Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.03.2020

(Nancy Kaufman) #1

SEITE 16·SAMSTAG, 14.MÄRZ2020·NR. 63 Literarisches Leben FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


DieserText, den Hölderlinwohl am 20.
Juni 1800 auf demWegvon Nürtingen
nachStuttgartgeschrieben hat, istoffen-
sichtlichunfertig. Allenfalls hat man es
hier mit demKonzepteines Gedichts zu
tun. Dennochist es ein ästhetischfaszi-
nierendes Gebilde: Man meint, einzelne
Bruchstücke einer prächtigen antiken
Vase vorsichzuhaben. DieseVase aber
hat nieexistiert, es gibt sie nurgleich-
sam ex negativo, impliziertinihren
Scherben, undgerade das macht den
Text aus heutigerPerspektivesoreizvoll.
Dochder Reihe nach: Ende Juni bat
Hölderlin seine Mutter in einem Brief,
seiner „teuren Schwester“ –gemeintwar
Maria EleonoraHeinrikaBreunlin,von
ihm „Rike“genannt–„Tausend Grüße“
zu bestellen. Hintergrund warwahr-
scheinlichder Todvon Heinrikas Mann
wenigeMonatezuvor ;seitdem lebtesie
wieder bei ihrer Mutter.Und weiter :„Ich
habe neulichunter wegs ein kleines Ge-
dicht an sie entworfen, das ichihr nächs-
tens schickenwill, wenn es ihr einenver-
gnügtenAugenblick machen sollte.“ Al-
lesspricht dafür, dassessichbei demvor-
liegendenText um diesen Entwurfhan-
delt.Hölderlin hat ihn nie ausgeführt;
warum, weiß man nicht.
Welche Artvon Gedicht mag ihmvor-
geschwebt haben? DerText erlaubtge-
wisse Rückschlüsse darauf, denn der
prägnanteBeginn–„Übernacht’ichim
Dorf“ –entspricht rhythmischexakt

dem Beginn der asklepiadeischen Oden-
strophe, einer antikenForm,die Hölder-
lin vielfachverwendethat, am schönsten
vielleicht in seiner Ode „Heidelberg“ mit
ihrem unvergesslichen Einstieg: „Lange
lieb’ ichdichschon“.Auffällig istaußer-
dem das wiederholteAuftreteneiner wei-
tereneinprägsamenrhythmischenFor-
mel: desAdoneus, so schon imTitel, und
dann in denWendungen „Straße hin-
unter“, „Sonne der Heimat“ und „Män-
ner und Mutter“, nichtweniger als vier-
mal also auf kleinstemRaum.Wie der Li-
teraturwissenschaftler Winfried Men-
ninghausgezeigt hat,verweistder Ado-
neus bei Hölderlin auf dievonihm ver-
ehrte antikeOdendichterin Sappho.
Dazu passt auch, dassdem Text im Manu-
skriptein Konzeptmit demTitel„Sap-
phos Schwanengesang“vorausgeht.
Allem Anschein nachwollteHölderlin
seiner Schwesteralso eine Ode widmen,
ähnlichwie er das im Jahr zuvor für sei-
ne „verehrungswürdigeGroßmutter“ an-
lässlichihres Geburtstags getanhatte.
Währenddieses Gedicht seinen Charak-
terals eine–wenn auchüberauskunst-
volle –Pflichtübung nichtganz verleug-
nenkann, lässt „Anmeine Schwester“
ein innigesVerhältnis des Dichterszu
der vonihm bedichteten Person erken-
nen. Hölderlin hing an seiner Schwester
und hatte, als sie nochmit ihrerFamilie
in Blaubeuren lebte,immer wiedervorge-
habt, sie dortzubesuchen.

Offenbarimaginiert der Text einen sol-
chen Besuch, und er tut dies auf eine
zwar lückenhafte,aber allesWesentliche
enthaltendeWeise: Am Anfangsteht die
Rückke hr des Ichs in seine „Heimat“,wo
es zunächstim„Dorf“ übernachtet,„Alb-
luft“ atmetund dann denWegdie „Stra-
ße hinunter“ nimmt, wo ein „Haus“
steht, in dem es zum „Wiedersehn“
kommt,wohl mit der Schwesterund den
Ihren. Esfolgt einAusflug in dieNatur,
Zeit mit „Freunden“ undFamilie. Mit
demWort „Schlummer“kehrtder Text
am Ende zu seinemAusgangspunkt zu-
rück, ein Kreis schließt sich.
Der Text stellt mit derRückkehr in die
Heimat somit eine archetypische Erfah-
rung dar,die Hölderlins Gedichteinvie-
len Varianten durchzieht. Auch die
Schlüsselwörter„Schwester“, „Heimat“
und „Schlummer“tauchen immer wie-
der darin auf und entwickeln dabei eine
Bedeutungsfülle, dieweit über die eigent-
lichen Wortbedeutungen hinausweist:
Als „Schwester“ werden bei Hölderlin
zum Beispiel auchDiotima und dieNa-
turbezeichnet, „Heimat“ isthier eine me-
taphysischaufgeladeneKategorie, und
„Schlummer“kann für Erlösung undTod
stehen, wie in der„Abendphantasie“:
„Komm du nun, sanfterSchlummer!“
Damit wirddeutlich, dass es in diesem
Text umweit mehrgeht als die Schwes-
terHölderlins.Zugleichgeht es um ein
Thema, das ihn durchgängig beschäftigt

hat: die Sehnsucht, die–wie es in „Hype-
rion“ heißt–„Dissonanzen derWelt“
überwinden zukönnen, „Eines zu sein
mit Allem“. DemvorliegendenText je-
doch, der diese Sehnsucht zumAusdruck
bringt, scheinen, ebenweil er unfertig
ist, weil erkeine feste, geschlossene Ge-
stalt angenommen hat, jene „Dissonan-
zen derWelt“ eingeschrieben, er selbst
scheintgewissermaßen uneins zu sein
mit sich. Die einzelnen Bruchstücke fü-
gensichnicht zum Ganzen. Gerade des-
halb aber übt derText heuteeine solche
Faszination aus: Sie hängt mit derTatsa-
chezusammen, dass die Idee ästheti-
scher Ganzheit in der Moderne proble-
matischgeworden istund andersals im
Gegenlicht desFragmentarischenkaum
nochgedachtwerden kann. Nirgendwo
lässt sichdies besserstudieren als bei
Hölderlin.

FriedrichHölderlin: „Sämtliche Gedichte“.
Hrsg.vonJochen Schmidt.Deutscher Klassi-
kerVerlag,Frankf urtamMain 2005. 1152 S.,
br., 25,– €.

VonFriedervonAmmon istzuletzt erschie-
nen: „Lyrik/Lyrics“. Songtexte als Gegen-
stand der Literaturwissenschaft. Hrsg. von
FriedervonAmmon und Dirkvon Petersdorff.
Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 424 S.,geb.,
34,90 €.

Eine GedichtlesungvonThomas Huberfinden
Sie unter http://www.faznet/anthologie.

Übernacht ichimDorf


Albluft


Straße hinunter


Haus Wiedersehn. Sonne der Heimath


Kahnfahrt,


Freunde Männer und Mütter.


Schlummer.


FRANKFURTER ANTHOLOGIE Redaktion Hubert Spiegel


FriedervonAmmon


Die Sehnsucht, eins zu sein mit allem


FriedrichHölderlin


An meine Schwester.


I

ndiesenLeipzigerTagenohne
Buchmesse brandete der größte
Leserapplaus am Donnerstag-
abend im Literaturhaus derStadt
auf: nachder Ankündigung zu
Veranst altu ngsb eginn, manwer-
de sichmit dem allbeherrschenden The-
ma der Corona-Epidemie in denkommen-
den anderthalb Stunden nicht beschäfti-
gen. Der Beifallssturmkündetevom Wil-
len des Publikums, sichnicht alle schönen
Seiten des Lebens durch die Angstvor An-
steckung nehmen zu lassen.Undsowar
der Saal denn auchvollbesetzt.Eswar die
bestbesuchteunter denverbliebenenVer-
anstaltungenvon „Leipzig liest“, dem die
Buchmesse begleitenden Lesungspro-
gramm, das zusammen mit ihr in derver-
gangenenWocheeigentlichabgesagt, aber
voneinzelnenVeranstalternals „Leipzig
liesttrotzdem“ wiederbelebtworden war.
Oder sagen wir besser:wiederzubeleben
versuchtworden war. Denn derWunsch
nachvom Coronavirus unbehelligten Lese-
freudenwarnatürlicheine Illusion.
DabeiwarderAbendimLiteraturhaus
in vielerlei Hinsicht einglücklicher Son-
derfall. Thorsten Ahrend, der Leiter des
Hauses, hattesichseit der Messeabsage
darum bemüht, so vielvonseinem Pro-
gramm zuretten wie nur möglich. Doch
dafür brauchte es mehr als die eigeneAb-
sicht, zum Beispiel auchdie Mitarbeit der
Verlage. Diewarseitens dergroßenUnter-
nehmen imRegelfall nicht zu bekommen
–auchweil siekeine Fragen unter den ei-
genen Autorenprovozierenwollten,war-
um denn EinzelnedochnochinLeipzigle-
sen dürften. Aber S.Fischer hielt es an-
dersund unterstützteweiterhin den Auf-
tritt im Literaturhaus: Zu Gastwar Ingo
Schulze mit seinem neuenRoman „Die
rech tschaffenen Mörder“ (F.A.Z.vom12.
März). Schulze istindiesenTagensoet-
waswie der personifizierteDurchhaltewil-
le der deutschen Literatur;amVorabend
warerinBerlin aufgetrete n, am Freitag-
abendhätteerimLiteraturhaus Halle le-
sen sollen (aber die Stadt Halle sagtejust
am Donnerstag alle öffentlichenVeran-
staltungen bis Ende Märzab), und für den
heutigen Samstagabend istSchulzegleich
nocheinmal in Leipzig angekündigt, als
eine ArtHerzenssache: in der innerstädti-
schen ConnewitzerVerlagsbuchhandlung,
wo vor25Jahren eine seiner ersten Lesun-
genüberhauptstattgefunden hatte. Auch
dieseVeranstaltung istausverkauft.
PeterHinkeist der Chef dieser 1990 mit-
tenimgesellschaftlichenUmbruchgegrün-
deten Institution des Leipziger literari-
schen Lebens. Er fühlt sichdurch die aktu-
ellen Entwicklungen an diese Anfangszeit
erinnert: „Wir machen es wie 1990, spon-
tan und ohne zu wissen,wasgenau auf
uns zukommt.“Fürden heutigen Samstag
hat die Buchhandlung einvomspäten Vor-
mittag bis in denAbend reichendes dich-
tesLesungsprogrammgeschnürt,teilwei-
se durch persönlicheKontaktekurzfristig
nochlokale Autorengewonnen, umLü-
cken zu schließen, und auchbei einem Er-
folgsautor wie Schulze will man nicht in ei-
nen größeren Saal als das eigene Oberge-
schossumziehen: „Im kleinen Kreis füh-
len sichdie Leutesicherer.“
Vorder Ladenkassesteht ein schnellge-
zeichnetes Plakat mit einem niedlichen
Nagetier: „Jetzt Bücher hamstern“. Spürt
Hinkeals Buchhändler schon die Effekte
des Rückzugsvordrohender Erkrankung


in die eigenen vierWände? „,DiePest‘von
Camusverkauftsichziemlichgut im Mo-
ment“, sagt er einigermaßen spöttisch,
abervoneinemgroßenZuwachsdes Buch-
verkaufsangesichtsfehlenderkultureller
Alternativen sei nochnichts zu merken.
Sollteesdazu kommen,werden ohnehin
anderedas große Geschäftmachen, der In-
ternet-Versandbuch-Riese Amazonetwa.
Ein Verleger ,der trotzder Messeabsage
nachLeipziggekommen ist,weil er sein
Hotelzimmer nicht mehrstornierenkonn-
te und nun die vierTage zur Kontaktpfle-
ge mit der ortsansässigen Illustratoren-
schar nutzt, erzählt, dassihm vorwenigen
Tageneine Bestellung ins Hausgeflattert
ist, angesichts deren er sichersteinmal er-
kundigt habe, ob man sichdabei nicht um
mindestens eine Zehnerpotenz vertan
habe. Es erwies sichals Bestellungvon
Amazon, das offenbarvorsorglichschon
einmal sein Lager auffüllt fürTage,ande-
nen außer Buchlieferungenvordie Haus-
tür (und Streaming auf den heimischen
Bildschirm) kein anderer Kulturgenuss
mehr zu haben seinkönnte.
Selbstder imVorfeld vielbeschworene
Lesehunger der Leipziger hat sichlängst
nicht als derartunersättlicherwiesen,
dasserdie Vorsicht außerAcht ließe.Drei-
hundertMenschen bei Ingo Schulze–das
istviel, aberansonstenlitten dieverbliebe-
nen LesungenvonTag zuTagmehr unter
der wachsendenUnsicherheit. Am Mitt-
wochabend nochstandenvorder Veran-
staltungsstätte„Kupfersaal“ in der Innen-
stadt Zuhörer Schlangefür einenPoetry
Slam.„Wir eröffnen inoffiziell die Leipzi-
gerBuchmesse 2020!“–sowar dieses Er-
eignisvorher beworbenworden, denn es
hätteparallelzur feierlichen Messe-Eröff-
nung im benachbarten Gewandhausstatt-
finden sollen. Diefiel nun aus, und sowar
der Poetry Slam plötzlichtatsächlichder
Auftakt zumRestprogramm.

Ü

ber dessen Ausmaßga-
ben gleichmehrere
Homepages Auskunft,
und dieVeranstaltungen
zählten anfangs nochzu
Hunderten. Wobei die
großenNamenweitgehendfehlten, aber
umso kreativer wurden die lokalen Akteu-
re.Für den heutigen Samstag wichMark
Lehmstedt,gerade zum diesjährigen Ge-
winner des SächsischenVerlagspreises be-
stimmt, in die Leipzig-Lindenauer Buch-
handlung „SeitenBlick“ aus,wo er einen
„Buchmessesalon“ mit seinerVerlagspro-
duktionveranstaltet.Der gleichfalls in der
Stadt angesiedelteKlett Kinderbuchverlag
kamauf die Idee, seinenUnternehmens-
sitz zweiTage lang für Besucher zu öff-
nen, die dortmit Autoren, Mitarbeitern
undFreunden des Hauses plaudernund
die Neuerscheinungen einsehenkonnten.
Das Angebotwurde so begeistertange-
nommen, dassder Verlag schon am Mitt-
woch mitteilen musste: „Liebe Leute, alle,
die sichangemeldethaben,können mor-
genund übermorgengernekommen, aber
habt bitteVerständnis, dasswir ab jetzt
keine weiteren Anmeldungen mehr anneh-
menkönnen. Es wirdsonstzuvoll hier,
und in diesenZeitenwollen wir ja wirk-
lichSardinenbüchsengefühlevermeiden.“
Beim Besuch sitzen dortetwadie Frank-
furter Illustratorin AnkeKuhl, diegerade
bei Klett Kinderbuchihren wunderbaren

Comic „Manno!“ (F.A.Z.vom7.März) her-
ausgebracht hat, und ihr aus Londonange-
reister KollegeAxelScheffler im Ge-
sprächzusammen. Scheffler wareigent-
lichzur Lit.Cologne eingeladen,dochsein
für den heutigen Samstaggeplanter Auf-
tritt fiel derkurzfristigenAbsagedes gan-
zen Lesefestivals zum Opfer.Für Leipzig
hat ihm seinVerlag nachder Messeabsage
nochrascheine Signierstunde in einer ört-
lichen Hugendubel-Filiale organisiert,
dochumdieses Ereignis anzukündigen,
fehlte dieZeit.Sosteht am Donnerstag-
nachmittag um drei Uhr der populärste
Kinderbuchillustrator unsererZeit relativ
einsam im Einkaufszentrum „Höfeam
Brühl“ und schlägt dieZeit tot. Aber in der
ganzen Innenstadt is tdie Zurückhaltung
der Leipziger spürbar;Flanierenund Shop-
ping birgt zu vieleUnwägbarkeiten.Wie
sollteesdabei Lesungen anderssein?
Dabeihatteder Zus trom zuden ersten
Veranstaltungenvon„Leipzig liesttrotz-
dem“nochzuden schönstenHoffnungen
Anlassgegeben. Selbstbeim spätestenTer-
min am Mittwochabend, einerLyriklesung
vonJan Röhnertim„Tapetenwerk“,weit
abseitsder Leipziger Innenstadt, hatten
sich nach23Uhr nochandie vierzigZuhö-
rerversammelt.Röhnerttrugunter ande-
remsein Gedicht „WeitereAussichten“
vor: „. ..Wenn derNotstand /ausgerufen
ist, mehrmalstägl ich/mit denNachrich-
tenimRadio /gehen dieWorteund Bilder
alsersteszuSchrott./Mag sein, wirgraben
nunmehr ihreTrümmer aus.“UmMissver-
ständnisse im Publikum zuvermeiden,
wies derVerfasser darauf hin, dasssichdie-
se Zeilen auf das Jahr 2015 bezögen.
Aber dannkamen der Donnerstag und
mit ihmweitereNachrichten. AmVormit-
tag sagtedie Universitätsbibliothek Alber-
tina ihrgesamtesVeranstaltungsproramm
ab, an dessen Durchführung sie seit einer
Wochetrotzig festgehalten hatte. Promi-
nenteSchriftstellerwie Jana Hensel oder
Josef Haslinger hätten dortlesen sollen,
aber nicht diese Gäste sprangenkurzfris-
tig ab, sonderndas Personal des Hauses
bat die Direktion umVerzicht.Was sollte
sie da machen? In diesenTagendes mitt-
lerweile eher minütlichausgerufenenNot-
standskann mangegenRisikofurchtnicht
glaubwürdig argumentieren.
Auch das Deutsche Literat urin stitut
Leipzig sagtseinefür Freitag angekündigte
Lesung ausden neuenWerkenvon Alumni
ab, währen dden aktuellenDLL-Studenten
immerhin nochdie Vorstellungder neues-
tenAusgabe ihrerJahresanthologie„Tipp-
gemeinschaft“gelang: im GohliserSchlöss-
chen, währen ddie fü rheute geplantezwei-
te Präsentation im Institut selbstausfäll t.
UndamDonnerstagabendteiltedann das
seitJahrenparallelzur Buchmesseveran-
stalteteunabhängigeComicfestival „Millio-
nairesClub“mit, dasseine Anweisun gder
StadtLeipzigdie ganze Veranstaltung am
WochenendeimKulturzentrum „Conne
Island“unmöglich mache.Einzelne Buch-
vorstellungen undVorträgewerde esnoch
geben, aberdas Herzdes Festivals ,die von
zahlreichenKleinverla genaus allerWelt
bestückte Verkaufsmesse, müsseausfallen.
Für dieteilweise vonweit her bereits nach
Leipzig angereistenAussteller istdas ei ne
finanzielleKatastrophe.
Unddamit sind sie nicht allein. In den
Gesprächen mit Gastronomen, Hoteliers,
vorallem aber Autorenzeigt sichdas Aus-
maß der bevorstehenden Einbußen,die

selbstwährend der ausgefallenen Buch-
messetageersteinenVorgeschmackauf
das bieten,wasinden nächstenWochen
odervermutlic heherMonaten noch bevor-
steht.Die Verluste allein für Leipziger Ge-
werbetreibendewegender Messeabsage
gehen in die Millionen.UndimVerlagsge-
schäfterstrecken sichdie Auswirkungen
vonCoronaweit über dieStadthinaus. Da-
bei hat die Leipziger Buchmesse als Han-
delsplattformgar keine sogroße Bedeu-
tung.Aber nun istetwaauchdie ursprüng-
lichfür diesen Monat angekündigteund
dann zunächstauf Maiverschobene Kin-
derbuchmesse in der italienischenStadt
Bologna endgültig abgesagtworden. Es ist
die größteVeranstaltungihrer Artwelt-
weit, und nachAuskunftvon Axel Scheff-
ler verdanken kleinere Verlagedieser
Branche einen Großteil ihrer Einnahmen
dem dortigen Lizenzhandel.Undden Au-
torenund Illustratoren dieses Bereichs bre-
chen jetzt die zahlreichen Schulveranstal-
tun genweg, mit denenetliche ihr Einkom-
men zu wesentlichen Teilen bestreiten
konnten.

F

ür Schriftsteller und Publi-
zisten andererSpartengilt
Ähnliches.Ihnenbrechen
nundie Auftrittsmöglich-
keitenweg. Oder Aufträge
wiedie imUmfeld einer
solch prominenten Preisverleihung wie
der am Mittwochausgefallenen zum dies-
jährigen Leipziger Buchpreis für Europäi-
scheVerständigung, den LászlóF. Földé-
nyizugesprochen bekommenhatte. Die
Übergabe, so wurdegesternvon der Leip-
ziger Buchmessebekanntgegeben,wird
kommendes Jahr im Doppelpack mit
dem dann neuenPreisträgernachgeholt.
Die letztjährigeLiteraturnobelpreisver-
leihung hathier ungut Schulegemacht.
UndstattzweiBegleitpublikationen, de-
renredaktionelleBetreuungfreie Mitar-
beiter in Lohn und Brot setzen,wirdes
dannwohlnur einegeben.
Noch garnicht zu bemessen ist,was
der VerlustanAufmerksamkeit durch die
Absageder Leipziger Buchmesse für die
deutschenVerlagebedeutet.Auchhier
werden die kleinerenweitausstärker be-
troffen sein,weilauchihreMarketingbud-
gets winzig sind und die Chance, die eige-
nen Büchervormehreren hunderttau-
send Menschen auf der Messe selbst und
bei den begleitenden Lesungen zu präsen-
tieren, nun entfallen ist. Mit improvisier-
tenAktionenversucht man auchhier,we-
nigstens kleine Öffentlichkeiten zu schaf-
fen. So haben sichetwadie langjährigen
Leipziger Gastgeber der beidenVerleger
der Berliner EditionFotot apeta bereit er-
klärt, ihr Privathaus diesmal nicht nur als
Übernachtungsquartier,sondernauchfür
eineVerlagspräsentation zurVerfügung
zu stellen. So wirdman heuteNachmittag
etwasüber dengerade erschienenen,fast
tausend SeienstarkenRoman „Milchbrü-
der,beide“ des bald vierundneunzigjähri-
genPsychologen Bernt Spiegel erfahren
können oder überweißrussische Litera-
tur bei der EditionFotot apeta.Aber eben
nur in einem winzigenKreis. PeterHinke
hatterecht :Man fühlt sichan1990 erin-
nert. Immerhin istdas nicht nur für Leip-
zig eine schönerehistorischeReminis-
zenz als die an 1919, das Jahr der Spani-
schen Grippe.

Wasvom


Lesen


übrig blieb


Ratschlag der Connewitzer
Verlagsbuchhandlung in Leipzig;
„DiePest“von Camusverkaufesichzur
Zeit ziemlichgut, sagt der Inhaber.

Foto Andreas Platthaus

EigentlichhätteLeipzig


jetzt im literarischenÜberschwang


der Buchmessegelebt.


Nach der Absagewegen Corona


wollteman möglichstviel vom


Begleitprogramm retten.


Dochder guteVorsatz allein


reicht nicht.


VonAndreas Platthaus

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