Der Spiegel - ALE (2022-01-08)

(EriveltonMoraes) #1
Nr. 2 / 8.1.2022DER SPIEGEL 149

Betty White, 99
»Ich habe so ein Glück, dass ich bei guter Gesundheit bin«, sagte
sie dem US-Magazin »People«, das sie Ende Dezember wegen
ihres anstehenden 100. Geburtstags aufs Cover nahm. Wie sie sich
ihr langes Leben erkläre? »Ich versuche, nichts Grünes zu essen.«
Die Antwort war typisch, White nahm sich selbst immer als Erste
auf die Schippe. Alter, so bewies sie bis zuletzt, ist kein Grund
für Resignation, Langeweile oder Prüderie. Whites Welterfolg, die
US-Sitcom »Golden Girls« über vier Seniorinnen in Miami, in
der sie die liebenswerte Nervensäge Rose Nylund spielte, endete
zwar vor fast 30 Jahren. Doch irgendwo läuft die »geschätzteste
TV-Show aller Zeiten« (BBC) bis heute immer noch, als Wieder-
holung, als Videoclip, als Meme. Dabei war sie viel mehr als
das letzte der »Golden Girls« – ihre Co-Stars hatte sie lange über-
lebt. Mit sieben Jahrzehnten im Showbusiness war White nicht
nur die am längsten aktive TV-Entertainerin der Welt, sondern
auch eine der ersten selbstbestimmten Frauen hinter der Kamera,
zu einer Zeit, da Frauen dort nicht viel zu sagen hatten. Geboren
bei Chicago als Tochter einer Hausfrau und eines Handlungs-
reisenden, erlebte White die Weltwirtschaftskrise als Kind mit. Sie
wollte eigentlich Wildhüterin werden, weil sie Tiere liebte. Den
Spaß am Schau spielern entdeckte sie an ihrer berühmten Schule,
der Beverly Hills High School. 1939 tanzte sie in einem Abschluss-
ballkleid durch die erste TV-Show an der US-Westküste, da war
sie gerade 17. 1954 produzierte sie ihre eigene »Betty White Show«
als eine der ersten Frauen mit Entscheidungsbefugnis im TV-Ge-
schäft. Ihr großer Durchbruch kam 1973 mit der »Mary Tyler Moore
Show«, sie spielte eine sexhungrige Fernsehköchin. Die »Golden
Girls« liefen von 1985 bis 1992. Die Serie gewann über die Jahre
elf Emmys, davon je einen für die vier Stars. Betty White starb am


  1. Dezember in Los Angeles. PIT


Peter Bogdanovich, 82
Er war das große Versprechen
des New-Hollywood-Kinos – und
schaffte es doch nur in großen
Momenten, die Hoffnungen zu
erfüllen, die sich mit ihm verban-
den. Stattdessen wurden die Hö-
hen und Tiefen seiner Karriere
das Drama seines Lebens. Peter
Bogdanovich war Kind europäi-
scher Einwanderer und schrieb

Kritiken, bevor er anfing zu fil-
men. Klassiker wie »Die letzte
Vorstellung«, »Is’ was, Doc?« und
»Paper Moon« begründeten ab
Ende der Sechziger seinen Ruhm.
Doch dann begann er, die Regie-
angebote für Filme wie »Der

Ponkie, 95
Mit frechen, pointierten, aber
auch begeisterten Kritiken
über Fernsehen und Film wurde
sie zu einer der bekanntesten
Zeitungsjournalistinnen der
westdeutschen Nachkriegszeit.
Ponkie, die im Zivilleben Ilse
Kümpfel-Schliekmann hieß und
in München aufgewachsen war,
hatte unter anderem Germa-
nistik studiert, als sie im Jahr
1956 in der Münchner »Abend-
zeitung« zu schreiben begann.
Von Beginn an pflegte sie den
Stil einer eigensinnigen, komi-
schen Wortakrobatik und ver-
fasste neben vielen freundlichen
Besprechungen oft herrliche
Verrisse. Für seinen Film »Ros-
sini oder die mörderische Fra-
ge, wer mit wem schlief« (1997)
erfand der Regisseur Helmut
Dietl eine Reporterinnenfigur
nach ihrem Vorbild. »Samstag-
abendshows sind zum Davon-
laufen«, sagte Ponkie, als sie in
einem Interview mit der »Süd-
deutschen Zeitung« 2016 rück-
blickend ihre Arbeit zusammen-
fasste. Unter vielen Fernseh-
leuten herrsche ein »Grundkon-
sens, wie man mit dem Publi-
kum umgeht, als wäre es im
Kindergarten«. Ponkie starb am


  1. Dezember in München. HÖB


Karl Clauss Dietel, 87
Es gibt wenig, was er nicht
gestaltet hätte – und damit ist
noch nichts über all die Ent-
würfe von Karl Clauss Dietel
gesagt, die nicht realisiert
wurden. Autos wie der Wart-
burg, die Erika-Schreib-
maschinen, das Radio RK5,

verschiedene Motorräder: Die-
tel war einer der Männer, die
der Produktwelt der DDR ihre
Oberfläche gaben. Wobei die
gelungenen Linien seiner Ent-
würfe und die Funktionalität
der Geräte nur zwei Aspekte
von Dietels Arbeit waren. Mit
seinem sogenannten offenen
Prinzip erfand Dietel auch
einen Gestaltungsgrundsatz,
der der DDR-Realität mit ihrem
ständigen Mangel in Industrie
und Konsum zu begegnen ver-
suchte. Alle Produkte, so Die-
tel, sollten so gestaltet werden,
dass sie sich einfach reparieren
ließen. Dass die Mopeds Simson
S 50 und S 51 heute noch so be-
liebt sind – auch im Westen –,
dürfte nicht zuletzt daran lie-
gen, dass Dietel sie schon so an-
legte, dass man sie ewig laufen
lassen kann. Dietel, der gelern-
ter Maschinenschlosser war,
hatte ein durchwach senes Ver-
hältnis zur DDR, er war zwar
Mitglied der SED, wurde aber
trotzdem überwacht. Nach
der Wende arbeitete er weiter
als Gestalter, etwa für die
Diamant-Fahrradwerke. Karl
Clauss Dietel ist am 2. Januar in
Chemnitz gestorben. RAP

NACHRUFE


Pate« auszuschlagen, drehte statt-
dessen Flops und hatte ein chao-
tisches Privatleben. 1985 und
1997 musste er Privatinsolvenz
anmelden. Er arbeitete dann als
Schauspieler, etwa in der Serie
»The Sopranos«, und hatte 2014
mit »Broadway Therapy« ein
kleines Comeback als Regisseur.
Peter Bogdanovich starb
am 6. Januar in Los Angeles. RAP

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