Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
sei das alles. Zudem hätten die Parteichefs
ihre Vorschläge zu Finanz- oder Sozialthe-
men nicht mit den eigenen Ministern ab-
gestimmt, heißt es aus den Häusern von
Olaf Scholz und Hubertus Heil.
Auch über das Auftreten der beiden in
den Führungsgremien der Partei wird be-
reits gelästert. Es wirke auf ihn, als wären
die beiden Gäste und nicht Leiter der Sit-
zungen, sagt einer, der regelmäßig an den
internen Runden teilnimmt. »Sie müssten
eigentlich die Vorgaben machen. Stattdes-
sen lassen sie sich berieseln.« Das Wort er-
griffen derweil andere. Neben Klingbeil
vor allem Scholz und Heil.
Genervt sind manche Genossen auch
davon, dass Esken ständig mit ihrem
Smartphone beschäftigt ist. Wer sich ihr
emsiges Twitterverhalten ansieht, könnte

anekdotisch beschreiben, wo sie zuletzt
gewesen seien und was sie dort erlebt hät-
ten. Scholz dagegen gebe Orientierung
und bereite die Fraktion strategisch auf
wichtige Entscheidungen vor.
Schwer tun sich die Abgeordneten vor
allem mit Esken. Sie habe sich in der Ver-
gangenheit häufig gegen die Fraktion pro-
filiert und gegen die Mehrheit gestimmt,
heißt es. Das sei in Ordnung, wenn es aus
inhaltlichen Gründen geschehe. Esken
habe aber häufig aus einer Position der
moralischen Überlegenheit gehandelt.
Natürlich spürt Esken die Skepsis, die
ihr entgegenschlägt. Aber sie findet, dass
die Fraktionskollegen sich jetzt halt mal
etwas umgewöhnen müssten, was ihre
neue Rolle angeht. Walter-Borjans er-
scheint den Abgeordneten pragmatischer,

den Bundestagswahlkampf ziehen? Was
sind die Machtoptionen? Und vor allem:
Wer wird Kanzlerkandidat?
Die beiden Vorsitzenden sagen, sie
selbst wollten nicht unbedingt antreten.
Viele Sozialdemokraten, besonders in der
Fraktion, wünschen sich trotz seiner Nie-
derlage im Mitgliedervotum weiterhin
Scholz. Ihn zu nominieren dürfte Esken
und Walter-Borjans aber schwerfallen.
Wie sollen sie das ihren Anhängern erklä-
ren, die aus der Gegnerschaft zu Scholz
ihren größten Enthusiasmus bezogen?
Gehandelt werden außerdem Arbeits-
minister Hubertus Heil und Fraktionschef
Rolf Mützenich. Mützenich genießt über
die Lager hinweg Respekt. Er stammt aus
der Parlamentarischen Linken, kann aber
auch mit Scholz und Klingbeil.

tatsächlich den Eindruck gewinnen, Esken
wäre die Social-Media-Beauftragte der
SPD, nicht deren Vorsitzende.
Klingbeil, seit Dezember 2017 General-
sekretär, erhält dagegen viel Bestätigung
in diesen Tagen. Sie finde, die SPD habe
»einen ganz ausgezeichneten General -
sekretär«, schreibt die sächsische Abge-
ordnete Daniela Kolbe bei Twitter. Partei-
vize Kevin Kühnert springt Klingbeil im
Gespräch mit der »Rheinischen Post« bei.
Die CDU grenze sich nicht klar von der
AfD ab, das sei »keine Erfindung von Lars
Klingbeil, sondern eine Tatsache«.
Von den Auftritten der beiden Vorsit-
zenden in der Bundestagsfraktion bleibe
hingegen nichts hängen, kritisiert ein Ab-
geordneter, der in der Fraktion schon meh-
rere Parteichefs erlebt hat. Die beiden Vor-
sitzenden, so erzählt er, würden meist

zugänglicher und entspannter. Vielleicht
etwas zu entspannt. Das Credo von Sig-
mar Gabriel, wonach eine Partei geführt
werden wolle, sieht Walter-Borjans kri-
tisch. Er will keiner sein, der draufhaut.
»Wir haben die Führungskrise überwun-
den«, sagt Esken auf der Bühne beim
politischen Aschermittwoch im nieder-
bayerischen Vilshofen. Die Partei solle die
Schuld für die schlechten Umfragewerte
nicht bei den anderen suchen, nicht bei
den Medien und nicht bei den Wählern,
so Esken, »und bitte auch nicht immer wie-
der bei unserem Spitzenpersonal«. Das
langweile die Leute mittlerweile.
Doch die Führungskrise ist in Wahrheit
nicht überwunden. Die zwei an der Spitze
haben ein ernstes Autoritätsproblem. Da-
bei stehen wichtige Entscheidungen an:
Mit welchem Programm will die SPD in

Heil und Mützenich wären für die Par-
teichefs angenehmer. Doch wären sie auch
die richtigen Kandidaten für einen polari-
sierten Wahlkampf in der Zeit nach Angela
Merkel? Schon für den Posten des Frak -
tionsvorsitzenden musste Mützenich über-
redet werden. Bei Heil klingen selbst jene
Genossen, die seinen Namen ins Spiel brin-
gen, wenig begeistert. Sie bezweifeln, dass
sich mit ihm Aufbruchsstimmung erzeu-
gen ließe.
Bleibt noch Klingbeil selbst. Bis vor
Kurzem schien es undenkbar, dass der
Generalsekretär für die Kandida tur in -
frage kommen könnte. Doch nach den
vergange nen Wochen wollen führende
Genos sen auch dieses Szenario nicht
mehr ausschließen.
Lydia Rosenfelder, Christian Teevs

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