Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1

K4|SA./SO.,21./22. MÄRZ 2020 KARRIERENSTANDARD DERSTANDARDWOCHENENDE


KARRIERENSTANDARD, BILDUNG&KARRIERE
Redaktion:Karin Bauer (Leitung),Layout:Angelika Staub-Zojer
Anzeigen:Stellenmarkt+43/1/531 70-291,stel

D


ie aktuelle Situation löst bei den al-
lermeisten Menschen starke Ängste
aus, weil es ein so unvorstellbares
und subjektiv unerwartetes Ereignis ist. Es
kann das persönliche Sicherheitsempfin-
den und das Verständnis der Welt grund-
legend infrage stellen. In disruptiven Pro-
zessen wie den jetzigen, in denen so viele
Informationen und Verkettungen entste-
hen, dass diese sich im Moment der Ver-
arbeitung bereits wieder verändern und je-
des Planen bedeutungslos wird, kann der
Mensch in seinem Grundbedürfnis nach
Orientierung und Struktur zutiefst er-
schüttertwerden.WiekannmanalsUnter-
nehmen und Führungskraft mit diesen
Ängsten und dieser Situation umgehen,
sodass auch in diesen Zeiten das Engage-
ment der Mitarbeiter für und ihr Vertrau-
en in das Unternehmen und die Institution
erhalten bleiben?

A


bhilfe schafft, sich zuerst auf das zu
fokussieren, was man selbst und un-
mittelbar beeinflussen und planen
kann. Das kann auch heißen, zuerst ein-
mal einen Schritt zurückzutreten, den Fuß
vom Gas zu nehmen und Prioritäten zu set-
zen, statt den Ereignissen hinterherzulau-
fen. Auch sollte ich das Grundziel meiner
Handlungen reflektieren und festlegen,
weil es unabhängig von den äußeren Um-
ständen bleibt. Auch wenn das Durchset-
zen von Unternehmens- oder Organisa-
tionsinteressen zuerst kommt, muss es in
Balance zum Wohl der Mitarbeiter gesche-
hen. Negativ kann das so aussehen, darauf
zu bestehen, dass die Mitarbeiter ab dem
ersten TagXvoll weiterarbeiten sollen,
man so tut, als ob alles gleich sei–jetzt nur
online –, und Ihnen keine Zeit zur Anpas-
sung gegeben wird.
Mehr als sonst kommt es auf eine von
Vertrauen und Sicherheit geprägte Kom-
munikation an. Das menschliche Hirn

hasst Unsicherheit und das Fehlen von In-
formationen, weil es diese Leere meist mit
noch düstereren Inhalten füllt. Daher ha-
ben Führungskräfte besonders auch in die-
sen Zeiten die zentrale Aufgabe, Mitarbei-
tern Orientierung und Struktur zu bieten
und damit Sicherheit und Vertrauen zu
vermitteln. Dies geschieht sowohl durch
Worte als auch durch Taten, weil Vertrau-
en nur durch die Kongruenz aus Gesagtem
und Getanem erwächst.

Das heißt, wenn Sie wollen, dass Ihnen
Ihre Mitarbeiter vertrauen und sie moti-

viert bleiben, nehmen Sie sich fünf Minu-
ten Zeit und denken Sie daran, wie es dem
Empfänger Ihrer Kommunikation geht, in-
dem sie sich vorstellen, was gerade bei ihm
los sein könnte. Denken Sie dabei einfach
an die Menschen in Ihrer unmittelbaren
Umgebung und deren persönliche Situa-
tion. Das erleichtert Ihnen, persönlich zu
kommunizieren. Bieten Sie den Leuten ak-
tiv an, bei Schwierigkeiten mit Ihnen in
Kontakt zu treten, und hören Sie erst ein-
mal nur zu, was die Leute beschäftigt. Es
mag in Zeiten wie diesen als zu viel ver-
langt erscheinen, jedoch gerade in so kri-
tischen Zeiten ist es essenziell, dass auch
die Organisationen sich auf die Motivation
und das Engagement der Mitarbeiter ver-
lassen können, was wiederum nur durch
Mitarbeiter gewährleistet ist, die Sicher-
heit und Vertrauen erleben.
Auch wenn Sie als Führungskraft ge-
nauso wie Ihre Mitarbeiter selbst von der
Krise betroffen sind, haben Sie die Ver-
pflichtung, gegenüber Ihren Mitarbeitern
Ängste abzumildern, Sicherheit zu vermit-
teln und die Richtung vorzugeben. Was in
normalen Zeiten bereits eine Herausforde-
rung darstellt und häufig zu enttäuschten
Erwartungen führt, wird in Zeiten der Kri-
se nochmals besonders auf die Probe ge-
stellt. Gerade weil in der Hektik vergessen
wird, zuzuhören, und Menschen mehr mit
sich selbst beschäftigt sind, geht der Blick
für andere verloren. Zuhören bedeutet,
sich dem anderen zuzuwenden, und wenn
jemand Ängste äußert, diese zu hören und
zu akzeptieren, statt sofort im Reflex zu sa-
gen, dass alles gut wird oder das jetzt kei-
nen Platz habe.

W


enn ich einen Plan habe oder
weiß, dass es wieder besser wird,
kann ich das dann in einem zwei-
ten Schritt äußern. Es ist auch wichtig zu
verstehen, dass es unterschiedliche Pha-

sen der Verarbeitung gibt. Während die
einen noch leugnen, dass etwas passiert,
sind die anderen in Panik, Depression, Re-
signation, Ärger oder bereits in Akzeptanz
undNeuorientierung.Diesgilteszuerken-
nen und darauf einzugehen.
QNehmen Sie Gefühle ernst, auch wenn
Sie sie rational nicht nachvollziehen kön-
nen. Adressieren Sie diese Gefühle auch
dann, wenn Sie Sachinformationen ver-
mitteln wollen. Die Sachinformation wird
dann eher aufgenommen, weil die davor
erfahrene Akzeptanz entspannt.
QBevor Sie auf Anordnungen und Anwei-
sungen beharren, versetzen Sie sich in die
Lage der Mitarbeiter und fragen Sie sich,
ob es tatsächlich überlebensnotwendig ist,
dass etwas zu einem bestimmten Datum
fertig ist, oder ob es Spielraum gibt, und
welche Ideen für eine Umsetzung die Mit-
arbeiter haben.
QÜbernehmen Sie Verantwortung. Das
heißt, spielenSie sich und IhreMitarbei-
ter frei, indem Sie z. B. Kunden oder Kol-
legen kommunizieren,dass man sich erst
ab einem bestimmten Datum meldet, damit
man genug Zeit hat, auf eventuelle Verän-
derungenzureagieren. Übernehmen Sie
auch Verantwortung, wenn die Infrastruk-
tur fehlt, weil verabsäumt wurde, diese zu
installieren.
QAchten Sie auf Mitarbeiter, die sich in
einer Angstspirale befinden. Sprechen Sie
diese direkt an und drücken Sie Ihre Sor-
ge um Sie aus. Helfen Sie ihnen, ihre Ge-
danken und ihr Erleben zu sortieren, und,
wenn nötig, organisieren Sie psycho-
logische Unterstützung, etwa unter
http://www.boep.or.at.
QUnddas Wichtigstezum Schluss:Achten
Sieaufsichselbst,haltenSieinneundüber-
legen Sie, was Sie selbst brauchen. Man
kann sich nur gutumanderekümmern,
wenn man sich gut um sich kümmert.

Wasalle in derArbeit jetztbrauchen


Foto:Getty

Jetztkommt es auf einevonVertrauen und SicherheitgeprägteKommunikation an.
Alle insHomeoffice schicken und einfachweiterarbeiten lassen istschlecht.
ArbeitspsychologeundPsychotherapeutTobias Glück gibtOrientierung undsagt, wie esgeht.

In der Kommunikation kann das
dann konkret so aussehen, dass
man sagt:


  1. Wir haben diese Situation.

  2. Ich sehe und verstehe deine
    Situation.

  3. Gleichzeitig gibt es bestimm-
    te Dinge, die wir errei

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