Süddeutsche Zeitung - 21.03.2020

(C. Jardin) #1
von christine mattauch

F


ragt man Coen van Oostrom, war-
um er klimafreundlich baut, ist
die Antwort einfach: „Elon Musk
würde ja auch keine Benziner her-
stellen.“ Van Oostrom ist Vor-
standsvorsitzender des Projektentwick-
lers Edge Technologies mit Sitz in Amster-
dam. Klimaschonendes Bauen wurde bei
ihm Methode, nachdem er vor einigen Jah-
ren den früheren US-Vizepräsidenten und
Umweltaktivisten Al Gore traf. „Seither ha-
ben wir experimentiert.“ Und immer um-
weltfreundlicher gebaut. Das Gebäude
„Humboldthafeneins“ in Berlin zum Bei-
spiel, das 2015 als erste Büroimmobilie ein
Platin-Zertifikat der Deutschen Gesell-
schaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) er-
hielt. Oder die neue Zentrale der niederlän-
dischen Bank ING in Amsterdam, die mehr
Energie erzeugt als verbraucht. Derzeit
plant van Oostrom für die Hamburger Ha-
fencity etwa ein Bürohaus für den Energie-
versorger Vattenfall, mit einem recycelba-
ren Rohbau aus Holzhybrid, minimalem
Energieverbrauch und Photovoltaik. „Das
Ziel ist Klimaneutralität, bei allen unseren
Gebäuden“, sagt er.


Das Beispiel Edge – früher unter dem
Namen OVG bekannt – zeigt: Grünes Bau-
en ist heute kein Nischengeschäft mehr.
Nachhaltige Büroimmobilien finden sich
an den besten Adressen und werden von re-
nommierten Nutzern belegt – Banken,
Konzerne, Tech-Unternehmen. In man-
chen Großstädten machen sie knapp ein
Zehntel des Bürobestands aus, in Frank-
furt fast 25 Prozent. Auch bei Investoren
sind sie beliebt, die bei Anlegern und Aktio-
nären gut ankommen wollen. Andreas
Quint, Vorstandsvorsitzender der CA Im-
mo AG, spricht von „Neo-Ökologie“: „Es ist
eines der großen Themen der Branche.“
Ein Indikator dafür sind auch die
Mipim Awards, so etwas wie die Oscars der
Immobilienbranche. Unter den Finalisten
sind so viele nachhaltige Projekte wie nie
zuvor: vom „Kreislaufhaus“ auf der Zeche
Zollverein in Essen über das Brüsseler
Stadtquartier Tivoli Green City bis zum
Wohnungs-Renovierungsprogramm der
Stadt Moskau.
Hermann Horster, Head of Sustainabili-
ty des Immobiliendienstleisters BNP Pari-
bas Real Estate, spricht von einem
„Sprung“, den die Branche gemacht habe.
Beispiel: die Allianz, die etwa 67 Milliarden
Euro in Immobilien investiert hat. Bis
2050 soll das gesamte Portfolio des Versi-
cherers klimaneutral sein. Auch Branchen-
riesen wie Union Investment und Deka ach-
ten bei Zukäufen verstärkt auf Nachhaltig-


keitskriterien. 2018 stieg das Transaktions-
volumen grüner Gebäude in Deutschland
auf 10,1 Milliarden Euro, ein neuer Rekord.
Und dennoch ist das nur ein Anfang.
„Fast wöchentlich führe ich Gespräche
mit Projektentwicklern, Fonds- und Asset-
managern und erkläre ihnen, wie eine Kli-
mastrategie aussehen könnte,“ sagt Hors-
ter. Alle erwarten, dass sich auf nationaler
und europäischer Ebene die Anforderun-
gen an Immobilien und immobilienbasier-
te Finanzprodukte verschärfen werden.
Die Europäische Union will bis 2050 klima-
neutral werden. Sie macht Gebäude für 40
Prozent des Energieverbrauchs verant-
wortlich und für 36 Prozent der CO2-Emis-
sionen; beide Werte müssen stark sinken.
Darauf sollte sich vorbereiten, wer nicht
im Aus landen will. Dabei kann sich Um-
weltengagement rentieren, wie van Oo-
strom vorrechnet. Er beziffert die Mehrkos-
ten seiner klimasmarten Projekte auf etwa
fünf Prozent. Die jedoch würden sich nach
sieben bis acht Jahren amortisieren – we-
gen der niedrigeren Nebenkosten. Damit
davon nicht nur der Mieter profitiert, son-
dern auch der Eigentümer, vereinbart er
sogenannte Green Leases, bei denen die
Einsparungen beiden Seiten zugute kom-
men. „Man muss auch auf der Vertragssei-
te innovativ sein.“
Hinzu kommt, dass Mieter oft ein Ge-
samtbudget haben: Sinken die Nebenkos-
ten, erhöht sich der Spielraum bei der Erst-
miete. Ohnehin akzeptieren Tech-Firmen,
große Kanzleien oder Beratungsunterneh-
men oft einen Aufschlag, wenn Gebäude
nachweislich klimafreundlich sind; einige
haben interne Leitlinien, wonach sie nur in
zertifizierten Immobilien mieten dürfen.
„Ökologie ist rational“, findet Alexander
Eggert, Vorstandsvorsitzender von War-
burg-HIH. Der Hamburger Investmentma-
nager verwaltet 11,2 Milliarden Euro, für in-
stitutionelle Investoren wie Banken, Versi-
cherungen und Pensionsfonds. Seit Juli
2019 wird jede Immobilie vor dem Erwerb
auf Kriterien wie Energieverbrauch, Ein-
satz erneuerbarer Energien, Verkehrsan-
bindung und Materialeinsatz geprüft.
„Früher haben wir das nur bei ausgewähl-
ten Produkten gemacht“, sagt Eggert. Dar-
über hinaus hat Warburg-HIH bei der Im-
mobilienverwaltung 194 Gebäude auf Öko-
strom umgestellt und weitere 44 auf CO2-
neutrales Gas. Laut Eggert reduziert sich
der Kohlendioxid-Ausstoß dadurch jähr-
lich um 12 400 Tonnen. Dabei wird es nicht
bleiben: „Wir sehen Nachhaltigkeit als dau-
erhaften Prozess. Wir haben das Leitbild
geändert, die Produktstrategie angepasst,
eine Stabstelle eingerichtet.“
Der populärste Ausweis für Nachhaltig-
keit sind bislang Zertifizierungen, wie sie –
neben den angelsächsischen Vereinigun-
gen LEED und BREEAM – die DGNB ver-
gibt. Bei ihr fließen in die Bewertung, wel-
che Auszeichnung ein Gebäude verdient,
zu 22,5 Prozent ökologische Kriterien ein.

Für klimaneutrale Gebäude soll es künftig
einen Bonus geben. Nicht mehr die Unter-
schreitung der Energiesparverordnung sol-
le das Ziel sein, „sondern die Null“, sagt
Christine Lemaitre, Geschäftsführender
Vorstand der DGNB.
Zertifizierungen sind freiwillig und kos-
ten Geld, erhöhen jedoch die Vermark-
tungschancen einer Immobilie: Pensions-
kassen etwa haben laut BNP Paribas zu 65
Prozent zertifizierte Gebäude im Portfolio,
bei offenen Immobilienfonds sind es fast
50 Prozent. Insbesondere an Top-Standor-
ten steigt ihr Anteil: In Frankfurt waren
nach Angaben des Immobiliendienstleis-
ters JLL zur Jahresmitte 2019 circa 22,7 Pro-
zent aller Bürogebäude zertifiziert, in Düs-
seldorf 9,1, in München 8,3 Prozent. So er-
freulich das ist – im Umkehrschluss zeigen
die Zahlen, dass selbst in Großstädten häu-
fig nicht umgesetzt wird, was technisch
möglich wäre. Aus Sicht von Lemaitre ist
die Klimabilanz der Immobilienbranche
deshalb durchwachsen: „Viele machen wei-
ter wie bisher und orientieren sich ledig-
lich an gesetzlichen Vorgaben.“
Besonders schwierig ist der Kurswech-
sel bei Wohnimmobilien. Viele Bewohner
könnten nicht einmal dann mehr Miete für
Klimafreundlichkeit zahlen, wenn sie dazu
bereit wären. „Die Frage ist sofort: Kostet
uns das mehr Geld?“, sagt Pepijn
Morshuis, CEO von Trei Real Estate, der Im-
mobiliengesellschaft der Unternehmens-
gruppe Tengelmann, die auch in Wohnun-

gen investiert. Morshuis sagt, dass sein Un-
ternehmen trotzdem versuche, Klimage-
sichtspunkte zu berücksichtigen, etwa mit
Dachbegrünungen, Wärmepumpen und
dem Einsatz erneuerbarer Energien. „Man
muss diese Überlegungen anstellen. Die
Welt funktioniert heute so.“
Aber auch hier gibt es Vorreiter wie die
Aachener Landmarken AG, die in der Ham-
burger Hafencity das erste Wohnhochhaus
Deutschlands nach dem Kreislaufprinzip
(Cradle-to-Cradle) baut. 120 Mietwohnun-
gen, Kita, Coworking-Space und Gastrono-
mie – möglichst alle Baumaterialien sollen
recycelbar sein. Moringa nennt der Ent-
wickler das Vorhaben, nach einem indi-
schen Baum mit Heilwirkung. „Vieles ist

Neuland, auch für uns“, räumt Sylvia Frie-
derich ein, Mitglied der Landmarken-Ge-
schäftsführung. Wo gibt es Produkte, die
die hohen Ansprüche an Klimafreundlich-
keit und Wiederverwendung erfüllen? Wel-
che Firmen können so bauen? Friederich
sagt: „Es ist ein spannender Prozess, der
uns fordern wird.“ 2023 soll das Gebäude
stehen, Verkauf an Investoren nicht ausge-
schlossen. Deren Interesse wird auch von
der Wirtschaftlichkeit abhängen: Land-
marken will marktübliche Mieten verlan-

gen, der Bau wird aber teurer sein als ein
konventioneller. Das geht zu Lasten der
Rendite. Allerdings winkt, wie bei jeder
Ausnahme-Immobilie, ein Bonus bei der
Wertentwicklung. Der Marketingeffekt ist
jetzt schon enorm. Friederich: „Wir wer-
den mit Anfragen zugeschüttet.“
Ein größeres Problem als der Neubau ist
für Investoren der Bestand, dessen energe-
tische Aufrüstung viel Geld kosten würde.
Sie sind in der Zwickmühle: Einerseits wol-
len Anleger zunehmend ihr grünes Gewis-
sen pflegen, andererseits soll die Fonds-
Performance nicht leiden. „Es ist wie mit
Elektroautos oder Biogemüse: Die Leute
befürworten es und wissen, dass sie es ei-
gentlich kaufen sollten“, heißt es im „Out-
look 2020“ der Immobilienberatung Cush-
man&Wakefield. „Aber sie wollen nicht
notwendigerweise dafür bezahlen.“ Helfen
könnten Sonderabschreibungen. Die hat
die Bundesregierung im Rahmen ihres Kli-
mapakets auch vorgesehen – aber nur für
Wohngebäude und auch dort nur für
Selbstnutzer.
Derweil plant die Europäische Kommis-
sion einen „Green Deal“, um die Renovie-
rung des Gebäudebestands deutlich zu be-
schleunigen. Noch ist nicht klar, was
kommt: nur strengere Vorschriften oder
doch auch ein milliardenschwerer Fonds
der Europäischen Investitionsbank? Ein
Kriterienkatalog für nachhaltige Finanz-
wirtschaft ist im Grundsatz ebenfalls be-
schlossen und wird künftig einheitliche

Standards für klimafreundliche Immobi-
lien definieren. Bei Neubauten werden die
Messgrößen wohl Energieverbrauch und
Treibhausgase sein; bei Renovierungen
könnte es darauf ankommen, wie stark sie
die Energiebilanz des Gebäudes verbes-
sern. Das ist nicht nur der Wunsch der Poli-
tik. „Der Druck kommt unter anderem sei-
tens der Investoren und Banken“, sagt Mar-
tina Hertwig, Partnerin bei der Beratungs-
firma Baker Tilly.
Das ist ein starker Hebel. „Marktteilneh-
mer, die ihre Praxis nicht an die Kriterien
anpassen, können ihre Produkte nicht als
‚grün‘ vermarkten und werden an Wettbe-
werbsfähigkeit verlieren“, sagt Hertwig.
Umgekehrt kann, wer heute klimafreund-
lich baut oder investiert, morgen Wertstei-
gerungen erwarten. Das zeigt sich schon
jetzt bei Immobilien mit Nachhaltigkeits-
siegel. Bei einer Umfrage der DGNB vom
vergangenen Jahr wurde die Wertsteige-
rung durch Zertifizierung auf durch-
schnittlich sieben Prozent geschätzt.
Es gibt auch Bedenken gegen die EU-In-
itiativen und Widerstand. Dem steht die
Einsicht entgegen, dass es in der Ära von
„Fridays for Future“ neue Instrumente
braucht, um dem Klimawandel zu begeg-
nen. „Viele Investoren empfinden Verant-
wortung und wollen einen Beitrag leisten“,
glaubt Warburg-HIH-CEO Eggert. Und die
Projektentwickler? „Werden sich darauf
einstellen.“ Van Oostrom hat gezeigt, dass
es geht.

Immer


grüner


Recycelbare Hochhäuser oder


Büros, die Energie erzeugen: Investoren


stecken immer mehr Geld in


klimafreundliche Immobilien. Das ist zwar


teuer – lohnt sich aber trotzdem


Grün und groß: Das W350 in Tokio soll mit 350 Metern das höchste Holzhochhaus der Welt werden. FOTO: SUMITOMO FORESTRY

Auch bei Immobilienfonds


spielt die Öko-Bilanz der Gebäude


eine immer größere Rolle


DEFGH Nr.68, Samstag/Sonntag, 21./22. März 2020 41


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