Süddeutsche Zeitung - 11.03.2020

(Frankie) #1
Frankfurt–Das Terminal 2 am Frankfur-
ter Flughafen ist am Dienstagmorgen ge-
spenstisch leer. Einzelne Passagiere geben
ihre Koffer ab und gehen zu den Sicher-
heitskontrollen. Die sonst üblichen Schlan-
gen gibt es nicht. Die meisten Flugzeuge,
die von Frankfurt aus starten, sind ähnlich
leer. Der Luftverkehr steckt wegen des Co-
ronavirus in einer tiefen Krise.
Die Lufthansa-Gruppe will ihren Flug-
plan wegen der fehlenden Nachfrage in
den nächsten Wochen um bis zu 50 Pro-
zent ausdünnen, die Konkurrenten planen
Ähnliches. Was kurzfristig für die Airlines
sinnvoll ist, ist längerfristig eine Gefahr.
Denn wegen der internationalen Regeln
für Start- und Landezeiten (Slots) an soge-
nannten regulierten Flughäfen drohen sie,
die Zeitfenster zu verlieren. Falls die Re-
geln weiter gelten, müssten sie also an wirt-
schaftlich (und ökologisch) unsinnigen Flü-
gen festhalten, um die Slots zu behalten.
Doch angesichts der drastischen Nachfra-

geeinbrüche könnten dies die Airlines über
Wochen und Monate nicht durchhalten.
An mehr als 200 Flughäfen weltweit ist
normalerweise die Nachfrage nach Slots
größer als das Angebot. Daher werden die-
se nach bestimmten Auswahlkriterien ver-
geben. Wer ein Zeitfenster für einen Start
oder eine Landung bekommen hat, darf
dieses im Prinzip auf unbegrenzte Dauer
behalten. Voraussetzung: Innerhalb einer
Flugplanperiode, also dem Sommer- oder
Winterflugplan, müssen die Slots zu min-
destens 80 Prozent genutzt werden, sonst
gehen sie in den Pool zurück.
Diese Regel garantiert den großen An-
bietern Stabilität an ihren Drehkreuzen
wie Frankfurt, München oder Paris. Sie
müssen sich um die Start- und Landezei-
ten nicht jedes Mal neu bewerben. In der
Krise wird die Slotregulierung aber zum
Problem. Wenn die Fluggesellschaften die
Zeitfenster zu weniger als 80 Prozent nut-
zen, verlieren sie den Anspruch auf sie und
damit einen Teil des Zugangs zu ihren wich-
tigsten Märkten. Es betrifft in Europa vor
allem die klassischen Airlines und in gerin-
gerem Ausmaß die Billigfluggesellschaf-
ten – sie fliegen meist weniger überlastete
Flughäfen an.
Und das Problem ist riesig: „Die dynami-
sche Lage unserer Industrie hat sich dra-
matisch verschlechtert“, sagte Lufthansa-
Chef Carsten Spohr in einer Botschaft an
seine Mitarbeiter. „Die Folgen für unsere
Buchungen sind immens.“ An einem Tag in
der vergangenen Woche sind laut Spohr
mehr Stornierungen als neue Buchungen
eingegangen. Bernstein-Research-Analyst
Daniel Röska rechnet damit, dass die Krise
die europäischen Airlines dieses Jahr etwa
fünf Milliarden Euro beim operativen Ge-
winn kosten wird. Der internationale Luft-
fahrtverband IATA rechnet mit Umsatzein-
bußen von mehr als 40 Milliarden Dollar
aus. Röska geht davon aus, dass alle gro-
ßen Airlines stark genug sind, Verkehrs-

rückgänge von 50 Prozent für zwei bis drei
Monate zu überleben. Er prognostiziert,
dass die Nachfrage von Juni an wieder an-
ziehen könnte und der Luftverkehr bis Jah-
resende wieder auf das Vorkrisenniveau zu-
rückgekehrt sein wird.

Bis dahin werden also, selbst wenn Rös-
ka mit seiner Prognose recht hat, viele Mo-
nate vergehen. Und so wird seit Tagen hin-
ter den Kulissen heftig darüber diskutiert,
wie das Dilemma gelöst werden kann. Der
internationale Luftfahrtverband IATA for-
dert, die Regulierung pauschal bis Ende Ok-
tober auszusetzen. Die EU-Kommission
stellte sich zunächst quer. Doch nun will
auch sie eine vorübergehende Aussetzung
der Regelung möglich machen. Am kom-

menden Mittwoch will sie dem Europäi-
schen Ministerrat einen Kompromissvor-
schlag vorlegen. „Wir wollen es den Flugge-
sellschaften erleichtern, ihre Slots zu behal-
ten, auch wenn sie diese Slots wegen der
sinkenden Nachfrage nicht nutzen kön-
nen“, sagte Kommissionschefin Ursula von
der Leyen am Dienstag in Brüssel.
Details sind noch nicht bekannt. Wie ei-
ne Zwischenlösung aussehen könnte, zeigt
die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Ver-
kehrsflughäfen (ADV) auf. Sie will die Slot-
regeln rückwirkend vom 1. Januar an und
bis mindestens Ende Mai aussetzen.
Gleichzeitig könnten Flughäfen darauf hof-
fen, dass die Fluglinien wenigstens von Ju-
ni an einen Teil der gestrichenen Verbin-
dungen wieder aufnehmen. Damit hätten
die Airlines zwar Zeit gewonnen, doch die
können noch immer nicht guten Gewis-
sens für den Rest des Sommers so kürzen,
wie sie das eigentlich tun würden, wenn sie
freie Wahl hätten. jens flottau

Der Deutsche Reiseverband (DRV) fordert
von der Bundesregierung Hilfen, um die Kri-
se im Zusammenhang mit dem sich verbrei-
tenden Coronavirus in den Griff zu bekom-
men. Unternehmen der Branche haben mit
Umsatzeinbußen von bis zu 75 Prozent zu
kämpfen, weil ihre Kunden touristische und
geschäftliche Reisen massenhaft absagen.
Die Folgen „bedrohen Beschäftigung und be-
lasten die Liquidität der Unternehmen erheb-
lich“, sagte DRV-Chef Norbert Fiebig.
Die Reisewirtschaft will daher schnellen
Zugang zu Krediten der KfW mit kurzen und
mittleren Laufzeiten, um Liquiditätsengpäs-
se zu überbrücken. Sonderregeln zur Kurzar-
beit sollen in Kraft treten, zu denen auch ge-
hört, dass die Sozialversicherungsbeiträge
der Arbeitgeber voll erstattet werden. Arbeit-

nehmer sollen bis zu drei Monate unbezahl-
ten Urlaub nehmen können, ohne sich selbst
sozialversichern zu müssen, so der DRV. Bis-
lang liegt die Grenze bei 28 Tagen. Auch ihre
Steuervorauszahlungen wollen die Unter-
nehmen der Branche schnell an die geringe-
ren Umsätze anpassen, sprich: reduzieren
dürfen. Der DRV will zudem ein Marktanreiz-
programm erarbeiten, das gestartet werden
soll, wenn sich die Lage entspannt hat.
Die Reisebüros haben derzeit nicht nur
mit den vielen Stornierungen von Urlaubsrei-
sen zu kämpfen, sondern auch mit einem An-
sturm von Kunden, die sich über mögliche Ri-
siken beraten lassen wollen. Außerdem fin-
de ein Großteil der Dienstreisen, die über
Agenturen abgewickelt werden, derzeit gar
nicht statt. JFL

Geisterflüge


Viele Airlines starten mit halb leeren Flugzeugen, um ihre Slots zu behalten. Jetzt deutet sich eine Lockerung der Regel an


DEFGH Nr. 59, Mittwoch, 11. März 2020 HF2 17


von claus hulverscheidt

New York–Es ist gerade einmal zwei Wo-
chen her, da erklärte Donald Trump die lei-
dige Sache mit dem Coronavirus für erle-
digt. Die Zahl der Infizierten im Land ten-
diere gegen Null, die Lage sei im Griff, be-
tonte er. Nur Tage später ist Trumps Welt
eine völlig andere: Auch in den USA steigt
die Zahl der Toten, fünf republikanische
Top-Politiker, darunter sein designierter
Stabschef Mark Meadows, befinden sich
nach einem Parteitreffen freiwillig in Qua-
rantäne, und der Präsident muss die Frage
beantworten, warum er, der täglich Dut-
zende Hände schüttelt, sich nicht selbst
längst hat testen lassen. In der Nacht zu
Dienstag drehte Trump nun bei: Mit einem
„sehr großen“ Entlastungspaket für Bür-
ger und Betriebe will er zumindest dafür
sorgen, dass aus der Gesundheits- nicht
auch noch eine Wirtschaftskrise wird.
Der Sinneswandel hat allerdings weni-
ger mit Einsicht zu tun als mit dem Börsen-
crash, der die US-Aktienkurse am Montag
beinahe ins Bodenlose hatte stürzen las-
sen. Zwar erholten sich die Märkte am
Dienstag wieder ein wenig, dennoch dürfte
dem Präsidenten gehörig der Schreck in
die Glieder gefahren sein: Seit mehr als
drei Jahre benutzt er den Börsenboom als
eine Art Gütesiegel, das nach seinem Dafür-
halten nicht nur die Richtigkeit seiner Poli-
tik bestätigt, sondern aus dem er auch den
Anspruch ableitet, bei der Wahl im Novem-
ber im Amt bestätigt zu werden. Ein Ende
der Rekordjagd oder gar eine längere Tal-

fahrt der Kurse würde diese zentrale Wahl-
kampfbotschaft im Kern beschädigen.
Trump ist nicht der erste Politiker, der
sich im Glanz steigender Aktienkurse sonn-
te. Wie so oft ging der Präsident aber einen
Schritt weiter als alle anderen und verkauf-
te die Kursgewinne in Tweets und Reden
als Ausdruck seiner Persönlichkeit, ja, sei-
ner Gewinnermentalität. Tatsächlich wäre
es nicht redlich zu behaupten, der Boom
der letzten Jahre habe nichts mit ihm zu
tun: Mit Steuersenkungen sowie dem Ab-
bau kostenträchtiger Umwelt- und Sozial-
standards trug Trump maßgeblich dazu
bei, dass viele Firmen höhere Gewinne er-
zielten und eigene Aktien zurückkaufen
konnten. Dass sich eine solch wirtschafts-
freundliche Politik in steigenden Aktien-
kursen niederschlägt, ist nur folgerichtig.
Was Trump aber – wie mancher vor ihm


  • übersah, ist, dass an den Börsen nicht
    nur Daten und Fakten gehandelt werden,
    sondern auch Hoffnungen und Befürchtun-
    gen. Dass Herdentrieb, Überschwang und
    pure Ahnungslosigkeit die Finanzmärkte
    häufig von der Realität entkoppeln und
    dass Faktoren eine Rolle spielen, auf die
    ein Präsident schlicht keinen Einfluss hat.
    So sind die Aktienkurse derzeit auch des-
    halb so hoch, weil es den Anlegern ange-
    sichts historisch niedriger Zinsen schlicht
    an vernünftigen Alternativen mangelt.
    Angesichts solcher Unwägbarkeiten ha-
    ben es sich weitsichtigere Politiker immer
    wieder verkniffen, mit Kursgewinnen zu
    prahlen. Trumps viel geschmähter Vorgän-
    ger Barack Obama etwa äußerte sich nur


sehr selten zur Lage am Aktienmarkt, ob-
wohl er durchaus Grund dazu gehabt hät-
te: So legte der S&P-500-Index in seinen
ersten drei Amtsjahren um fast 70 Prozent
zu, Trump kam im gleichen Zeitraum auf
knapp 50 Prozent. Diese Woche schrumpf-
te das Plus auf nur noch gut 20 Prozent.
Da der Börsenboom jedoch für Trump ei-
ner der Eckpfeiler seiner Wiederwahlstra-
tegie ist, entbehrt es nicht einer gewissen
Logik, dass er die gesundheitlichen wie die
ökonomischen Risiken des Coronavirus
systematisch herunterspielte. Tagelang
versuchte der Präsident gar, die Epidemie
per Tweet totzuschweigen, indem er stän-
dig neue Gründe dafür erfand, warum die
Aktienkurse immer stärker schwankten.

Mal waren es angeblich die Präsident-
schaftskandidaten der Demokraten, die
mit ihren Fernsehdebatten die Börsen ver-
schreckten, mal waren es die Medien, die
die Gefahren des Virus aus seiner Sicht auf-
bauschten. Noch am Montagmorgen, also
unmittelbar vor Beginn des Börsencrashs,
ereiferte sich Trump darüber, dass nie-
mand über die 37000 US-Bürger berichtet
habe, die 2019 an der Grippe gestorben sei-
en, jetzt aber wegen zwei Dutzend Corona-
Toten riesige Artikel erschienen. Schuld an
der Nervosität der Aktienmärkte, so seine
Botschaft, seien nicht irgendwelche Viren,

sondern der Öl-Streit zwischen den Liefer-
ländern Saudi-Arabien und Russland –
und die „Fake News“ der Medien.
Diese Interpretation allerdings ging of-
fenbar selbst wichtigen Beratern zu weit,
die sehr wohl registrierten, dass selbst eini-
ge ultra-konservative Kommentatoren die
Frage aufwarfen, ob dem Präsident die Be-
ruhigung der Finanzmärkte womöglich
wichtiger sei als der Schutz der Bevölke-
rung und die Bekämpfung einer Epidemie.
Entsprechend scharf fiel die Kurskorrek-
tur aus, die Trump am Dienstag vollziehen
musste: Er werde, so sprach der Staats-
chef, dem Kongress ein Paket aus „sehr
weitreichenden Lohnsteuersenkungen“
und einer Reihe weiterer Maßnahmen vor-
schlagen, um die ökonomischen Folgen
der Corona-Krise in den Griff zu bekom-
men – jener Krise also, deren Existenz er
noch Stunden zuvor bestritten hatte.
Trump wäre allerdings nicht Trump,
ginge der Richtungswechsel nicht mit neu-
en Verschwörungstheorien einher. LautVa-
nity Fair, einer in den USA durchaus Ernst
zu nehmenden Monatsillustrierten, soll er
in einem Gespräch mit Beratern den Ver-
dacht geäußert haben, die Medien wollten
mit übertriebenen Corona-Berichten die
Aktienmärkte zu seinen Ungunsten mani-
pulieren. Doch damit nicht genug: Der Prä-
sident befürchtet dem Artikel zufolge zu-
dem, einer oder mehrere der Journalisten,
die auf seinen Reisen durchs Land regelmä-
ßig in der Air Force One mitfliegen, könn-
ten sich absichtlich mit dem Coronavirus
infizieren – um ihn, Trump, anzustecken.

Hilfen für Reisefirmen


von harald freiberger

E


igentlich ist das alles ganz einfach
mit Aktien: Man kauft, wenn die
Kurse unten sind, verkauft, wenn
sie ihren Höchststand erreichen und kauft
dann wieder auf dem Tiefpunkt. Insofern
wäre es sinnvoll gewesen, am 20. Februar
zu verkaufen, dem Tag, als der Dax seinen
bisherigen Rekord aufstellte. Weil die Sor-
ge um sich greift, dass das Coronavirus
die Weltwirtschaft zum Erlahmen bringt,
ist der Dax seitdem um mehr als 20 Pro-
zent gefallen, davon allein um acht Pro-
zent an diesem „Schwarzen Montag“.
Man könnte nun wieder einsteigen,
wenn man wüsste, dass der Aktienmarkt
damit seinen Tiefpunkt erreicht hat. Das
Problem ist nur: Das weiß man natürlich
nicht. Es kann genauso gut sein, dass die
Börse noch einmal um zehn, 20 oder 30
Prozent fällt. Gerade in diesen Zeiten zeigt
sich: Es ist doch nicht so einfach mit Ak-
tien. Weil nichts so unberechenbar ist wie
die Zukunft und weil man es auch umge-
kehrt machen kann: dann kaufen, wenn
die Kurse oben sind und verkaufen, wenn
sie unten sind. Es ist sogar sehr mensch-
lich, etwas zu riskieren, wenn Euphorie
herrscht – und dann alles hinzuwerfen,
wenn Ernüchterung einkehrt.


Viele Anleger sind in diesen Tagen er-
nüchtert und ängstlich, gerade auch sol-
che, die nicht Millionen investieren, son-
dern sich vielleicht nach langer Überle-
gung durchgerungen haben, mit ihrem Er-
sparten an der Börse für das Alter vorzu-
sorgen. Haben nicht die Experten immer
geraten, an den Kapitalmärkten zu inves-
tieren, weil da in Zeiten von Null- und Ne-
gativzins langfristig noch Rendite zu ho-
len ist? Nun erleben viele dieser Anleger ih-
ren ersten Börsenkrach nach elf Jahren
Boom und sind versucht, dem ersten Im-
puls zu folgen: Nichts wie weg hier.
Doch es wäre genau falsch, wenn Privat-
anleger jetzt panisch aus Aktien ausstei-
gen und der Börse möglicherweise für im-
mer den Rücken kehren.
Ja, es passiert gerade das, wovor seriö-
se Anlageexperten stets warnen: Dass es
an der Börse stark nach unten gehen
kann, um 20 Prozent oder mehr. Vor 20
Jahren waren es in Deutschland sogar ein-
mal 70 Prozent, als die Internetblase platz-
te. Diese Erfahrung wirkt bei Älteren bis


heute nach. Auch deshalb ist die Zahl der
Deutschen, die in Aktien investieren, so ge-
ring. Zuletzt stieg sie wegen der seit Jah-
ren boomenden Börse wieder an. Doch
nun kommt der nächste Schlag, ein Ein-
bruch, wie es ihn lange nicht mehr gab.
Dieser Einbruch bietet aber auch eine
Gelegenheit: Gerade Privatanleger kön-
nen diesen nutzen, um in sich hineinhor-
chen. Zeiten des Crashs sind sehr gut dazu
geeignet, zu prüfen, wie es um das bestellt
ist, was Anlageberater „persönliche Risi-
kotragfähigkeit“ nennen: Wie viel Verlust
hält ein Anleger rein psychisch aus? Kann
er noch schlafen, wenn die Aktien in sei-
nem Depot nicht mehr 30 000 Euro wert
sind, sondern vielleicht nur noch 20000
Euro? Nimmt ihn das so sehr mit, dass er
die Aktien am liebsten verkaufen würde,
um wieder Ruhe zu haben?
Dabei sollten Anleger bedenken, dass
ihre objektive Risikotragfähigkeit mögli-
cherweise höher ist als das momentane
subjektive Empfinden. Panik ist ein
schlechter Ratgeber, gerade wenn es um
die langfristige Geldanlage geht. Genau
aus diesem Grund raten die Experten im-
mer, nur Geld an der Börse zu investieren,
das man mindestens zehn Jahre lang
nicht anrühren muss.
Der größte Fehler von Anlegern aber ist
es, aus Aktien in Zeiten auszusteigen, in
denen die Stimmung am Boden ist. Es
führt dazu, dass sie langfristig bei der
Geldanlage immer schlechter abschnei-
den als der Markt. Wer dagegen in guten
wie in schlechten Zeiten einfach an der
Börse investiert bleibt, macht auf lange
Sicht ein ordentliches Plus. Deshalb emp-
fiehlt es sich gerade für private Anleger,
lange, regelmäßig und breit gestreut in Ak-
tien zu investieren, zum Beispiel über
Fonds-Sparpläne, die immer beliebter
werden. Wer einen solchen Sparplan abge-
schlossen hat, sollte die Sparrate nicht da-
von abhängig machen, ob die Börse gera-
de gut läuft oder schlecht, er sollte einfach
immer weitersparen. Der Gewinn liegt in
der Geduld und in der Langfristigkeit.
Für Privatanleger geht es in diesen Zei-
ten vor allem darum, den inneren Angstha-
sen zu überwinden. Wer das nicht schafft,
wer keine ruhige Minute mehr hat, wenn
die Kurse einbrechen, der sollte nicht oder
nur in geringem Maße in Aktien investie-
ren. Alle anderen aber sollten in dem Wis-
sen, dass die Kurse stark schwanken kön-
nen, an der Börse investiert bleiben und
die schwierige Zeit aussitzen. Denn eines
ist bei Aktien sicher: Es wird wieder auf-
wärts gehen. Man weiß nur nicht wann. Ei-
gentlich ist alles ganz einfach.

Start- und Landerechte müssen zu min-
destens 80 Prozent genutzt werden, sonst
verfallen sie. FOTO: BORIS ROESSLER/DPA

„Grip“. „Race“. „Fit“. Wenn Klaus Rosen-
feld, 53, in den vergangenen Jahren Pläne
ausrief, mit denen die Schaeffler AG umor-
ganisiert, neu ausgerichtet oder auf effizi-
enteres Arbeiten getrimmt werden sollte,
dann trugen diese Programme stets griffi-
ge Namen.
So wird es auch mit dem neuen Fünf-
Jahres-Plan sein, den der Vorstandschef
des Automobil- und Industriezulieferers
unter dem vorläufigen Stichwort „Road-
map 2024“ am 24. März am Konzernsitz
im fränkischen Herzogenaurach präsentie-
ren will. Vorausgesetzt, das Coronavirus
verhindert das nicht.
„Wir stehen mit diesem Problem in Eu-
ropa erst am Anfang“, prognostiziert Ro-
senfeld und ist zumindest darüber froh,
dass das Virus die Schaeffler-Produktion
in China nicht mehr komplett lahmlegt.
Dort erwirtschaftet das Unternehmen im-
merhin ein Fünftel seines Umsatzes. „Alle
unsere Werke in China sind am Netz, wir
haben eine Kapazitätsauslastung von 80
Prozent“, sagt der Vorstandschef und hofft



  • wie viele Manager und Unternehmer in
    diesen Wochen – dass das Coronavirus
    nicht zu sehr die Geschäfte 2020 lähmt.
    Denn Klaus Rosenfeld hat auch so ge-
    nug zu tun. Schaeffler ist ein großer Tan-
    ker. Und der frühere Marinesoldat Rosen-
    feld ist der Kapitän, der trotz aller Stürme
    Ruhe bewahren will. Das global und vor al-
    lem in China rückläufige Automobilge-
    schäft setzt dem Unternehmen zu und hin-
    terlässt auch Spuren im Ersatzteilge-
    schäft. Hingegen wächst die Industriespar-
    te, die vor einigen Jahren noch ein Problem-
    feld war, das Rosenfeld aber augenschein-
    lich in Griff bekommen hat.
    Seine größte Herausforderung hat der
    Hobbymusiker, Jogger und Familienvater
    aber noch nicht bewältigt, sie braucht auch
    Zeit: Er muss den seit Jahrzehnten auf die
    Entwicklung und Produktion mechani-
    scher Teile wie Wälzlager, sowie die ferti-


gung von Komponenten wie Kupplungen
und Getriebe ausgerichteten Konzern in
das Zeitalter der Elektromobilität steuern


  • ohne das klassische Geschäft rund um
    Verbrennungsmotoren zu vernachlässi-
    gen. Das gelänge gut, sagt Rosenfeld. „Wir
    können inzwischen nicht nur Hochleis-
    tungsmechanik, sondern den kompletten
    E-Motor.“ Große Aufträge für Hybridmodu-
    le, E-Motoren und E-Achsen habe man be-
    reits in den Büchern.
    Im vergangenen Jahr allerdings sta-
    gnierte der Umsatz bei 14,4 Milliarden Eu-
    ro, und auch 2020 werden die Geschäfte
    voraussichtlich nicht wachsen, sondern
    womöglich sogar leicht zurückgehen. Der
    Überschuss sackte 2019 um mehr als die
    Hälfte auf 428 Millionen Euro ab. Trotz-
    dem war Rosenfeld einigermaßen zufrie-
    den, denn im Jahresverlauf hatte es zeit-
    weise deutlich schlechter ausgesehen. An
    der Börse gehörte die im S-Dax gehandelte
    Schaeffler-Aktie trotz der vorsichtigen Pro-
    gnosen am Dienstag zu den Gewinnern.
    2009 war der im Umgang verbindlich-lo-
    ckere Rosenfeld von der Dresdner Bank als
    Finanzvorstand zu Schaeffler gekommen
    und im Oktober 2013 zum Vorstandschef
    aufgestiegen. Er genießt das Vertrauen
    von Georg Schaeffler, 54, und Maria-Elisa-
    beth Schaeffler-Thumann, 78, denen drei
    Viertel der Firma gehören.
    Und obwohl 2019 mehr als 1100 Stellen
    in Deutschland gestrichen wurden und
    2020 weitere 1300 wegfallen werden, ste-
    hen auch Betriebsrat und IG Metall hinter
    Klaus Rosenfeld.
    Man traut ihm, dem Finanzfachmann,
    den technologischen Transformationspro-
    zess zu, dessen Gelingen für Schaeffler
    überlebenswichtig ist. „Wir könnten heute
    schon ein E-Auto bauen, wollen es aber
    nicht, denn wir sind ein Zulieferer und wol-
    len ein Zulieferer bleiben“, sagt Rosenfeld.
    Alles weitere dann am 23. März. So das Co-
    rona-Virus es erlaubt. uwe ritzer


WIRTSCHAFT


SeineAnhänger halten Donald Trump die Treue, aber der Börsencrash bedroht einen Eckpfeiler seiner Wiederwahlstrategie. FOTO: MARIA ALEJANDRA CARDONA/REUTERS

NAHAUFNAHME


„Wir können inzwischen
nicht nur
Hochleistungsmechanik,
sondern den
kompletten E-Motor.“
Klaus Rosenfeld
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA

Trumps Welt wankt


Weil der US-Präsident das Coronavirus dramatisch unterschätzte, muss er jetzt um seine Wiederwahl fürchten.
Der Kurssturz an den Weltbörsen erschüttert ausgerechnet das Vertrauen in seine Wirtschaftskompetenz

PRIVATANLEGER

Der innere Angsthase


In schwerer See


KlausRosenfeld und der schwierige Kurswechsel bei Schaeffler


Seit Tagen wird heftig
darüber diskutiert, wie eine
Lösung aussehen könnte

Verkaufen, wenn die Kurse unten


sind: Das ist der größte Fehler,


den Anleger machen können


Ist Trump die Beruhigung
der Märkte wichtiger als
der Schutz der Bevölkerung?
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