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Dorothea Beckmann
Mein Stottern – Gegner oder
Verbündeter?
Hat es etwas Gutes, dass ich stottere? Ist Stottern ein Glück, ein Vorteil, gar ein
Geschenk? Auf diese Frage möchte ich sofort laut „Ja!“ rufen, bin ich mir im
Rückblick auf mein bisheriges Leben schnell sicher: Für mich war das Stottern
ein großer Glücksfall! Außenstehende aber und Stotternde, die sich durch ihr
Stottern zurzeit noch sehr gepeinigt fühlen, werden die Stirn runzeln: Was soll
denn das Positive sein an diesem beschämenden Kontrollverlust, diesen ärgerli-
chen Momenten, in denen man sich so hilflos fühlt, ins Schwitzen und Kämp-
fen gerät, in denen man nicht der Person gleicht, die man eigentlich ist – oder
die man doch zumindest sein könnte?
Gut, ich habe von mir gesprochen. Für mich war das Stottern ein Glücksfall.
Warum? Dazu später mehr. Aber hat Stottern in sich auch etwas Gutes? Hat
man einen objektiven Gewinn davon, dass man stottert?
Im sozialen Umfeld von Familie, Freunden und Schule kann das Stottern der
Anfangsjahre durchaus einen sekundären Gewinn abwerfen. Dieser Gewinn ist
unter aufgeklärten Stotternden, aber auch unter solchen, die ihr Stottern eher
verdrängen und kleinreden, natürlich verpönt, denn er rekrutiert sich aus den
mitfühlenden Reaktionen der Umwelt. Stotternde werden ja mitnichten stets
nur ausgelacht und ausgegrenzt. Vielmehr wird ihnen, z.B. im Rahmen der Fa-
milie, auch viel Verständnis und Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Ein möglicher Gewinn durch das Stottern könnte die Schonung sein, die
manch stotterndem Kind gewährt wird. Vielleicht wird es von Aufgaben ent-
bunden, die den Geschwistern abverlangt werden. Vielleicht widmen sich ver-
ständnisvolle Eltern dem stotternden Kind mit besonders viel Zeit und Empa-
thie. Vielleicht honoriert manch engagierter Lehrer die Unterrichtsbeiträge des