Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1

10 |SA./SO.,21./22.MÄRZ2020DAgenda:Agenda:AgendaCoCoronavirus-Kriseronavirus-Krise ERSTANDARDWOCHENENDE


Neue Regeln schränken das Zusammenleben bis aufweiteres massivein. DiePolizeiverschärftKontrollen.Bei der
Interpretation derVorgaben tun sich selbst zuständigeMinisterien nochschwer. EineVerpflichtung zumHomeoffice wurde
innerhalbweniger Stundenwieder zurückgenommen.Scheidungskinder durftenvorübergehend nur zu Mama oderPapa.

Wa sdarfmannoch?


Vanessa Gaigg, Renate Graber, Michael Simoner

Das schöne Wetter lockte auch
am Ufer des Wiener Donau-
kanals viele Spaziergänger an.
Die Polizei kontrollierteund
wies auf Ausgehregeln hin.

QDatenpanneDie neue Coronavi-
rus-Seite des Gesundheitsminis-
teriums informiert über Fälle in
Österreich. Aufgrund eines Lecks
stand allerdings die Datenbank
weitgehend offen–und erlaubte
aufgrund von Informationen wie
Bezirk, Geschlecht und Alter
Rückschlüsse auf einzelne Fälle.
Die Webpage wurde kurz nach
einem Hinweis des STANDARD
miteinemScreenshotersetzt,man
beteuerte aber, dass das an techni-
schen Problemen liege. (muz)
pMehrdazu:derStandard.at/Web

QMilitäraufsicht Der ungarische
Ministerpräsident Viktor Orbán
stellt seit Donnerstag 140 Schlüs-
selunternehmen unter Militärauf-
sicht–140 sollen in Summe be-
wacht werden. Ab Freitag wird
das Militär in ganz Ungarn auf den
Straßen patrouillieren. (red)

QAusgangssperre 39 Millionen
Einwohner sind von Kaliforniens
Ausgangssperre betroffen, die
Donnerstagabend in Kraft trat.
Knapp 60 Prozent der Bevölke-
rung könnten sich in den nächs-
ten acht Wochen mit dem Virus
anstecken, heißt es von Gouver-
neur Gavin Newsom.

QOnlinedemoDie Grünen drängen
den Koalitionspartner ÖVP, trotz
Corona-Krise nicht auf die Hilfefür
Flüchtlingezuvergessen.„Wirdür-
fen jetztnichtden letzten Funken
Humanismus verlieren, sonst ha-
ben wir in Europa verloren“,sagt
die Abgeordnete Ewa Ernst-
Dziedzic im Gespräch mit dem
STANDARD.DieGr ünentretenwei-
terhin dafürein, Flüchtlingeaufzu-
nehmen. Am Samstag ab 14 Uhr
findetonlinedieKundgebung„Asyl
istMenschenrecht“ unter dem
Hashtag#WirHabenPlatz statt.
pderStandard.at/Inland

SPLITTER
D


as sonnige Wetter pünktlich zum
Frühlingsbeginn und die Anwei-
sung daheimzubleiben passen so
gar nicht zusammen. Doch die verpflich-
tenden Einschränkungen des Lebens, die
eine zu rasche Ausbreitung von Corona-
Erkrankungen verhindernsollen, sind
temperaturunabhängig. Mehr als 1200
Personen in Österreichhatten das bis
Freitagmittag noch nicht kapiert und
wurden deshalb von der Polizei mit An-
zeigen bedacht.
Die prognostizierte Rückkehr des Win-
ters kommende Woche wird zwar weni-
ger Menschen ins Freie locken, doch dar-
auf kann Innenminister Karl Nehammer
(ÖVP) nicht vertrauen. Er ließ am Freitag
durchblicken, dass die Polizei ab sofort
strenger vorgehen wird. An den grund-
sätzlichen, per Verordnung festgesetzten
Regeln hat sich bis Freitag nichts verän-
dert.Änderungensindjederzeitmöglich.
In Gemeinden, oder im Fall von Tirol
im ganzen Bundesland, die unter Voll-
quarantäne stehen, gelten die schärfsten
Restriktionen: Die Heimatgemeinde darf
nur verlassen werden, wenn es um die
Grundversorgunggeht oder um zur
Arbeit zu kommen–und dann nur zum
nächsten Ort. Skitourenoder Wanderun-
gen sind in Tirol verboten.
Gehirnauslüften, Gassigehen oder Jog-
gen ist erlaubt, allerdings nur allein oder
im Verband von Personen, die im glei-
chen Haushalt leben. Sportliche Aktivi-
täten wie Skateboardfahren auf einem
Platz sind untersagt. Das gilt österreich-
weit. Außer Haus muss ein Sicherheits-
abstand von einem Meter zu anderen
Personen eingehalten werden. Öffis dür-
fen nur mehr für Wege in die Arbeit oder
zu wichtigen Zielen wie Apotheken ge-
nutztwerden.EineGrillageimFreienmit
Freunden muss mindestens bis nach Os-
tern warten. Maximalstrafe pro Verstoß
und Person: 3600 Euro.



  1. Waserlaubtdie


Polizei?


U


nsicherheit herrschte in den ver-
gangenen Tagen in jenen Fami-
lien, die nicht gemeinsam in
einem Haushalt leben. Es stand im
Raum, dass Scheidungskindernur den
Elternteil, mit dem sie primär in einem
gemeinsamen Haushalt leben, sehen
können. Seitens des Justizministeriums
hieß es, dass die Kinder den zweiten El-
ternteil weder besuchen, noch von die-
sem besucht werden dürfen.
Nun ist klar: Die Kinder dürfen ihren
zweiten Elternteil nach wie vor sehen.
Das gelte auch ab sofort. Das sagen so-
wohl Gesundheits- als auch Justizminis-
teriumssprecher zumSTANDARD.Dafür
müsse auch keine Ausnahmeregelung
gefunden werden: Denn die bestehende
Verordnung, die das Betreten des öffent-
lichen Raums temporär einschränkt, sei
zuvor auf Expertenebene schlicht unter-
schiedlich interpretiert worden, heißt es.
Man habe sich nun geeinigt, dass das Be-
suchen von der Verordnung gedeckt sei.
Einerseits, weil das Verlassen des Haus-
halts „zur Betreuung von unterstüt-
zungswürdigen Personen“ erlaubt ist.
Und andererseits dadurch, dass es sich
um die „Deckung eines notwendigen
Grundbedürfnisses des täglichen Le-
bens“handelt.ElternundKinderkönnen
sich also gegenseitig besuchen, heißt es
aus dem Gesundheitsministerium.
Die Juristin Claudia Wutscher schlägt
eine noch weitreichendere Interpreta-
tion der Verordnung vor: So sei jener Ab-
satz, der etwa auch das Spazierengehen
mit dem notwendigen Sicherheitsab-
stand erlaube, auch für generelle Orts-
wechsel anwendbar. „Ansonsten hätten
am Montag, als die Verordnung in Kraft
trat, alle Personen an dem Ort bleiben
müssen, wo sie zu dem Zeitpunkt wa-
ren“, sagt Wutscher. Zudem, gibt sie zu
bedenken, dürfe man „Haushalt“ nicht
als „Hauptwohnsitz“ interpretieren.


  1. Wendürfen


Scheidungskinder


jetzt sehen?


M


uss man nun von zu Hause aus
arbeiten, darf man, bis auf weni-
ge Ausnahmen, überhauptnicht
mehran seinen Arbeitsplatz? Diese Fra-
ge stellt sich seit Donnerstagabend, als
das Gesundheitsministerium eine neue
Verordnung zum Thema Homeoffice
bzw. Teleworking im Bundesgesetzblatt
kundgemacht hat. Geschrieben stand da,
dass „Arbeitsstätten lediglich dann be-
treten werden dürfen, wenn die berufli-
che Tätigkeit nicht auch außerhalb der
Arbeitsstätte durchgeführt werden
kann“. Damit wurde eine etwas ältere
Verordnung zum Covid-19-Maßnah-
mengesetz verschärft, in der Homeoffice
gewissermaßen dringendst empfohlen,
aber nicht vorgeschrieben worden war.
Beide Verordnungen gelten bis Sonntag,
24 Uhr.
Kurz nach Bekanntmachung der
Homeoffice-Pflicht gab das von Rudolf
Anschober (Grüne) geführte Sozialmi-
nisterium aber Entwarnung, es habe sich
um ein Versehen gehandelt, man werde
eine neue Verordnungzum Thema erlas-
sen. „Es gibt keine verpflichtendeTele-
arbeit“, ließ eine Ressortsprecherin am
Abend noch wissen.
Bis Freitagnachmittag war die Verord-
nung aber noch im Rechtsinformations-
system des Bundes (RIS) zu finden, also
auch noch in Kraft.
Was tun also? Die neue Verordnung
abwarten und, nein, nicht unbedingt Tee
trinken, aber auf die Auskunft der Minis-
teriumssprecherin vertrauen, wonach
die strenge Homeoffice-Pflicht nicht gel-
te. Und am besten daheim auf Klarheit
hoffen. KommentarSeite 36


  1. Verpflichtendes


Homeofficeoder


nicht?

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