Süddeutsche Zeitung - 03.03.2020

(Tina Sui) #1
von christian sebald

München–Volker Hemrich, seit sechs Jah-
ren ehrenamtlicher Bürgermeister von Ur-
springen im Landkreis Main-Spessart, ist
ein eingefleischter CSU-Mann und hat
schon viele Wahlkämpfe für seine Partei
ausgefochten. Aber wenn es um die Politik
in seinem Ort geht, hat Hemrich, 52, Fluss-
meister und Vater von zwei Söhnen, einen
Grundsatz. „Im Gemeinderat hat Parteipo-
litik nichts zu suchen“, sagt Hemrich. „Es
geht einzig um die Angelegenheiten der Ge-
meinde.“ In Urspringen sehen sie das offen-
bar genauso. In den letzten sechs Jahren ha-
ben die Gemeinderäte dort so einträchtig
zusammengearbeitet, dass sich die Partei-
en und Wählergruppen für die Kommunal-
wahl am 15. März zusammengetan und ei-
nen gemeinsamen Wahlvorschlag aufge-
stellt haben: die Urspringer Einheitsliste.
Für gewöhnlich geht es bei der Kommu-
nalwahl zu wie bei jeder anderen Wahl. Ei-
ne jede Partei oder Gruppierung, die zu ihr
antritt, geht mit einer eigenen Kandidaten-
liste ins Rennen. Einheitslisten wie in Ur-
springen sind die große Ausnahme. Bei der
Kommunalwahl 2014 gab es in nur 157 der
2081 Gemeinden und Städte im Freistaat
Einheitslisten. So unterschiedlich die
157 Kommunen sind, sie haben alle eine Ge-
meinsamkeit: Sie sind kleine, ländliche
Kommunen. Die allermeisten dürften we-
niger als 2000 Einwohner zählen, wie An-
dreas Gaß, der Kommunalwahl-Experte
des Bayerischen Gemeindetags, sagt. Wo-
bei es seit einiger Zeit offenbar einen leich-
ten Trend zu Einheitslisten gibt. 2008 wa-
ren es erst 135 Gemeinden, in denen eine
Einheitsliste zur Wahl stand.
Urspringen ist gewissermaßen ein Para-
debeispiel für eine Gemeinde mit einer Ein-
heitsliste. Und zwar nicht nur, weil es mit
etwa 1400 Einwohnern zu den richtig klei-
nen Gemeinden Bayerns zählt. Sondern
weil es in einer sehr ländlichen Region
liegt, nämlich im Dreieck zwischen Lohr
am Main, Karlstadt und Marktheidenfeld.

Es gibt viel Ackerland, dazu kleine und
mittlere Handwerker und den einen oder
anderen Dienstleister. Viele Urspringer, un-
ter ihnen auch Bürgermeister Hemrich,
pendeln zur Arbeit. Das Dorfleben ist den-
noch rege. Das kann man an der Zahl der
Urspringer Vereine ablesen. Außer dem
TSV und der Freiwilligen Feuerwehr gibt
es den Freizeitklub Grillekiller, Freunde
des Fränkischen Brauchtums, einen Män-
nergesangsverein und andere mehr.
Zur Kommunalwahl 2014 traten in Ur-
springen drei Parteien und Gruppierun-
gen mit eigenen Listen an: CSU/Bürger-
block, Freie Wähler und Alternative für Ur-
springen (Afu). Die Afu erinnert vom Na-
men, aber auch ihrem Logo her sehr an die
AfD. Und ihr Vorsitzender Stefan Ehehalt
teilt in den sozialen Medien entsprechende
Beiträge. Ehehalt legt allerdings wert dar-
auf, dass die Afu „eine unabhängige lokale
Wählergruppe ist, die mit der AfD wenig
am Hut“ habe. 2014 gab es auch noch einen
SPD-Ortsverein in Urspringen. Er schwä-
chelte aber bereits so sehr, dass er keine
Kandidaten mehr nominierte. Inzwischen
hat er sich aufgelöst.
Der CSU-Mann Hemrich, der seit 2014
Bürgermeister ist, war schon immer Fan ei-
ner Einheitsliste in seinem Ort. Denn au-
ßer „der guten Kooperation im Gemeinde-

rat“ (Hemrich) gab es einen weiteren ge-
wichtigen Grund dafür. „Auch für CSU/Bür-
gerblock, FW und Afu war es nicht ganz ein-
fach, die Bewerberlisten zusammenzube-
kommen“, sagt er. In einer 1400-Einwoh-
ner-Gemeinde sei das Kandidaten-Potenzi-
al eben von Haus aus kleiner ist als in einer
Kommune mit 12 000 oder 15 000 Men-
schen.
Gleichwohl hatte es einige Überzeu-
gungsarbeit gebraucht, bis die Urspringer
Einheitsliste stand. „Von Frühjahr 2019 an
gab es Gesprächsrunden“, sagt Hemrich.
„Wir haben das langsam reifen lassen.“ Mit-
te Dezember fand die Aufstellungsver-
sammlung statt. Vorab wurde festgelegt,
dass die Bewerberliste exakt die bisheri-

gen Kraftverhältnisse im Gemeinderat wi-
derspiegeln sollte. Auch auf die Reihenfol-
ge der Kandidaten einigte man sich vorab.
Sollte die Urspringer Einheitsliste ein Er-
folg werden, will Hemrich das Nominie-
rungsverfahren aber bei der nächsten Kom-
munalwahl lockern. „Mein Ziel ist, dass wir
alle unsere Wahlberechtigten formlos zu ei-
ner Aufstellungsversammlung einladen“,
sagt er. „Wer auf ihr zur Kandidatur bereit
ist, sollte sich nominieren lassen können.
Einziges Kriterium sollte sein, dass er es
ernst meint.“
Von Gesetzes wegen gibt es für eine Ein-
heitsliste zwei Vorgaben. Sie muss doppelt
so viele Kandidaten umfassen wie Gemein-
deratsmandate zu vergeben sind. Da der

Urspringer Gemeinderat zwölf Mitglieder
zählt, stellen sich auf der Einheitsliste dort
also 24 Kandidaten zur Wahl. Zudem müs-
sen auf den Stimmzetteln weitere 24 freie
Namensfelder sein. In sie können die Wäh-
ler am 15. März nach Gusto Kandidaten ein-
tragen. Einziges Kriterium ist, dass sie –
wie die nominierten Bewerber – wählbare
Personen sind, also EU-Bürger, mindes-
tens 18 Jahre alt und seit wenigstens drei
Monaten in der jeweiligen Gemeinde.
Für die Wähler gibt es ebenfalls Beson-
derheiten. Sie können doppelt so viele
Stimmen vergeben, wie der Gemeinderat
Mandate umfasst. Das Panaschieren, also
die Möglichkeit, Stimmen auf mehrere
Kandidatenlisten zu verteilen, entfällt na-

türlich. Ebenso das Kumulieren, also die
Vergabe von bis zu drei Stimmen für einen
Bewerber. Dafür gilt der Grundsatz der
Mehrheitswahl. Auf Platz eins gelangt der
Kandidat mit den meisten Stimmen, auf
Platz zwei folgt der mit den zweitmeisten
Stimmen – so lange bis die Mandate im Ge-
meinderat vergeben sind.

Im oberbayerischen Sachsenkam ha-
ben die Gemeinderäte Jahrzehnte lang nur
gute Erfahrungen mit dem gemeinsamen
Wahlvorschlag von CSU/Unabhängige ge-
macht. Sagt zumindest der scheidende Bür-
germeister Hans Schneil (CSU). „Natürlich
haben auch wir immer mal wieder kontro-
vers debattiert, zuletzt als es um den neuen
Kindergarten und die Kiesgrube am Orts-
rand ging“, sagt Schneil. „Aber wir haben
die Diskussionen immer sehr sachlich aus-
getragen, schon weil es keinen Fraktions-
zwang gab, wir wurden uns immer einig.“
Schneil muss es wissen. Von 1978 bis 2008
gehörte er dem Gemeinderat des 1400-Ein-
wohner-Ortes im Süden von München an.
Seit 2008 ist er dort Bürgermeister. All die
Jahre stand in Sachsenkam nur die Ein-
heitsliste zur Wahl.
Bei dieser Kommunalwahl haben die
Grünen die Kooperation aufgekündigt.
Erst haben sie eine eigene Ortsgruppe ge-
gründet, dann eine eigene Kandidatenliste
für den Gemeinderat aufgestellt. „Wir ha-
ben lange diskutiert“, sagt die Sachsen-
kamer Grünen-Chefin Maria Demmel.
„Wir hätten ja auch Bewerber für den ge-
meinsamen Wahlvorschlag melden kön-
nen.“ Warum haben die Grünen das nicht
getan? „Wir wollen, dass wir als Grüne ein-
deutig erkennbar sind, auch auf Ortsebe-
ne“, sagt Demmel. „Außerdem ist eine eige-
ne Liste eine Stärkung der Demokratie –
weil sie mehr Auswahl ermöglicht.“ In Sach-
senkam soll es eine ganze Reihe Wähler ge-
ben, die es richtig gut finden, dass sie nach
42 Jahren Einheitsliste nun zwischen zwei
Listen auswählen können.

Ein bisschen Demokratie


BeiKommunalwahlen stellen Parteien und Wählergruppen immer öfter eine gemeinsame Liste auf. Verfechter verweisen auf die
gute Zusammenarbeit in den Gemeinderäten. Doch manches Mal gibt es einfach nicht genug Bewerber für separate Wahlvorschläge

Wählen heißt, die Wahl haben: Bei gemeinsamen Bewerberlisten hält sich die Auswahl in engen Grenzen. FOTO: SVEN HOPPE/DPA

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München– Die Zahl der Infektionen mit
dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2
steigt in Bayern weiter. Allein am Montag
wurden 13 neue Fälle gemeldet. Nach Anga-
ben des Gesundheitsministerium handelt
es sich um zwei Fälle im oberfränkischen
Landkreis Bayreuth, drei Fälle in München
sechs Fälle im Landkreis Freising sowie je
einen im mittelfränkischen Schwabach
und im Landkreis Ostallgäu. Bislang sind
in Bayern insgesamt 35 Patienten positiv
auf Sars-CoV-2 getestet worden. 14 von ih-
nen, die im Zusammenhang mit dem Auto-
zulieferer Webasto aus Gauting-Stockdorf
standen, sind bereits gesund aus den Kran-
kenhäusern entlassen worden. Seit vergan-
genem Donnerstag gab es damit 21 neue
bestätigte Infektionen. Veranstaltungen
wurden abgesagt oder verschoben, etwa
ein geplanter Studien-Info-Tag an der Uni
Würzburg. Im Landkreis Bayreuth wurde
ein Kindergarten vorsorglich geschlossen.
Im Ostallgäu wurde auch die 33-jährige
Partnerin eines Infizierten positiv getes-
tet. Ihr Mann arbeitet bei der Firma DMG
Mori. Rund 1600 Mitarbeiter des Maschi-
nenbau-Konzerns in Pfronten müssen min-
destens bis Dienstag daheim bleiben. Das
Uniklinikum Erlangen, wo derzeit ein Er-
krankter behandelt wird, erwartet zusätzli-
che Fälle. „Wir rechnen mit weiteren Pati-
enten“, sagte Direktor Heinrich Iro. dpa
Augsburg– In Bayern leben wieder etwas
mehr Luchse. Das hat das Landesamt für
Umwelt in Augsburg nach Auswertung des
Monitoring von Mai 2018 bis April 2019
mitgeteilt. Bei der Aktion wurden 60 er-
wachsene Luchse und 26 Jungtiere nachge-
wiesen. Ein Großteil dieser Tiere ist grenz-
überschreitend im Dreiländereck zwi-
schen Bayerischem Wald, dem Sumava in
Tschechien und dem Mühlviertel in Öster-
reich unterwegs. Von den 60 erwachsenen
Luchsen leben 49 überwiegend auf bayeri-
scher Seite. Bei den Jungtieren sind es 17.
Ein wichtiger Gradmesser für den Zustand
der Population sind die Weibchen mit
Nachwuchs: Das waren in dem Monitoring-
jahr elf Weibchen und entsprechend viele
Jungtiere und somit gut ein Drittel der Po-
pulation. Dieses Ergebnis ist erfreulich.
Die Luchspopulation im Bayerischen Wald
stagnierte viele Jahre. Nun ist eine leichte
Zunahme und Ausbreitung erkennbar.
Gleichwohl zählen Luchse weiter zu den be-
drohtesten Tierarten in Bayern. In der Ver-
gangenheit stellten Wilderer den Tieren
nach. Außerdem wurden bei Wildunfällen
immer wieder welche überfahren. cws
von johann osel
E
s gibt nichts, was nicht geklaut wer-
den könnte. Die Weisheit kennt
man im Einzelhandel, aber etwa
auch in Hotels. Da reisen die Gäste nicht
selten mit praller gefüllten Koffern ab als
an – Zubehör wie Schuhlöffel, Handtü-
cher oder Bademäntel sind die Klauklassi-
ker, aber auch Bettwäsche, Pflanzen und
Fernseher kamen schon abhanden; selte-
ner ist der Abtransport von Sperrigem,
doch einem Hotelier wurde mal das Ru-
dergerät im Fitnessraum gestohlen, ein
anderer vermisste das Piano in der Lob-
by. Dreiste Diebe schlagen immer und
überall zu, Polizeiberichte sind daher zu-
weilen kurios, weil die Beute dem gesun-
dem Menschenverstand zufolge eher un-
brauchbar ist: Oberfränkische Taxibetrie-
be klagten 2019 über eine „Kopfstützen-
bande“, dauernd fehlten die Dinger; aus
einem Auto in Neu-Ulm wurde mal eine
Spielzeugkuh mit Zähnen samt riesigen
Zahnbürsten gestohlen – eigentlich zum
Kariesunterricht für Kinder gedacht.
Einen erstaunlichen Fall von zweifel-
hafter Beute gibt es jetzt im Rottal. Aus
dem Abstellraum eines Seniorenheims in
Tann wurden 30 Klobürsten geklaut. Wie-
so der Täter es ausgerechnet darauf abge-
sehen hat, ist unklar und Gegenstand von
Ermittlungen. Nun wird in diesen Corona-
panischen Tagen nicht nur Toilettenpa-
pier und Desinfektionsmittel im Super-
markt gehamstert, sondern im Zweifel
auch geklaut; Berichte über derlei Dieb-
stähle aus Kliniken gibt es. Wurden Klo-
bürsten für den Krisenfall stibitzt? Weil
man ja nie weiß. Unwahrscheinlich, der
Diebstahl könnte laut Polizei auch schon
länger her sein. Wie also ermitteln? Eine
Spur könnte nach Brandenburg führen,
wo die Entwendung von 22 Klotüren, alle
auf den Raststätten einer Autobahn, Rät-
sel aufgibt. Womöglich ergaunert sich ein
Existenzgründer systematisch einen kos-
tenpflichtigen Sanitärpark zusammen.
Ansonsten gilt: Augen auf und Ohren!
Und Nasen. Letzteres hat Polizisten in der
Oberpfalz 2018 einen fiesen Fleischdieb
schnappen lassen. Der stahl in einem Im-
biss fast 200 Schnitzel und Fleischpflan-
zerl, doch die Beamten konnten ihn auf-
spüren. Sie rochen die Übeltäterei schon
beim Aussteigen aus dem Streifenwagen,
der Mann verköstigte gerade am Grill sei-
ne Nachbarschaft. Welche Gerüche den
Klobürstendieb von Tann verraten wür-
den, mag man aber lieber nicht wissen.
Traunstein– Die Stadt Traunstein will
heuer fast vier Millionen Euro in ihre Ab-
wasserentsorgung stecken, gut drei Millio-
nen in die Schulen, zwei Millionen in Stra-
ßen und Radwege sowie 1,6 Millionen in
ihr neues Kulturzentrum im einstigen Ka-
puzinerkloster. Über diese Ausgaben und
den gesamten Haushalt für 2020 hatte im
Stadtrat Mitte Januar noch Einigkeit ge-
herrscht, obwohl auch da schon ein biss-
chen Wahlkampf war. Dass da ein paar un-
verhoffte Millionen auf dem Stadtkonto
nicht schaden können, bestreitet aber
auch zwei Wochen vor der Kommunalwahl
kaum einer. Und doch tut sich der Stadtrat
gerade wieder einmal schwer, die Spende
eines reichen Gönners anzunehmen.
Dieser Unternehmer, dessen Name in
Traunstein zumindest offiziell ein Geheim-
nis ist, hatte der Stadt schon 2014 eine Mil-
lion Euro geschenkt, auf dass sie an einer
eher schmucklosen Ausfallstraße zwei ma-
rode Turnhallen abreiße und dort stattdes-
sen einen neuen Salinenpark einrichte.
Der Stadtrat hatte damals drei Anläufe ge-
braucht, um dieses Geschenk in aller Form
anzunehmen, denn als Auflage darf die
neue Grünfläche 15 Jahre lang nicht be-
baut werden, was speziell die Traunsteiner
CSU so interpretiert hat, dass sich die Stadt
von einem reichen Bürger ihre Planungsho-
heit abkaufen ließ. Der Salinenpark, mit
dem sich die Stadt nun ihrer stark vom Salz
geprägten Geschichte versichert, wurde
im vergangenen Jahr eröffnet. Der Spen-
der von damals steht inzwischen kurz vor
seinem 82. Geburtstag, doch nach Anga-
ben von Vertrauten haben ihm seine Ärzte
vor einigen Wochen nahe gelegt, möglichst
schnell seinen Nachlass zu regeln. Auch
weil er selbst keine direkten Nachkommen
hat, will er einen großen Teil seines Vermö-
gens in Form eines je nach Kursentwick-
lung mehrere Millionen Euro schweren Ak-
tienpakets seiner Heimatstadt überlassen.
Doch als Oberbürgermeister Christian
Kegel (SPD) den Räten neulich hinter ver-
schlossenen Türen den Schenkungsver-
trag vorlas, den der Unternehmer, ein No-
tar sowie der Kämmerer und ein Jurist aus
der Stadtverwaltung ausgearbeitet hatten,
da wollte die Mehrheit der Räte diese Gabe
nicht so ohne Weiteres annehmen, wie das
OB Kegel gerne getan hätte. Damit der Rat
das Geschenk nicht noch komplett aus-
schlug, vertagte Kegel die Sache lieber.
Denn mit dem Geschenk sind diesmal
zwar nur eher allgemein formulierte Aufla-
gen, aber einige sehr ausdrückliche Wün-
sche verbunden. Allen voran sollen das
Traunsteiner Heimathaus am Stadtplatz
zu einem richtigen Stadtmuseum ausge-
baut und einige Exponate restauriert wer-
den, sagt Richard Kraft, der Vorsitzender
des „Fördervereins Alt-Traunstein“ ist
und zu den Vertrauten des heimatverbun-
denen Unternehmers zählt. Außerdem
schwebt dem Unternehmer vor, den der-
zeit nur als Parkplatz genutzten Karl-Theo-
dor-Platz neben der ehemaligen Saline au-
tofrei zu gestalten und Traunstein insge-
samt fahrradfreundlicher zu machen. An-
gesichts dessen befürchtet nun die Mehr-
heit der Stadträte um den CSU-Ortsvorsit-
zenden und OB-Kandidaten Christian
Hümmer, dass sich die Stadt mit der An-
nahme des recht kurzfristig angetragenen
Geschenks womöglich weitergehende Ver-
pflichtungen aufhalsen könnte.
Allerdings deuten das viele im Verein
Alt-Traunstein eher so, dass man dem am-
tierenden OB Kegel kurz vor der Wahl den
Erfolg nicht gönnen wollte, mehrere Millio-
nen Euro für die Stadt an Land zu ziehen.
Auch der schenkungswillige Unternehmer
führte das Zögern der Räte in einem ohne
Namensnennung geführten Interview mit
dem Traunsteiner Tagblatt auf „Stim-
mungsmache“ gegen Kegel zurück. Alle
miteinander sind inzwischen um Deeskala-
tion bemüht und wollen sich vorerst nicht
mehr öffentlich äußern. Stattdessen soll
der Notar demnächst den Fraktionsspre-
chern und Stadträten die Details des Ver-
trags erläutern. Am 26. März soll dann dar-
über abgestimmt werden – deutlich nach
der Kommunalwahl, aber kurz vor einer
möglichen Stichwahl um das Amt des Ober-
bürgermeisters. matthias köpf
Würzburg – Die mutmaßlichen Miss-
brauchstaten eines suspendierten Pries-
ters der Diözese Würzburg sollen etwa
zehn Jahre zurückliegen. Das teilte die
Staatsanwaltschaft Schweinfurt am Mon-
tag mit. Geprüft werde der Vorwurf eines
mutmaßlichen Opfers, wonach sich der
Mann zweimal an ihm vergangen haben
soll. Angaben zum Geschlecht und Alter
des mutmaßlich Geschädigten wurden
nicht gemacht. Die Behörde will mit Ver-
weis auf ermittlungstaktische Gründe kei-
ne weiteren Informationen preisgeben.
Nach dpa-Informationen handelt es sich
bei dem mutmaßlichen Opfer um eine
Frau. Am Samstag hatte das Bistum die Öf-
fentlichkeit über die Vorwürfe gegen den
Pfarrer unterrichtet. Bischof Franz Jung
habe dem Betroffenen bis zur Klärung des
Sachverhalts die Ausübung des priesterli-
chen Dienstes verboten, hieß es. Neben
den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
habe die Diözese eine „kirchenrechtliche
Voruntersuchung“ angeordnet. dpa
Kulmbach–Klaus Peter Söllner ist ein
außergewöhnlicher Landrat und das lie-
ße sich schon daran festmachen, dass der
63-Jährige den Tag seiner letzten krank-
heitsbedingten Abstinenz auf den Tag ge-
nau zu benennen weiß. Vor 24 Jahren war
das, nach einem Fahrradunfall bei einem
Triathlon, und nein, sagt Söllner, Triath-
lon sei heute nichts mehr für ihn. Zur Be-
gründung verweist er auf seine Statur,
die zweifellos einem gestandenen ober-
fränkischen Kommunalpolitiker uneinge-
schränkt würdig ist inzwischen. Söllner,
Landrat und Original für die Freien Wäh-
ler in Kulmbach, war folglich in den bis-
lang 24 Jahren seiner Amtszeit exakt ein-
mal entschuldigt – was als Spezifikum
nur dadurch getoppt werden dürfte, dass
Söllner in einem Landstrich antritt, in
dem die CSU von vornherein auf einen ei-
genen Kandidaten verzichtet. Ja, so et-
was gibt es in Bayern: einen Landkreis, in
dem die Christlich-Soziale Union bereits
vor der Wahl die Waffen streckt.
Wie Söllner das geschafft hat? „Ach
Gott“, sagt er, und führt dann zur Begrün-
dung Begriffe auf, die alle mit „eine gewis-
se“ beginnen, damit das Ganze nicht zu
gewichtig klingt. Eine „gewisse Populari-
tät“ habe er wohl schon, „eine gewisse Au-
torität“ ebenfalls, gewisse andere Eigen-
schaften womöglich auch. Nur eine da-
von will er nicht relativiert wissen, die
gibt er auch ohne „gewisse“ preis: „Team-
player“, doch, das sei er zweifellos.
Das Mannschaftsspiel hat ihn weit ge-
bracht. Im Mai 1996, also kurz vor seinem
Triathlonunfall, wurde Söllner erstmals
zum Landrat gewählt. 2002 wurde er mit
74,5 Prozent der Stimmen bestätigt,
sechs Jahre später waren’s schon
80,2 Prozent. 2014 erinnerte sein Ergeb-
nis an jenen Staat, der einst nordöstlich
von Kulmbach existierte und inzwischen
zugrunde gegangen ist – Söllner vereinig-
te 96,4 Prozent der Stimmen auf sich.
Auch da schon hatte die CSU ihren Partei-
gängern empfohlen: Wählt Söllner!
Nun sind die Freien Wähler und die
CSU inzwischen eine Koalition eingegan-
gen im Freistaat, da mag’s nicht mehr gar
so kurios anmuten, dass die CSU einen
FWler empfiehlt. Aber das war ja nicht im-
mer so und trotzdem stand die CSU auch
da schon hinter Söllner. Ein eigener Kan-
didat? Nicht doch, sagt Jörg Kunstmann,
CSU-Spitzenmann für den Kreistag, im-
merhin habe man vieles gemeinsam auf
den Weg gebracht: den Klinikumbau et-
wa oder den Uni-Campus. Außerdem
überließen die Freien Wähler in der Stadt
Kulmbach dafür der CSU weithin das
Feld. Die FDP? Die will auch: Söllner! Und
die Grünen? Söllner sei „beliebt und um-
gänglich“, man empfehle Söllner zwar
nicht offiziell, sehe aber auch keinen An-
lass, sich „über ihn zu beklagen“, sagt der
grüne Fraktionschef im Kreistag, Claus
Gumprecht. Immerhin SPD und Linke tre-
ten mit eigenen Kandidaten an. 96 Pro-
zent zu übertreffen, dürfte da schwierig
werden für Söllner. olaf przybilla
„Wir wollen, dass wir
als Grüne eindeutig erkennbar
sind, auch auf Ortsebene.“
Das Traunsteiner Heimathaus könnte
mit dem Geld zu einem größeren Stadtmu-
seum gemacht werden. FOTO: STADT TRAUNSTEIN
Sieben neue
Corona-Fälle in Bayern
Mehr Luchse
in Bayern
MITTEN IN BAYERN
Krimineller
00-Fall
Traunstein streitet über geschenkte Millionen
Ein Mäzen knüpft seine großzügige Spende an Bedingungen, die der CSU im Stadtrat aber zu weit gehen
Pfarrer soll Frau
missbraucht haben
Einer für alle
InKulmbach verzichtet die CSU auf einen eigenen Landratskandidaten
Der Unternehmer spricht
von einer Stimmungsmache
gegen den Oberbürgermeister

DEFGH Nr. 52, Dienstag, 3. März 2020 R11


BAYERN

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