Frankfurter Allgemeine Zeitung - 24.02.2020

(Wang) #1

SEITE 18·MONTAG,24. FEBRUAR2020·NR.46 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


Ihr Artikelvom6.Februar 2020 berich-
tetanschaulichüber dasstädtebauliche
Problem der Suche derStadt Kassel
nacheinem geeignetenStandortfür das
Gebäudedes vonBund und Land mitfi-
nanziertendocumentaInstituts, das
das schon seit vielenJahren arbeitende
documentaArchiv zu einer umfassen-
den wissenschaftlichen Bearbeitung
vonVergangenheit,Gegen wart und Zu-
kunftder documentaAusstellungen
weiter entwickeln soll. Eine intensive
Analyseunterschiedlicher Standorte
wollteein relatives Optimum zwischen
den Zielen–repräsentativerStandort,
Nähe zumFridericianum,rasche Ver-
fügbarkeit des Grundstücks,Beitrag
zur Stadtreparatur –herausarbeiten.
Derzunächstvom Magistrat beschlosse-
ne StandortamHolländischen Platz di-
rekt an derUniversitätfiel dem Protest
Kasseler Bürgerzum Opfer,denen die
Lageaneiner der verkehrsreichsten
Kreuzungen demkulturellen Anspruch
nicht genügte. Der dannvomMagistrat
beschlosseneStandortsollteauf derge-
schildertenVersammlung den Bürgern
nähergebrachtwerden: ein schon län-
gerfür BebauungvorgesehenerPark-
platz, der einen in derWiederaufbau-
planung entstandenenFremdkörper in
der hugenottischenKasseler Oberneu-
stadt bildet, diegerade dortihr Zen-
trum hatte.
Die städtebauliche Herausforderung,
mit demNeubau dieStadt hier zumin-
destein Stückchenreparieren zuwol-
len, besteht darin, den Platz zu einem


belebten innerstädtischen Ortweiterzu-
entwickeln, denn er bildettrotz seiner
Nähe zu Karlskirche, Rathaus und
Friedrichsplatz eine ziemlich herunter-
geko mmene und ihrer Lagenicht ange-
messene Brache. Alle vierFronten des
geplanten Gebäudesgrenzen anStra-
ßen, und die Innenstadt gewinnt nur
dann,wenn diese fürFußgänger wäh-
rend der Öffnungszeiten derStadt at-
traktiv sind. Es istalso zwingend erfor-
derlich, dassdie Erdgeschosszonen al-
ler vier Seiten dieser baukulturellen An-
forderunggenügen. Sicherkann auch
das Institut öffentlichkeitswirksame
Nutzungen des Erdgeschosses bieten,
aber es wird–schon allein personell –
nur einen kleinerenTeil der Fronten be-
spielenkönnen.
Undhier liegt derKonflikt, den eine
Reihe vonArchitekten und Stadtpla-
nernkommen sehen, denn dieStadt
lehntbislang die Diskussion über ein
solches „Stadtgeschoss“ mit attraktiven
vielfältigen Angebotenab–möglicher-
weise, weil derStandortdie hierdurch
verursacht eFlächen-/Volumenmeh-
rung nichtverkraften würde und/oder
dieses eines dauerhaftenqualitätssi-
cherndenKümmerns seitens derStadt
bedürfte.Zubefürchtenist daher,dass
ein architektonischzwarinteressantes,
aber für denStadtbesucher ehertotes
Gebäude entsteht.Die graublauen Blö-
ckedes Volumenmodells, die Sie kri-
tischbeschreiben,warenvielleichtgar
nichtzufälligsoabweisend.
BARBARAETTINGER-BRINCKMANN,
ARCHITEKTIN BDA,KASSEL

Im ArtikelvonMatthiasWyssuwa„Ge-
fangen in der Grundsatzdebatte“
(F.A.Z.vom5.Februar) istzulesen,
dass während eines „langwierigen parla-
mentarischen Prozesses mehr als 100
Wissenschaftler und Institutionen um
Stellungnahmengebeten wurden“, um
in derrech tlichkompliziertenAngele-
genheit eine bundesweite Einigkeit für
den Umgang mit solchenvollverhüllten
Frauen in Bildungsstätten zu erzielen.
Leider erfahren wir nicht, umwelche
Wissenschaften und Institutionen es
sichdabei handelnkönnte. Obvoral-
lem auchVertr eter dergroßen islami-
schenVerbände unter diesen Befragten
waren.
Die Diskussionwegendes Niqabs in
Europa läufteigentlich schon seit eini-
genJahren. Die Bundesregierung hat
sichaber nochkein eMühegemacht,die-
se Angelegenheit aus theologischer
Sicht näher zu betrachten, obwohl von
den wenigen betroffenen Musliminnen
mit dem Argument derReligionsfreiheit
hantiertwird. Niemand scheint inFrage
stellen zu wollen, ob diese extreme
Form vonVerkleidung überhauptseine
Wurzeln in einerWeltreligion wie dem
Islam habenkann. Deshalbgelingt es
bisher sowohl jenerkonvertier tendeut-
schenStudentin der KielerUniversität
als aucheiner 16-jährigen Schülerin in
Hamburg, die Parteienlandschaftin
Trab zu halten. Man scheint hier ratlos
unduneinigzu sein, willkeine Fehler be-
gehen, geschweigedenn in die kriti-
schen Eckenvon Islamfeindlichkeit und
Rassismusgeraten.
Dabeiwäre das Problem mitetwas
mehr Mut und Sachverstand schnell und
leichtgelöst. Als ichbis vor15Jahren
drei Jahrzehntelang dasKopftuc hals
Ausdruc kmeiner Zugehörigkeit zum Is-
lam getragen hatte,dagab es in Deutsch-
land nochkeine muslimischen Glau-
bensschwestern mit Gesichtsschleier.
Mir is tals Muslimin auchnicht bekannt,
dassdieser Gesichtsschleier Bestandteil
der Religionspraxis oder sogar auf den


Verhaltenskodexder anerkannten
Rechtsschulen im Islam zurückzuführen
ist. Selbstder saudische Kronprinz hat
dochdie vermeintliche Pflicht zurVer-
hüllung aufgehoben!Vielmehr handelt
es sic hbei dieser demonstrativen Zur-
schaustellung vonBekenntnisdoch
eherum einegefährli che, weil importier-
te,völlig fremdeTradition,mit derwo-
möglichpolitischmotiviertPositionen
und Privilegien als Minderheit erkämpft
werden sollen, die Angstund Schrecken
verbreitetund dasUnverständnisgegen-
über dem Islamverschärft.Soeine extre-
me Tradition istnicht nur politischge-
fährlich,weil sie das Selbstverständ nis
voneiner funktionierendenKommuni-
kationskultur einer demokratischen Ge-
sellschaftaggressiv unterwandert, son-
dernauchfrauen feindlich,weil sie die
Frau als individuellePersönlichkeitkom-
plettversteckt und dabei gleichzeitig
mit der VorstellungvonSelbstschutz
den Rest der Gesellschaftals potentielle
Gefahr diskriminiert. Das istverantwor-
tungslos und musskorrigiertwerden.
Ein Verbotdes Niqabs ohne politi-
sche Diskussionenwäre solcheine Kor-
rektur.Was will man da auchdiskutie-
ren? Über Frauenrechte oder Entschei-
dungsfreiheit?Umso mehr wundereich
mich, dassdie islamischen Organisatio-
nen in Deutschland und europaweit zu
diesem innenpolitischen Konflikt im-
mer nochschweigen, obwohl hier mit is-
lamischen Glaubenswerten gespielt
wirdund dabei dem Imagevon Islam
und der Mehrheit der Muslime, diekei-
ne Extremistensind, imgesellschaftli-
chen Zusammenlebengroßer Schaden
zugefügt wird. Denn Islam,weresver-
standen hat, bedeutetdie sogenannte
goldeneMitteund kennt keine Extremis-
men. Welchen Islamvertretendann die-
se islamischen Organisationen? Sichals
Frau bis zurUnkenntlichkeit zuverhül-
len und dabeiReligion zu schreien ist
nichts anderes als eine lächerliche Mas-
kerade, die höchstens nochzuKarne val
passenkönnte.
EMELZEYNELABIDIN,MONTABAUR

ZumArtikel „Angrif fauf die Privatversi-
cherung“ in derF.A.Z. vom18. Februar.
Glaube nur die Statisti k,die du selbstge-
fälscht hast.Trifftbezüglichder Bertels-
mann-Studie bestens zu.Nachdem die
Autorenselbstzugegeben, dassdas Sze-
nario unrealistischist,frage ichmich,
warumman mit so einem Artikel die
Leutescheu macht.Wirhaben etwa 10
Prozent privatVersicher te.Diese sor-
genbundesweit fürrund 30 Prozent des
Einkommens der Ärzte.Käme es zu ei-
ner Bürgerversicherung, würde entwe-
der das Einkommen der Ärzteum
Prozentgeringer ausfallen, oder die Bür-
gerversicherung würdeteurer und nicht
billiger.
Viele Ärztesind 55 Jahreoder älter
und würden ihrePraxenvorzeitig schlie-
ßen, wodurch sichsowohl dieVersor-
gung als auchdie Wartezeit auf einen
Termin (ein Argument der Bürgerversi-
cherung)weiter verschlechternwürden.
Auch neue Errungenschaften bezie-
hungsweise Behandlungsmethodenkä-
men seltener zum Einsatz, und altewür-
den nicht mehr modernisiert,weil sich
der Betrieb mit den niedrigenKassen-
leistungen nicht rechnet. Das höhere
Einkommen der privat Versicher ten
bringt ebenfallskeine zusätzlichen über-
durchschnittlichen Beiträge,weil zwar
die eine Person mehr bezahlt, dafür


aber derRest der Familie beitragsfrei
mitversichertist.DassprivatVersicher-
te etwasgünstiger sind, liegt zumTeil
auchaneiner besserenVersorgung.
Der Arzt, dervoneinem Privatpatien-
tenein Mehrfaches verlangt, kann sich
mehrZeit nehmen als derKassenarzt,
der nachder dritten Behandlung im
Quartal umsonsttätig ist. Fazit:Bei ei-
ner fairen Unte rsuchung sind die wichti-
genangeblichenVorteile einer Bürger-
versicherungalle widerlegbar und basie-
renauf demNeidgedanken,womit man
wenig informiertWähler fangen will.

WOLFGANGOSWALD,WIEDERGELTINGEN

Im Herzen derStadt oderwosonst?


DemKommentar zur Bürgerversiche-
rung vonChristian Geinitz in derF.A.Z.
vom18. Februar istvollinhaltlichzuzu-
stimmen. Ergänzend muss nochbe-
dachtwerden, wie sichdie fehlende Pri-
vatversicherung auf die Krankenhausträ-
gerauswirken würde. Es dürfteeine
deutliche Finanzierungslücke geschaf-
fenwerden. Bereits heuteist ein sorgfäl-
tig geführtes Krankenhaus nicht in der
Lage,kostendeckend zu arbeiten, auch
wenn das häufig bestritten wird.
DR.HERBERTANGERER,BADREICHENHALL

Welcher Islam?


Neidgedanken zum Wählerfang


Finanzlücke


B


eim Bau vonU-Booten und
Krieg sschiffenkönnen die euro-
päischen Hersteller nichtmehr
längerEinzelkämpfer bleiben.Sie
sollten sich zu einerschlagkräftigen Flotte
fürdas internationale Geschäftzusammen-
schließen. Mit diesem Plädoyerfür eine
Konsolidierung inderBranchebeendet der
Vorstandsvorsitzende des französischen
Hersteller sNaval Group,Hervé Guillou,
seine fünfeinhalbjährigeAmtszeit.
„Kein europäisches Land, auchnicht
Frankreich, hat nur auf Basis seines Hei-
matmarktesgegenüberder internationa-
len Konkur renz eine Chance“, sagteder
64 JahrealteFranzose,der im Märzin
den Ruhestandgeht und durch den Tha-
les-Manager Eric Pommelletersetzt
wird,aufseinerletztenBilanzpressekon-
ferenz amvergangenenFreitag.Nach An-
sicht des Managers, dervorder Naval
Groupvorallem bei EADS (heute: Air-
bus)vieleJahre im europäischenVerteidi-
gungsgeschäfttätig war, sind die Anbie-
terinEuropa zu zersplittert. Zwölf Her-
stellerteilten sicheinen europäischen
Markt, auf dem in denvergangenen bei-
den Jahren 80 Kriegsschiffe und U-Boote
gebaut worden seien.
Chinadagegen fusioniere seine beiden
Großanbieter ChinaStateShipbuilding
Corporation(CSSC) undChina Shipbuil-
ding IndustryCorporation(CSIC), die so-
mit denweltgrößten Markt dominierten.
136 Kriegsschiffe und U-Boote habe Chi-
na in den beidenvergangenen Jahrenge-
baut,fastausschließlichfür den heimi-
schen Bedarf. In denVereinigtenStaaten
sei der Marktetwa gleichgroßwie in Eu-
ropa, ihnteilten sichjedochnur zwei An-
bieter. In Südkorea schlössen sichHyun-

dai Heavy Industries(HHI) undDaewoo
Shipbuilding zu einemweiteren Welt-
marktführer zusammen, um derchinesi-
schenKonkur renz zu trotzen. „Wegen
der geringen Größe ihrer Heimatmärkte
sind die Europäer die einzigen Akteure
in derWelt, die mehr als die Hälfte ihrer
Produktion exportieren müssen“, sagt
Guillou.Umso wichtigersei ihreWettbe-
werbsfähigkeit, die nur durch wachsende
Größe zu sichernsei. „Die Chinesen bau-
en etwa eine Fregatt epro Monat und ein
U-Bootalle drei Monate. Die Herausfor-
derung besteht darin, sichdiesem Rhyth-
mus anzupassen.“
Die NavalGroup will die europäische
Konsolidierung durch ein Gemeinschafts-
unternehmenmit dem italienischen An-
bieterFincantierivorantreiben. DasUn-
ternehmen namensNaviris ,das je zur
Hälfte vondem französischen und italie-

nischen Anbietergehalten wird, hat im
Januar dieses Jahres eine ersteVerwal-
tungsratssitzung abgehalten. DieUnter-
nehmen, die beidevonstaatlichen Aktio-
närenkontrolliertwerden, wollenge-
meinsame Schiffe bauen, sichZulieferer
sowieForschung und Entwicklungteilen.
Die Fregatten der Horizon-Klasse, die in
beiden Marinen im Einsatz sind, sollen
gemeinsamweiterentwickelt werden. Zu-
dem wollen sie eine europäischeKorvet-
te bauen. „Griechenland und Spanien ha-
ben sichentschlossen, sichdieser Initiati-
ve anzuschließen“, berichteteGuillou.
Im Rahmen der europäischenVerteidi-
gungsinitiative Pesco istdie „European
Patrol Corvette“ (EPC) eines der offiziell
geplanten Projekte. Daher hofft man auf
EU-Mittel für die Entwicklung derKor-
vette. Fürdie Aufnahmeweiterer Anbie-
tersei man offen, sagt Guillou.Dochaus
Deutschlandsollsichdas Interesse in
Grenzen halten. Das gilt erst recht für
eine deutsch-französische Konsolidie-
rung auf industrieller Ebene.Jah relang
wurde darüber spekuliert, ob sichder
deutscheKonkur rent Thyssen-Krupp Ma-
rine Systems (TKMS) derNavalGroup
annähernkönnte. Dochaus verschiede-
nen Gründenscheiterten dieseVersuche
immer wieder.Soscheint dieKonsolidie-
rung in Südeuropa zu beginnen, nicht
aber weiter nördlich.
Naval-Chef Guillou hält denkürzlich
erteilten deutschen Großauftragandie
niederländischeDamen-Werftnicht für
einenAusdruc kgestiegenenKonsolidie-
rungswillens. „Diese Entscheidung
Deutschlandsgeht vorallem auf den tie-
fenUnmut des deutschen Verteidigungs-
ministeriums über die erheblichenKos-

ten- undZeitüberschreitungen beimFre-
gattenprogramm F125 zurück. Man sucht
eineAlternativezum historischen Mono-
pol vonTKMS“,sagteGuillou.
Der FranzoseistimÜbrigen überzeugt
davon, dassdie NavalGroup der „Dreh-
und Angelpunkt“ der erwünschtenKonso-
lidierung Europas seinkönne. „Wir haben
den Willen und die Mittel. Ichsehe da
nicht viele andere.“Kein anderes europäi-
sche sUnternehmen sei so breit aufgestellt
wie dieNavalGroup, deren Bandbreite
vonnuklearangetriebenen Flugzeugträ-
gern bis zu kleinen Kriegsschiffenreiche.
Imvergangenen Jahrstieg derAuftragsein-
gang um 44 Prozent auf denRekordwert
von5,3 Milliarden Euround derUmsatz
um 3Prozent auf 3,7 Milliarden Euro. Das
Nettoer gebnis verbesserte sichum6Pro-
zent auf 188 Millionen Euro. Mit einer
operativenUmsatzrenditevon 7,6 Prozent
sieht sichdas Unternehmen heuteals
„Maßstab“ in der Branche.
Die Herausforderungen sind allerdings
weiterhingroß, gerade außerhalb Euro-
pas. Fürden historischen Großauftrag
der australischen Marine über zwölf
U-Boote müsse dasUnternehmen in den
kommenden fünf Jahren 1500 Mitarbei-
terinAustralieneinstellen. Dies sei die
„Priorität der Prioritäten“. DerAuftrag
sei nicht nurwegenseinesUmfangs und
dererforde rten technischen Expertise au-
ßergewöhnlich, sondernauch, „weil er
das ImageunseresUnternehmenskom-
plettveränderthat“. DieNavalGroup
wurde in den Medien unlängstfür die ers-
tenArbeiten an demAuftragkritisiert,
dochwie Guillou sagt, sei dies eine „Kam-
pagne ohne jede Grundlage“gewesen.

FührenderAusrüsterder Marine: Stapellauf des Atom-U-Bootes „Suffren“ in der französischenWerftvon Cherbourg Foto Ddp Images

anvo.OBER-RAMSTADT.„Wenn das
Unternehmenso gu tläuftwie mein Hofla-
den, dann bin ichsehr zufrieden“, sagt
Klaus Murjahn. Die Deutschen Amphibo-
lin Werke, kur zDAW,die nun schon in
fünfterGenerationvon derUnternehmer-
familie Murjahngeleitet werden, haben
vorkurzem Jubiläum des125-jährigenBe-
stehensgefeiert. Versteht man Murjahns
Satz umgekehrt,könnteman auchsagen:
Wereinen Hofladen hat, der so gut läuft
wie dieDAW, kann sichauchnicht bekla-
gen.
Den Namen DAWmögen die meisten
zwar nichtkennen, die Produktealler-
dingsschon.Allen, die schon einmalreno-
vierthaben, dürften dieWandfarben Alpi-
na und Caparol ein Begriff sein. Mit ei-
nem Jahresumsatzvonrund 1,4 Milliar-
den Euro istDAW der deutsche Marktfüh-
rerbei Wandfarben, in Europa belegt das
Unternehmen Platz drei.
Klaus Murjahn istinzwischen 83 Jahre
alt und hat dasUnternehmen im Jahr
2008 nachvierzig Jahren seinem Sohn
Ralf Murjahn übergeben. Seitdem wid-
metsichder ältereMurjahn seinen
Hobbys:dem Naturschutz und der Land-
wirtschaft. Eine eher nebensächliche In-
formation, könnteman meinen, wenn
nicht dieFreizeitgestaltung des ehemali-
genUnternehmensleiterssoeng mit der
Unternehmensgeschichteverzahnt wäre.
DAWmit Sitz in Ober-Ramstadt im Oden-
wald hättenNach haltigkeit in der DNA,
sagt Klaus Murjahn.
Tatsächlichförder te das mittelständi-
sche Unternehmen schon eine nachhalti-
ge Entwicklung, als davonnoch kaum die
Rede war. Mit „Alpinaweiß“, die Marke,
die er im Jahr 1909registrieren ließ, ent-
wickelteRobertMurjahn die ersteWand-
farbe, die sichnicht nur mit Öl, sondern

mit Wasser lösen ließ. Im Jahr 1928folgte
eine weiter eNeuheit:RobertMurjahns
gleichnamiger Sohn, der Chemiestudiert
hatte, entwickelte„Caparol“, einwässri-
gesBindemittel für Ölfarben.FürMaler
bedeutetediese Erfindung, dasssie ihre
Pinsel mitWasser statt mitTerpentin aus-
waschenkonnten,wasviel gesundheits-
freundlicher ist.
Diese Artder Farbherstellung,die soge-
nannteDispersionstechnik,sei zunächst
einemZufall geschuldetgewesen, erzählt
Ralf Murjahn. Sein Großvater Robert
Murjahn, der Erfinder vonCaparol,kann-
te OttoRöhm, den Erfinder des Plexigla-

ses, das ähnliche Bestandteile enthält wie
Murjahns berühmteWandfarbe.Ausdie-
sem eher ungeplanten Fortschritt in
punctoNachhaltigkeit istinzwischen eine
Unternehmensphilosophie geworden:
Schon im Jahr 1957 setzteDAW auf Wär-
medämmung, im Jahr 1985 wurde die ers-
te emissions- und lösungsmittelfreie In-
nenfarbevorgestellt.Seit dem Jahr 2017
istdas Unternehmen in Produktion und
Verwaltung klimaneutral.
In diese Richtung solle es auchweiter-
gehen, sagtRalf Murjahn. Manwolle sich
besondersauf die Themen Gesundheit,
Nachhaltigkeit, Effizienzund Designkon-

zentrieren. Dieser unternehmerischeVor-
sat zhabe für einen „neuen Drive“ imUn-
ternehmen gesorgt, sagt Murjahn. Die
Fragesei vorallem, wie man eineVorrei-
terrolle in einem Bereichbehalte, in dem
man schon so langetätig sei, sagt Chris-
toph Hahner,geschäftsführender Direk-
torfür Forschung und Entwicklung. Die
Antworthierauf sei immer Innovation.
Vonden mehr als 5900 Mitarbeitern, die
bei DAWbeschäftigt sind, seien 180 für
die Entwicklung zuständig.
Einigevon ihnen berichteten auf der
Feier zumFirmen jubiläumvonihrer For-
schung an neuen Produkten. Da gibt es
zum Beispiel„AeroCare“, eine moosba-
sierte Fassade, dieDAWgemeinsam mit
dem BerlinerStart-up Green City Solu-
tions entwickelt haben. Das Moos lebt
vonFeinstaub in derLuft und reinigt die-
se dadurch.Eine Erfindung, diegerade
Großstädtelebenswertermachen soll, in
denen immer mehr Menschen leben und
es immerweniger Grünflächen gibt.
Eine weiter eInnovation desWandfar-
benherstellerssind Lasuren und Holzöle
auf der BasisvonLeindotter,einer Pflan-
ze, die früher alsUnkrautgalt und inzwi-
schen auf derRoten Liste der gefährde ten
Nutzpflanzen in Deutschland zufinden
ist. FürDAW wirddie Pflanzevorallem
in Brandenburggemeinsam mit Erbsen in
Mischkulturen angebaut.Hierfür wurde
die DAWimJahr 2018 mit dem Green
TecAward ausgezeichnet.
Das Unternehmen DAWsei schon
„grüngewesen, alsgrün nochkein politi-
scher Begriff war“, sagt Klaus Murjahn.
Mit ihrem Symbol zumFirmenjubliäum
habe DAWzeigenwollen, dassesauchin
Zukunftsoweiter gehen solle, sagt Sohn
Ralf Murjahn.Auf einem buntenFarbkris-
tall stand 125+ zu lesen.

Frankreichs U-Boot-Bauer auf Suche


Moosfassaden reinigendie Stadtluft


DerHersteller derwasserlöslichenFarbe „Alpina weiß“ setzt auf dieForschung an nachhaltigen Produkten


Für eine bessereLuft: Moos an Moos amStraßenrand Fotodpa

DieNaval Gr oupwill


„Dreh- undAngelpunkt“


der überfälligen


Konsolidierungin


Europa sein.Forts chritte


gibt e svor allem mit


Südeuropa.


VonChristian Schubert,


Paris

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