Als dasUrteil am Dienstagnachmittag
fällt, stehen fast alle Angeklagten mit
dem gleichen ausdruckslosen Gesichtvor
dem Staatsschutzsenat wie seit Beginn
desVerfahrens. Sieregensichauchkaum,
als derVorsitzende Richter Hans Schlü-
ter-Staats dasUrteil verliest: Zwischen
zwei Jahren und drei Monaten und fünf-
einhalb Jahren müssen die Männer in
HaftwegenGründungundMitgliedschaft
in einerterroristischenVereinigung.
So gut wienichts warvon den acht An-
geklagtenwähren dder vergangenen
Proze sstage zu hörengewesen. Auch
kurz vorEnde des Prozesses entscheiden
sichnur dreivonihnen, die Gelegenheit
für letzteWorte zu nutzen.Christian K.,
angeklagt alsRädelsführerder mutmaß-
lichrechtsextremen Terrorgruppe na-
mens„RevolutionChemnitz“, bittetdas
Gericht darum, bei seinen Mitangeklag-
tenGnade walten zu lassen, damit diese
„inderlaut BundeskanzleringrößtenKri-
se seit 1945gemeinsammit ihren Ange-
hörigen durch diese schwereZeit kom-
men“mögen. MaximilianV. kritisiertin
seinemkurzen Beitrag di eBedingungen
derUntersuchungshaft,inderalleAnge-
klagten nunschon seit anderthalb Jahren
sitzen ,und kündigt dann einFeuerwerk
an gutenTatenan: Mit Familie und
Freundenwolle er zusammensein, an
ein Kinderhospiz spenden, sichberuflich
selbständig machen.„Ichbitte um Nach-
sichtmit meinerPerson“, sagt er.
Der Einzige, der auf die Anklage ein-
geht, is tTom W. „Ich habenie beabsich-
tigt, Leute zu töten oderschwerzu verlet-
zen“, sagt er.„Undich habe michzukei-
nemZeitpunktals Mit glied einerterroris-
tischenVereinigunggefühlt.“ Genau das
jedoch sah der Generalbundesanwalt an-
ders. Erwarfden zwischen 22 und32 Jah-
re alten Männern,die alle aus der Hooli-
gan-, Skin-und Neonazi-Szene imRaum
Chemnitzstammenundfastalleeinschlä-
gigvorbestraftsind, vor, während der
zumTeil rechtsradikalenAusschreitun-
gennachdem gewaltsamen Toddes
ChemnitzersDaniel H. imAugust
eine rechtste rroristischeVereinigungge-
gründet zu haben mit dem Ziel, dieVer-
hältnisse in Deutschlandgewaltsam
umzustürzen. Alle Angeklagten besäßen
„einegeschlossen nationalsozialistische
Gesinnung“. DieTruppe warjedoch
schonwenigeTagenachihrer Gründung
aufgeflogen, als sich fünf der Angeklag-
tenbei einem „Probelauf“ auf der Chem-
nitzer Schlossteichinsel alseineArt Bür-
gerwehr aufgespielt, Ausweisekontrol-
liert, einenPassanten geohrfeigt und
mehrereMenschen,die dortzum Grillen
warenund Geburtstagfeierten, einge-
kreis tund schließlichdurch den Park ge-
jagt hatten. Dabeiwareiner derFeiern-
den voneiner ausder Gruppe derAnge-
klagtengeworfenenBierflasche amKopf
verletzt worden.
Die Polizeihattedas krudeSpektakel
schnell beendet,warjedoc hbei de rAus-
wertung der Handysder An geklagten auf
96 StundenChatverlaufgestoßen, in de-
nen sich die Männer unter „Revolution
Chemnitz“ über einengewaltsamenUm-
sturzder Verhältnisse in Deutschland so-
wie das Beschaffenvon Waffen ausge-
tauscht hatten. So wollten sie den
„NSU“,der in Deutschland zehn Men-
schen ermordethatte, „wieeineKinder-
gartenvorschulgruppe aussehen“ lassen
undamTag der Deutschen Einheit
in BerlinAnschläge begehen, um einen
Bürgerkrieg anzuzetteln, bei dem sie
auch Tote bewus st in Kauf genommen
hätten. Die Beamten behielten K. als
mutmaßlichen Rädelsführer sofortin
Haft,während die Bundesanwaltschaft
die anderenAngeklagten 14Tage später
ebenfalls festnehmenließ. Neben dem
Vorwurfder Gründungund Mitglied-
scha ft in einerterroristische nVereini-
gung mussten sic hdie Teilnehmer des
„Probelaufs“zudemwegen schweren
Landf riedensbruchsund Körperverlet-
zung verantworten.
Während des seit September vergange-
nenJahreslaufendenProzesses hör te das
Gerichtgut 80 Zeugen sowie22Sachver-
ständige, nachdenendie Bundesanwalt-
scha ft letztlichalle Anklagepunkteals
„hieb- undstichfes tbewiesen“ ansah. Sie
hatt emit Ha ftstrafen zwischendreiund
fünfeinhalb Jahren jedoch lediglichrund
ein Dritteldes maximal möglichenStraf-
maßesgefordert,auchweil dieTerror-
truppe nurwenige Tage existier tund
letztlichkeine Anschlägebegan genhat-
te.Andiesem Punkt setztendie insge-
samt 16Verteidiger an. Ihnen zufolgeha-
ben ihreMandanten bis auf Landfrie-
densbruchund Körperverletzung keine
Straftaten begangen,weshalb sie deut-
li ch geringer eStrafen un dinsbesondere
einenFreispruchvom Vorwurfdes Terro-
rismusbeantragten.
Der Terror-Vorwur flaufeins Leere,
weil schlichtdie Tatenfehlten, argumen-
tierte ndie Verteidiger.Gegen „dieVer-
mutung einerGefahr“könne man sich
nicht verteidigen, sagte einer derAnwäl-
te vonChristian K.Einer seinerKollegen
sprac hvon „Vermutungsstra frecht“, das
„den Tatbesta nd derartins virtuelle Nir-
wana er str eckt,dassernicht mehr fass-
bar“ sei. Zudemstellten mehrereVertei-
diger ihreMandanten, diefast all eaus
schwierigenFamilienverhältnissen stam-
men, als nicht in der Lage dar,überhaupt
eine Revolutionanzuzetteln.Sohabees
wedereine Organisationsstruktur noch
Arbeitsteilung oder Pflichtengegeben,
sondernledigl ich einvonChristianK.er-
stelltes „Manifest“, dem alle per Chat zu-
gestimmt hätten. „Unreif, lächerlichund
unprofessionell“ seiensie vorgegan gen,
erklär te einerder An wälte vonChris to-
pherW. FüreinenAnschlag inBerlinhät-
tensie „nochnicht mal denrichti gen
Zug“ gefunden, um überhauptdorthin zu
gelangen. „Was bleibt, istdummes Ge-
quatscheine inem Chat.“
DieBundesanwälte hatten jedoch
schon zuvorargumentiert, dass die
Schwelle zurStrafbarkeit in der deut-
schen Rechtsordnung nichterstdann
überschritten werde, wenn eineStraftat
begangen wurde.Fürdie Stra fbarkeit sei
es ohne Belang,dassaus „R evolution
Chemnitz“nicht vielwurde ,weil sie
raschaufflog oderihre Vorhaben wenig
realistisch anmuteten. Vielmehr müsse
dem gewalttätigen Rechtsextremismus
auchmit de nMitteln desStrafrechts
„konsequent undgründlich“ entgegenge-
treten werden. In ihrem Plädoyerwaren
die Orte Halleund Hanau, obwohl nicht
explizit genannt,dochstets mitgeschwun-
gen. In beidenStädten hatten während
desProzessesmutmaßlichzweiRechtsex-
tremisten insgesamtzwölf Menschen er-
schossen.
Mehr als eine Chatgruppe mit „dummem Gequatsche“
ImProzessgegen dierechtsextreme „Revolution Chemnitz“verurteilt das Oberlandesgericht Dresden acht AngeklagtezuHaftstrafen /VonStefan Locke,Dresden
Angesichtsimmer drastischererRestrik-
tionen imKampfgegen die Coronavi-
rus-Pandemiewächst in Italien die Kri-
tikanMinisterpräsidentGiuseppeCon-
te und an dessen Krisenmanagement.
Die Führer der dreirechten Oppositi-
onsparteien Lega, Brüder Italiens und
ForzaItalia,MatteoSalvini,GiorgiaMe-
loni und Silvio Berlusconi,forderten
am Montag eine Dringlichkeitssitzung
des Parlaments, um über dievonConte
und dessen Kabinett durchgesetzten
Maßnahmen sowie über möglichewei-
tere Erlasse zu debattieren.
Contehat seit dem 23.Februar in
zahlreichenDekreteneineumfassende
Ausgangssperre über dasganze Land
verhängt und zudemvondiesem Mitt-
woch an die Einstellung jederWirt-
schaftstätigkeit mitAusnahme lebens-
notwendiger Produktionen und Dienst-
leistungenverfügt.Die Tätigkeit des
Parlaments istseit Wochen ausgesetzt.
Zu einemTreffenmit der Opposition
fand sic hder Regierungschef erst nach
langemHinhalten amMontagabendbe-
reit.DabeiwurdeaufDruckderOpposi-
tion eineNotsitzung desParlaments für
diesen Mittwochvormittagvereinbart,
bei welcher der Ministerpräsident den
Volksvertretern Rede und Antwortste-
hensoll.Zuder Sitzungkann jedeFrak-
tion jeweils nur ein Sechstelihrer Mit-
glieder entsenden, damit zwischen den
Abgeordne tender Mindestabstand von
einem Metereingehalten wird. Jeder
Fraktionstehen nur zehn Minuten für
Redebeiträgezur Verfügung.
An der Krisenpolitik und zumal der
Kommunikation des parteilosen Minis-
terpräsidenten wirdaber auchinner-
halb der regierenden Linkskoalition
Kritikgeübt.Der frühereMinisterpräsi-
dent Matteo Renzi vonder kleinen
LinksparteiItalia Viva warf Contevor,
dieserhätteseinebeispielloseEntschei-
dung zum „Shutdown“ der italieni-
schen Wirtschaf tnicht über seineFace-
book-Seite, sondernmittels einerFern-
sehansprache an dieNation und bei ei-
ner Pressekonferenz erklären müssen:
„Dies isteine Pandemie undkeine Rea-
lityshowaus dem Container.“ DenFra-
gender Presse hat sichder Regierungs-
chef seit Wochen nicht gestellt, das
lässt er tägl ichden Zivilschutzchef An-
gelo Borrelli erledigen. Als eine mögli-
cheErklärung dafür gilt auch, dassder
Juraprofessor Contenie Kandidat für
ein politisches Amtwarund deshalb
auchnie in ein politisches Amtgewählt
wurde.
Nach den Parlamentswahlen vom
März2018 wurde Contevon denFüh-
rern der linkspopulistischenFünf-Ster-
ne-Bewegung und derrechtsnationalis-
tischen Legaals vermeintliche Mario-
nett eindas höchste Regierungsamtge-
hievt .Nachdem Bruchdieser Koalition
vomAugust2019 wurde ContevonPrä-
sident Sergio Mattarella abermals mit
der Regierungsbildung beauftragt.Die
Bevölkerung scheint unterdessen bis-
lang wenig an Contes Krisenmanage-
ment auszusetzen zu haben. InUmfra-
genzeigen sichmehr als 70 Prozent der
Italiener zufrieden mit ihrem Minister-
präsidenten.
Noch am Dienstagwolltedas Kabi-
nett eine abermaligeVerschärfung der
Strafandrohungen beiVerstößen gegen
die Ausgangssperre beschließen. Da-
nachsoll bei unberechtigtenFahrten
mit dem Privatwagen eineStrafevon
biszu 4000EuroverhängtunddasAuto
an Or tund Stelle beschlagnahmtwer-
den.
Die Regierung willvorallem verhin-
dern, dassArbeiterund Angestelltevon
UnternehmenimNordendesLandes,
die am Mittwochihren Betrieb einstel-
len müssen, in ihreHeimatorte nach
Süditalien zurückkehren. Außerdem
sollbeschlossen werden,dasseine even-
tuelle Verlängerung der bisher bis zum
- April geltenden Einschränkungen
bis zum 31. Juliverfügt werden kann,
ohne dassdazu ein neues Dekret erlas-
sen odergarein Gesetz mitZustim-
mung des Parlaments verabschiedet
werden müsste.
S
eitzweiMonatensindrund56Mil-
lionen Menschen in derchinesi-
schen Provinz Hubeiwegender
Corona-Krisevonder Außenwelt
abgeschnitten. Das hat nun ein Ende: An
diesem Mittwochwirddie Ausreisesperre
aufgehoben.Vonexistentieller Bedeutung
istdasvorallemfürsogenannteWanderar-
beiter ,dieinanderenTeilendesLandesar-
beiten undvonder Abriegelung der Pro-
vinz überrascht wurden, als sie im Januar
Verwandte zumNeujahrsfestbesuchten.
Viele vonihnen sind nachdem Ausfall
vonzweiMonatsgehälternanden Gren-
zen ihrerfinanziellen Belastbarkeit ange-
langt.DieBür gerinder Pr ovinzhauptstadt
Wuhan, wo die Pandemie ihren Anfang
nahm, müssen sichallerdings nochlänger
gedulden. Sie dürfenerstvom 8. April an
wieder in andereLandesteilereisen.
Die LokalregierungteilteamDienstag
mit, dassnur jenen dasVerlassen der Pro-
vinzerlaubtwerde, die negativ auf dasVi-
rusgetestetwürden. Offenbar planen die
Behörden,Wanderarbeiter in Bussen di-
rekt zu ihren Arbeitsstellen imganzen
Land zu bringen, um dasÜbertragungsri-
sikozuminimieren.Auch Einreisen nach
Hubeisollen wieder erlaubt sein. Die
Schulen, Kindergärten und Hochschulen
in der Provinz bleiben aber bis aufWeite-
resgeschlossen.
In Wuhan sollen die Geschäfte und Fa-
briken erst nachund nachwieder öffnen
dürfen. In dervergangenenWoche war
das zunächstausgewählt en Unternehmen
genehmigtword en, darunter der für den
Expor twichti genAutoindustrie.VieleBe-
wohner durften in denvergangenenTa-
generstmalsseitlangemihreWohnungen
verlassen, aber nur,umsichauf dem Ge-
lände ihrerWohnblocks zu be wegen. Die
Stadt bereitet derzeit eineWiederaufnah-
me des U-Bahn- und Busverkehrsvor.
DieNachrichtenagenturXinhuaverbreite-
teamDienstagBilder vonMitarbeitern,
die Busse und U-Bahn-Waggons desinfi-
ziertenund Schilder mit QR-Codes auf-
stellten, über die dieFahrgäste sichna-
mentlichregistrieren müssen, damit ihre
Bewegungen und Kontaktpersonen im
Falle einer neuerlichen Erkrankung nach-
verfolgt werd en können.
Offiziell hat Wuhan in denvergange-
nenTagenkaum nochNeuinfektionenge-
meldet,amDienstagwar es einFall. Die
Zeitschrift„Caixin“ berichteteallerdings,
dassinder Stadt weiterhin bis zu ein Dut-
zend Personen tägl ichpositiv auf Sars-
CoV-2 getestet würden. Da siekeine
Symptome zeigten, würden sie in derSta-
tistik nicht aufgeführt, obwohl sie andere
Menschen anstecken können. Entdeckt
wurden die Infiziertendurch dieNach ver-
folgung der Kontaktpersonen voner-
kranktenPatienten sowie durch das Tes-
tenvon Hochrisikogruppen. EinVerant-
wortlicher sagte„Caixin“, es sei nochzu
früh zu beurteilen, ob dieVerbreitung des
Virusgestopptsei. Die„SouthChinaMor-
ning Post“bericht eteunter Berufung auf
unveröffentlichteRegierungsdaten, dass
bis zu ein Drittel der positiv Getesteten
sogenannte„stille Überträger“ ohne eige-
ne Symptome seien.
Die RegierungteilteamDienstagmit:
„DieAusbreitung derEpidemieimInland
istgrundsätzlichgestoppt,aberdas Risiko
sporadischerFälleundregionalerAusbrü-
chebesteht fort.“ Die Behörden fürchten
insbesondereeine Zunahme der Infektio-
nen durch Einreisende, die sichimAus-
land infizierthaben. Am Dienstagwur-
den 74 solcherFälle gemeldet. In mindes-
tens dreiFällen sollen EinreisendePerso-
nenvorOrtanges teckthaben. Die Haupt-
stadt verschärftedaraufhin abermals ihre
Präventionsmaßnahmen. VonMittwoch
an sollen alle Einreisenden ausnahmslos
auf Covid-19getestet werden. Dasgelte
rückwirkend auchfür Passagiere, die in
den vergangenen zweiWochen in Peking
angekommen seien. Angesichts derZu-
nahmedersogenannten„importiertenIn-
fektionen“ häufen sichinPeki ng die Be-
richteübereinwachsendesMisstrauenge-
genüberAusländern, obwohl es sichbei
den Einreisenden mehrheitlichumchine-
sischeStaatsbürgerhandelt,die wegen
der Epidemie inEuropa und anderenTei-
len derWelt in die Heimat zurückkehren.
Nicht alle Maßnahmen enden:Arbeiterstehen am BahnhofvonWuhan bereit, um Desinfektionsmittel zuversprühen. FotoAFP
frs. MOSKAU.Bis vorkurzem lag zwi-
schen dem auf Coronavirus-Karten oft
blassrosa markiertenRussland und dem
tiefroten Iran und China eine Grauzo-
ne:Zentralasien.ZweifelanderCorona-
virenfreiheit seinerfünf Staaten gabes
schon länger.Jetzt hält die Krise selbst
dortoffiziell Einzug,wo sie weiter ge-
leugnetwird. Immer mehr Grenzen und
Flughäfen sindgeschlossen. Hunderte
Zentralasiaten, die inRussland arbei-
ten, strande ten an dortigen Flughäfen.
AuchRussland,wo bisher495Coronavi-
rus-Fällegemeldetsind, hat seine Gren-
zen vorige Wochezunächstbis 1. Mai
für alle Ausländergeschlossen.
Es warKasachstan, dasrelativ wohl-
habendste LandZentralasiens, das am
- Märzdie er sten vier Coronavirus-
Fälle derRegion meldete. Alsbald wur-
den Großveranstaltungen undFeiern
verboten, der Notstand ausgerufen,
Schulen undUniversitätengeschlossen,
Freitagsgebete wurden gestoppt. Bis
Dienstagstieg dieZahl der Infizierten
auf 68. DasVirussei nicht aus China
(mit dem manrund 1800 Kilometer
Grenze teilt), sondernaus Europage-
kommen, heben die auf Ausgleichmit
den reizbarenPartnerninPeki ng be-
dachten Behörden hervor.
Am 15. Märzmeldete Usbekistan,
dasmi t34M illionenMenschenbe völke-
rungsreichste LandderRegion,den ers-
tenCoronavirus-Fall.Auch für dieFüh-
rung in Taschkentwardies der Anlass
für dasVerbotvon Massenversammlun-
genund Freitagsgebetensowie Grenz-
schließungen. Bis Dienstagstieg die
Zahl auf 50.Taschkent istmittlerweile
für Ortsfremde abgeriegelt, Märkteund
Einkaufszentrengeschlossen.
Kirgistan meldete am vergangenen
Mittwoch seine erstendrei,aus Saudi-
Arabien eingereisten,Infizierten,am
Freitag dreiweitere, die ausKuweit ge-
kommen seien. Bis Dienstagabend wa-
renschon 42 Infizierte gemeldet. Das
arme, durch Clanfehden undKorrup-
tiongelähmteKirgistanhatteerstab
dem 9. MärzVorbeugungsmaßnahmen
ergriffen. Ab diesem Mittwochgilt in
mehreren Landesteilen derNotstand.
Je autoritärer dasRegime,desto we-
niger Coronavirus-Fälle:Tadschikistan,
das bitterarme LandvonDauerherr-
scher Emomali Rachmon, hat bisher
keinen einzigen Fall gemeldet, aber
Hunderte Rückkehrer aus demAusland
auf Verdacht in Quarantänegesteckt,
teils unter unhygienischen Bedingun-
gen. GanzfinsterwirdesinTurkmeni-
stan. Die Südwestgrenze zu Iran istge-
schlossen. DochimReich vonGurban-
gulyBerdymuchammedowsind Schu-
len und Moscheenweiter offen. Of fi-
ziell gibt eskein Coronavirus im Land.
Dochgab es Anfang März(anony-
me) Berichteüber zweiPersonen mit
Covid-19-Erkrankungen in der Haupt-
stadt Aschgabad. Diese wurdevorige
Wocheabgeriegelt.Berdymuchamme-
dowhat seineUntertanen angehalten,
gegenViren nachVorväte rsitteStep-
penrautezuverbrennen. Schamanen
nutzen dasStaudengewächs, um böse
Geisterauszutreiben,eine antivirale
Wirkung is tnicht belegt.
Mehr als 60toteFlüchtlinge
in Container entdeckt
In Moçambique sind am Dienstag mehr
als 60 Flüchtlingetot in einem Lkw-Con-
tainer entdecktworden. Die offenbar aus
Äthiopienstammenden Menschen seien
vermutlicherstickt, sagteein Kranken-
hausvertreter.Insgesamt wurden 64 Lei-
chen gefunden, nur 14 Menschen überleb-
tendemnachdie gefährliche Flucht in
dem Lastwagen. Der Lkw sei in Malawi
losgefahren,sagte derKrankenhausvertre-
ter. Es sei jedochdavon auszugehen, dass
es sic hbei den Menschen um Äthiopier
handele. Bei einerKontrolle an einer Brü-
ckeinderProvinzTeteimNordwestenMo-
çambiques hätten Sicherheitskräftedann
die Menschen im Container des Lastwa-
gens gefunden. Im Sender Miramarveröf-
fentlichteAufnahmen zeigten auf einem
Sattelschlepper aufgestapeltelebloseKör-
per.Moçambique gilt als eines der wich-
tigstenTransitländer für Migranten aus
Äthiopien und anderen afrikanischen
Staaten auf demWegnachSüdafrika.Vie-
le der Menschen erhoffensichArbeit in
der Metropole Johannesburg. AFP
Freispruchfür früheren
schottischenRegierungschef
DerehemaligeschottischeRegierungschef
Alexander Salmond istvon Vorwürfender
versuchtenVergewaltigungunddersexuel-
le nBelästigung freigesprochenworden.
Zehn Frauen hatten dem 65 Jahrealten
Salmond schwereÜbergriffe vorgeworfen,
darunter eineversucht eVergewaltigung in
seinemAmtssitzinderschottischenHaupt-
stadt Edinburgh. Er wurde unter anderem
beschuldigt, mehrfach Frauen gegenihren
Willenbegrapscht undgeküsstzuhaben.
Der Politikerhattedie Vorwürfe stetszu-
rückgewiesen. Es handle sichum„absicht-
liche Erfindungen“, die aus politischen
Gründengegenihn vorgebrachtworden
seien, sagteerwährend des Prozesses, der
amMontagin Edinburghendete.Salmond
giltals Vorkämpfer für die schottischeUn-
abhängigkeit.Er warvon 2007 bis 2014
Chef derRegionalregierung Schottlands.
Nach dem gescheitertenUnabhängigkeits-
referendumindem britischen Landesteil
trat ervonseinemPosten zurück. dpa
Facebook statt Presse
Kritik an ConteinItalien /VonMatthias Rüb,Rom
Der Alltag kehrtzurück
Die Krise hält Einzug
In Zentralasien gibt es nun offiziell Corona-Fälle
Tirolhat in Sachen Coronavirus in
Österreichdie Rolle des Buhmanns
inne. Dortwar einer der frühen „Hot-
spots“ für die internationaleVerbrei-
tung des Coronavirus in Europa.
Traurig eBerühmtheit hat die Bar
„Kitzloch“ in Ischglerlangt, in der
sichoffenbar viele Skitouristenbe-
sondersauchaus Skandinavien ange-
steckt haben, die dasVirusdann in
ihreLänder getragen haben. Erst
eine halbeWochenachdem ein Bar-
keeper positiv auf Coronagetestet
wurde, wurde das Lokalgeschlossen.
Das Gesundheitsamt in der Landes-
hauptstadt Innsbruckhatteeszuvor
nochals un wahrscheinlichbetrach-
tet, das sdie Bar als Ansteckungsherd
in Fragekomme. DieRegierung un-
terLandeshauptmann Günther Plat-
ter(ÖVP) hat bislang mit ihrer Hal-
tung, man habe allesrichtig gemacht,
die Kritik nurverschärft.
Jetzt versucht man in Innsbruck,
das Ruder herumzuwerfen. Eine un-
abhängigeExpertenkommission soll
das Krisenmanagement evaluieren.
Es geht in Tirolnicht nur um dieFra-
ge,warum dieses oder jenes Lokal
nicht schon früher zugesperrt wurde.
Es geht um eine dichteVerfilzung in
dem Land zwischenTourismus,Wirt-
schaftskammer,VerwaltungundPoli-
tik –insbesondereder ÖVP. Ideal-
typischdafür steht der Hotelier Franz
Hörl.Er istzugleic hObmann (Vorsit-
zender) der Interessenorganisation
„Fachverbandder ös terreichischen
Seilbahnen“, Chef desTiroler Wirt-
schaftsbundes undNationalratsabge-
ordne terder ÖVP. Er is tjetzt wieder
ins Geredegekommen,weil er laut
Medienberichten (die er nicht be-
stritt) demWirt des „Kitzloch“eine
SMS geschrieben haben soll: „Sperre
Dein Kitz Bar zu–oder willstDu
schuldam EndederSaisonin Ischglu
eventuellTirolsein.“ Daswarzuei-
nem Zeitpunkt, zu dem dieTiroler
Gesundheitsbehörde nochihrever-
harmlosende Einschätzungkundtat.
WenigeTagespäter verkündeteLan-
deshauptmannPlatter das Ende der
Skisaisonfür Tirol–aber e rstmit Ab-
lauf derWoche. Das bedeutetedrei
weiter eTageLiftfahren und Après-
Ski.Hörlsprac hlaut derZeitung „Der
Standard“voneinem„Kompromiss“.
AlldaswirftdieFrageauf,welchesGe-
wicht in derAbwägungdie Interessen
der Tourismuswirtschaf tund welches
die Anti-Corona-Maßnahmen hatten.
Platterhat jede solcheÜberlegungzu-
rückgewiesen:DieGesundheithabeje-
derzeitVorrang gehabt.Es sind jetzt
weitereGeschichten ausTirolzutage
geko mmen, diestarknachFilz schme-
cken. So berichtetejetzt der ORF,dass
der Tourismusverband des Landes die
Beherbergungsbetriebevorabüber die
bevorstehendeQuarantäne desPaz-
nauntals, in dem Ischglliegt,infor-
mierte.Daraufhin hätten vieleBetrie-
be ihre Mitarbeiterdazu aufgefordert,
den Ortnochschnell zuverlassen.
Das warnatürlichnicht Sinn und
Zweck der Quarantäne.
UnterdessenermitteltdieStaatsan-
waltschaftInnsbruckwegen eines
konkretenFalls „desVerdachts der
fahrlässigen GefährdungvonMen-
schen durch übertragbareKrankhei-
ten“,wi eeinSprechersagte.Laut Me-
dienberichten soll in einem Lokal in
Ischg lschon EndeFebruar ein positi-
verCorona-Fall bekannt gewesen
sein. Es habe aberkeine Meldung an
dieGesundheitsbehördegegeben.Er-
mittlungsergebnissekönnten jedoch
nochetwas auf sichwartenlassen, da
ErmittlungenvorOrt im Moment
nicht möglichseien.
Wichtiges inKürze
Chin ahat die
Ausreise sperre in der
ProvinzHubei
aufgehoben. Endgültig
gebannt istdie Gef ahr
aber noch nicht.
VonFriederikeBöge,
Peking
Der Filz
vonIschgl
Kommission soll
Ansteckung untersuchen
VonStephan
Löwenstein,Wien
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Politik MITTWOCH,25. MÄRZ 2020·NR.72·SEITE 5