Handelsblatt - 11.03.2020

(singke) #1

Im Schnitt wird alle vier Stunden in
Deutschland ein Start-up gegründet.
Für viele Gründer ist es unerlässlich,
einen passenden Angel zu finden.
Denn ein guter Business Angel sei für
Gründer auch ein Sparringspartner
und unterstütze sie mit seinem Netz-
werk. „Business Angels haben zwei
Flügel, einer beinhaltet das unterneh-
merische Know-how und der andere
das Kapital“, sagt Ute Günther, Vor-
ständin beim Business Angels Netz-
werk (BAND).
Nach Schätzungen des BAND gibt es
hierzulande etwa 10 000 Angels.
Doch der Markt ist intransparent – teil-
weise zum Nachteil der Angel. Martin
Sinner, Gründer des Preisvergleichs-
portals Idealo und aktiver Angel, sagt:
„Ich werde wegen meiner Idealo-Ver-
gangenheit oft für Investments im On-
linehandel angesprochen, dabei inte-
ressiere ich mich vor allem für Soft-
ware und Plattformen als Service und
den Messenger-Bereich.“ Meistens
werde er über den Weg persönlicher
Kontakte angefragt und erkundigt sich
selbst wiederum im Bekanntenkreis,
ob jemand Einschätzungen zu den
Gründerpersonen und ihren Ge-
schäftsideen geben kann. So sei es
auch bei Researchgate gewesen, eine
Datenbank für Forscher aus allen Wis-
senschaftsbereichen.
Mit dem Institut für Innovation
und Technik (IIT) hat Startupde-
tector seine Daten nun erstmals auf
Muster untersucht. Vor allem über
die Angels will das Unternehmen
künftig noch mehr herausfinden, um
auch Gründern damit zu helfen. Im
ersten Schritt haben sie alle Firmen-
gründungen 2019 und die Finanzie-
rungsrunden im zweiten Halbjahr
2019 erhoben. Die wichtigsten Er-
kenntnisse im Überblick:


nBusiness Angel sind Starthelfer
Im Gegensatz zu Wagniskapitalge-
bern, englisch Venture Capitalists
(VCs), investieren Business Angels
meist kleinere Beträge: Als typisch
gelten 50 000 bis 150 000 Euro. Zu-
gleich tragen sie ein größeres Risiko,
weil sie in sehr frühen Phasen in die
Unternehmen einsteigen – lange be-
vor klar ist, ob das Geschäftsmodell
tatsächlich funktioniert.
Das ist besonders wichtig, weil
Start-up-Gründer bei Banken kaum
Chancen auf einen Kredit haben. Oft
legen die Angels mit den sogenann-
ten „Seed-Runden“ das Samenkorn
für den unternehmerischen Erfolg.
Weitere Finanzierungsrunden wer-
den dann Series A, Series B und Se-
ries C genannt. In Ausnahmefällen
folgen weitere.
Laut Startupdetector waren die
Unternehmen zum Zeitpunkt eines
Angel-Investments im Schnitt knapp
zwei Jahre alt, bei VC-Investments
schon fast drei.


nInvestoren sichern sich gegen-
seitig ab
Insgesamt hat Startupdetector im
zweiten Halbjahr des vergangenen
Jahres 1007 Kapitalerhöhungen bei
Start-ups registriert. Nur bei 180 da-
von trat ein Angel alleine auf, bei 75
war ein VC alleine unterwegs. Im
Schnitt waren 3,7 Geldgeber an einer
Finanzierungsrunde beteiligt.
Mehrfachgründer Felix Haas (Ami-
ando, IDNow), der mit drei Partnern
in rund 100 Unternehmen investiert
hat, bestätigt: „Business Angels sind


Herdentiere. Solche Investments
macht man immer gemeinsam, nur
so bekommt man Zugang zu den bes-
ten Deals.“
Es gehe darum, Informationen zu
teilen und sich gegenseitig zu unter-
stützen. „Als Business Angel bekom-
me ich enorm viele Angebote, von
denen ich die meisten schnell aus-
sortiere. Aber, wenn ein Bekannter
eine Empfehlung gibt, schaue ich
mir das genau an“, sagt Haas.
Den ersten Business Angel zu
überzeugen, sei für Gründer die
größte Hürde. Investorengruppen
entwickeln sich meist über persönli-
che Kontakte. Laut BAND gibt es in
Deutschland sechs offizielle Angel-
Clubs und 40 Netzwerke.

nBerlin ist die Stadt der Angels
Gemessen an der Einwohnerzahl
sind in München im zweiten Halb-
jahr 2019 die meisten Menschen als
Angels aktiv geworden, nämlich 156.
Berlin hat mit 250 aktiven Business
Angels zahlenmäßig aber die meis-
ten. In Hamburg haben 84 Angels in-

vestiert, in Frankfurt 56. Ortsbezug
sei für Business Angels aber unwich-
tig, hat Studienautor Engelmann he-
rausgefunden. „Die meisten Business
Angels sind durchaus sehr stark au-
ßerhalb ihres eigenen Bundeslandes
aktiv“, sagt er.
Nur in Baden-Württemberg und
Bayern investieren sie vorwiegend in
heimische Start-ups. Berlin und
Hamburg zogen auch viele auswärti-
ge Angels an. Grund dafür dürfte
auch die Intransparenz des Marktes
sein: In der Start-up-Hochburg Berlin
können sich Gründer gegenseitig den
Kontakt zu ihren Angels vermitteln.

n Nicht jedes spannende Start-up
will ein Einhorn werden
Bis Unternehmer externe Investoren
in die Firma holen, dauert es häufig
eine Weile. Bei der ersten Finanzie-
rungsrunde waren Start-ups im
Schnitt 23 Monate alt, bei der zwei-
ten drei Jahre und bei der dritten
knapp fünf.
Was diese Daten nicht zeigen: Vie-
le Gründer kommen ohne Geldgeber
aus. Wie Felix Haas beobachtet, wol-
len diese meist gar kein Einhorn wer-
den, also eine Firma, die mit mindes-
tens einer Milliarde Dollar bewertet
wird. „Aber ihre Unternehmen sind
häufig schon früh profitabel“, sagt
Haas.
An einer schwierigen Finanzie-
rungssituation liegt es nicht. Laut
Thomas Prüver, Partner bei EY, hat
sich Deutschland in der Frühphasen-
finanzierung „gut entwickelt“. „Gute
Start-ups bekommen in der Seed-
Runde und in der Series A relativ ein-
fach ein bis zwei Millionen Euro und
können sich die Geldgeber aussu-
chen“, sagt er. Auch die Zahl der VCs
in diesem Bereich steige.
Etwas anders sieht es Ute Günther
vom BAND: „Aus Start-up-Sicht kann
es gar nicht genug Business Angels
geben“, sagt sie. Zudem würden die
Unternehmensbewertungen steigen
und damit werde das Investment für
den einzelnen Angel teurer.
Hinzu kommt aktuell noch die Un-
sicherheit durch die Coronavirus-
Epidemie. „Es ist noch zu früh, um
zu sagen, ob das Coronavirus tat-
sächlich zu einer weltweiten Wirt-
schaftskrise führen wird“, sagt Su-
sanne Chishti, Geschäftsführerin des
Business-Angel-Netzwerks Fintech
Circle. „Falls es soweit kommt, wer-
den auch die Start-up-Investments
zurückgehen.“

nNur jede fünfte Neugründung
richtet sich an die Industrie
Die Digitalisierung der Industrie gilt
als große Chance für Deutschland,
globale Technologieführer hervorzu-
bringen. Bei den Gründern ist die
Botschaft aber noch nicht angekom-
men. Im vergangenen Jahr wurden
laut Startupdetector in Deutschland
insgesamt 2289 Start-ups gegründet,
nur 130 davon Industriesektor. Im
Ranking der Gründungen pro Seg-
ment liegt die Industrie nur auf Platz
fünf.
Am beliebtesten ist dagegen die
Softwareentwicklung mit 481 neuen
Firmen. Daneben dominierten Grün-
dungen im Bereich Gesundheit (260)
und E-Commerce (165).
Im Bereich Energie (41 Start-ups)
und Umwelttechnologie (29) wurden
trotz des großen Bedarfs relativ we-
nig Firmen gegründet.

Auch in den Investments schlägt
sich der Aufbruch in die Digitalisie-
rung der Industrie noch nicht nieder.
Industrie-Start-ups sind im Ranking
der beliebtesten Segmente im zwei-
ten Halbjahr 2019 nur auf Platz
sechs.

nFokus auf Geschäftskunden ist
Trumpf
Rund 61 Prozent der Start-ups, die ei-
ne Finanzierung erhielten, richten
sich laut Engelmann an Geschäfts-
kunden (B2B). Einen Privatkunden-
fokus hatte nur jedes Dritte. Bei den
Übrigen war die Ausrichtung unbe-
kannt. Zu einem ähnlichen Ergebnis
kam kürzlich die Beratungsgesell-
schaft EY bei einer Untersuchung
der Top-100-Tech-Start-ups, gemes-
sen am kumulierten Finanzierungs-
volumen: Demnach lag der B2B-An-
teil 2019 bei 60 Prozent, 2016 waren
es noch knapp 40 Prozent.
EY-Partner Prüver wertet das als
Zeichen eines reifenden Marktes.
„Wenn man sich an Geschäftskunden
richtet, muss man in der Regel mehr
Zeit für die Produktentwicklung ein-
planen, denn Unternehmen wollen
gleich ein fehlerfreies Produkt und
tolerieren Anpassungen nicht so wie
Privatkunden“, sagt er.
Zugleich sei die Geschäftsbezie-
hung zu Firmenkunden aber nach-
haltiger. „Wenn man solche Kunden
einmal hat, springen sie meist auch
nicht so schnell wieder ab“, so der
Berater. Rund 57 Prozent der 2019
neu gegründeten Start-ups setzen auf
das B2B-Geschäft, nur 31 Prozent auf
Privatkunden.

nÖffentliche Kapitalgeber achten
nicht nur aufs Geld
Neben privaten Investoren unterstüt-
zen auch öffentliche Geldgeber den
Start-up-Sektor. Der mit Abstand
aktivste Wagniskapitalgeber war mit
40 Investments in der zweiten Jah-
reshälfte 2019 der High-Tech Grün-
derfonds, zeigt die Studie von
Startup detector. Dabei handelt es
sich genaugenommen um eine öf-
fentlich-private Partnerschaft. Haupt-
investor ist der Bund, gefolgt von der
KfW Bankengruppe und 18 Unter-
nehmen.
Öffentliche Investoren sind ten-
denziell aktiver als private Wagniska-
pitalgeber, so die Autoren der Studie.
Typisch ist, dass sie sich die Gründer
schon sehr früh ansehen und sogar
beim Gründen helfen.
Alexander von Frankenberg, Ge-
schäftsführer vom High-Tech Grün-
derfonds sagt: „Wenn wir zum ers-
ten Mal mit Gründern reden, stehen
die Gründungen oft noch aus.“ Die-
ses frühe Engagement ist letztlich
auch Aufgabe der öffentlichen Geld-
geber, sagen die Autoren: Wegen
der hohen Risiken gab es in diesem
Bereich in der Vergangenheit noch
Finanzierungslücken. Je früher
Geldgeber einsteigen, desto schwie-
riger sind die Chancen einer Firma
abzuschätzen.
Dabei jagen die öffentlichen Geld-
geber nicht nur die berühmten Ein-
hörner: „Wir adressieren die breite
Masse“, sagt von Frankenberg. Zwar
solle sich jedes Investment auch ren-
tieren. Als öffentlicher Geldgeber
schaue er aber zweimal hin, bevor er
einem Start-up absagt, das wichtige
Themen wie Klima, Umweltschutz
und saubere Technologien angeht.

Wo Investoren Start-ups finanzieren
Zahl finanzierter Start-ups nach Branche
in Deutschland im 2. Halbjahr 2019

Zahl aktiver Investoren 2019
nach Investoren-Typ

138

129

98

68

67

66

56

51

43

34

33

28

28

20

18

18

13

13

11

10

10

9

8

7

6

Gesundheit

Software

eCommerce

Mobilität

Lebensmittel

Industrie

Finanzbereich

Immobilien

Personal

Dienstleistung

Energie

Sport

Tourismus

Werbung

Hardware

Logistik

Bauwesen

Umwelttechnologie

Bildung

Landwirtschaft

Blockchain/Crypto

Gaming

Medien

Versicherung

Rechtsberatung

Sonstige

HANDELSBLATT Quelle: IIT/Startupdetector Report 2019

Gesamt
2 944
Investoren
351
Wagnis-
kapitalgeber

234
Unternehmen

168
Sonstige

2 191
Business Angel

Business


Angels haben


zwei Flügel,


einer beinhaltet


das unter -


nehmerische


Know-how und


der andere das


Kapital.


Ute Günther
Business Angels
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MITTWOCH, 11. MÄRZ 2020, NR. 50
17

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