternehmen, legte sich mit deren Ma -
nagement an und zog auch schon gegen
den gefürchteten Investor Carl Icahn vor Ge-
richt.
Sein Hedgefonds Pershing, den er 2004
gründete, gehört zu den sogenannten aktivis-
tischen Fonds. Das sind jene Fonds, die sich
Anteile an Unternehmen sichern und dann
Forderungen an das Management richten.
Bei der Burger-Kette Wendy’s etwa verlangte
Ackman, dass sie ihre profitable Tochter Tim
Hortons abstößt, bevor er sich wieder verab-
schiedete. Bei dem Vitaminhersteller Herba-
life, gegen den er mit Derivaten wettete, star-
tete er eine PR-Kampagne gegen das Manage-
ment, legte sich erneut mit Icahn an, der ihn
Heulsuse („crybaby) nannte, und verzockte
sich dann massiv.
Diesmal ist seine Wette aufgegangen, und
das kann Ackman gut gebrauchen. Schließ-
lich lief es zuletzt nicht mehr so gut. 2015 ver-
waltete er noch Vermögen im Wert von 20
Milliarden Dollar. Nach einer Reihe von gro-
ßen und gescheiterten Wetten verlor er aber
viele Kunden. 2018 musste Ackman Mitarbei-
ter entlassen und in ein kleineres Büro zie-
hen. Im vergangenen Jahr dann die Wende:
Er fuhr eine Rekordrendite von 58 Prozent
ein. Derzeit verwaltet er 6,6 Milliarden Dollar.
Bill Ackman
Traumrendite mit
der großen Angst
Seine Wette gegen die Börsen bringt dem Hedgefonds-Manager
Milliarden. Dabei hatte er die Untergangsstimmung selbst geschürt.
Bill Ackman:
Börsenwette in
Zeiten der
Pandemie.
Bloomberg/Getty Images
Ich werde
nicht
meinen Vater
umbringen,
klar?
Bill Ackman
Hedgefonds-Manager
Marianne Heiß
Im Auftrag
der Mutter
Sönke Iwersen, Michael Verfürden Düsseldorf
D
ie Welt, in der sie lebt, ist nicht für Frau-
en gemacht, meint Marianne Heiß. Er-
folg im Topmanagement setze Macht-
streben und Härte gegen Konkurrenten voraus.
Diese Kultur würde viele Frauen abschrecken,
schreibt die 47-Jährige in ihrem Buch „Yes, she
can“. Heiß: „Nur wenige wollen in dieser Welt zu
diesen Bedingungen aufsteigen.“
Sie selbst allerdings wollte. Mit 24 Jahren leitete
sie das Finanzwesen bei Sellbytel. Der Callcenter-
Anbieter gehörte zur weltweiten Werbeagentur
BBDO. 20 Jahre lang arbeitete sich Heiß nach
oben. 2018 zog sie ein in die Aufsichtsräte von
Volkswagen, Audi und Porsche, wenig später
übernahm sie die Leitung von BBDO Deutschland.
Heiß hatte sich durchgesetzt. Nun klagen ehema-
lige Geschäftspartner gegen ihre Methoden.
Die Klage, anhängig am Landgericht Düssel-
dorf, stammt vom ehemaligen BBDO-Kreativchef
Wolfgang Schneider. Seine Vorwürfe wiegen
schwer. Heiß habe die Geschäftsführung und
Minderheitsgesellschafter systematisch getäuscht
und auf Geheiß der Muttergesellschaft Omnicom
wesentliche Informationen zurückgehalten.
Schauplatz ihres angeblichen Verrats sei der
Verkauf der BBDO-Tochter Sellbytel gewesen, die
für 45 Prozent des Umsatzes stand. Heiß sei Ende
2017 von Omnicom über den beabsichtigten Ver-
kauf informiert worden. Doch obwohl ein sol-
cher Schritt eine immense Bedeutung für die
Agentur gehabt hätte, habe Heiß ihren Mitge-
schäftsführern nichts davon gesagt. Die Klage for-
dert deshalb, die BBDO-Chefin solle von ihrem
Posten abberufen werden. Heiß’ Verhalten ver-
biete eine weitere Tätigkeit als CEO.
Die Kläger fühlen sich beim Sellbytel-Verkauf
nicht nur hintergangen, sondern auch übervor-
teilt. 450 Millionen Euro sollte BBDO für die
Tochter erhalten. Den Minderheitsgesellschaf-
tern wurden mehr als 13 Millionen Euro verspro-
chen, sie erhielten aber letztlich nur die Hälfte.
„Omnicom hat das so hingerechnet, dass be-
stimmte Erlöse der spanischen BBDO zugerech-
net wurden, an der die Gesellschafter keine Antei-
le hatten“, sagt ein Insider. „Dabei wurde das Ge-
schäft seit Jahren aus Deutschland gemanagt, und
auch die Gewinne wurden hier verbucht.“ Heiß
wollte sich auf Anfrage nicht zur Klage äußern.
In „Yes, she can“ zeigt sie sich kampfeslustiger.
Die Karrierewege der Frauen in Spitzenpositio-
nen seien zwar verschieden, schreibt Heiß. Doch
eines hätten alle Frauen gemeinsam: den Ehr-
geiz, ihre Vorstellungen „konsequent zu verfol-
gen – gegen jeden Widerstand“.
Marianne Heiß: Kläger fühlen sich
von ihr hintergangen.
ddp images/Sven Simon
Namen
des Tages
WOCHENENDE 27./28./29. MÄRZ 2020, NR. 62
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