Stern (2022-02-17)

(EriveltonMoraes) #1
FOTOS: MAXIMILIAN MANN/STERN

(^2 )

HENNING ROSS/STERN

sechsUhrauf-
gestanden.Du-
schen,anziehen,
frühstücken. Dann
mitderBahninsBüro,um
7 .30UhrdenComputerhochfahren.
AlsdasVirusnachDeutschlandkamund
denerstenLockdownbrachte,klingelte
dasTelefonimHomeofficeununterbro-
chen.StändigriefenVersichertean,die
ihren Betrieb wegen der Maßnahmen
schließenoderihreMitarbeiterinKurz-
arbeitschickenmussten.DazudieMails.
Hunderte.JedenTag.
Warnecke standalsovorsechs Uhr auf,
putztesichschnelldieZähneundsetztesich
sofortandenLaptop.KeineZeitverlieren.
„Erdachte:Je frühereranfängt, destomehr
würdeerschaffen“,sagtseineFrauMarie
heute.Erwargereizt,insichgekehrt.Eigent-
lich,sagt MarieWarnecke,seiihrManneine
Frohnatur.Jetzt,inderPandemie,hatteer
Albträume,wachtenachtsschweißgebadet
auf,konntenicht wiedereinschlafen.Tags-
überlegteersichmehrmalshin,soer-
schöpftwarer.Wolltenicht mehr vordieTür
gehen,keineFreundemehrtreffen.Irgend-
wannnahmervordemSchlafenMelatonin.
„Larswarkomplettüberlastet“, sagtMarie
Warnecke,„trotzdemhatersichfreiwillig
gemeldet,umauchnochPortfolioszuer-
stellen,wieSchädeninderCorona-Zeit
schnellerabgewickeltwerdenkönnen.“
VielleichtwaresauchdieÜberlastung,
die Patrick Unterbachs* Beziehung


schließlichzerbrechenließ.FürUnterbach,
denITler,zumindestfühlteessichsoan,
alswennseinPartnerwährendderersten
Wellebegann,seinenStressanihmauszu-
lassen.DerFreundarbeiteteinderFor-
schungzuCorona,eineeinmaligeKarrie-
rechance,aberaucheinRennendarum,wer
als Ersterpubliziert.20-Stunden-Tagewa-
renkeineSeltenheit,sagtUnterbach. Das
Anschreienauchnicht. WiesoistdieWoh-
nungnichtaufgeräumt?Wiesohastdudie
Wäsche nicht gemacht?„Ichfühltemich
wieseinHaussklave“,sagtUnterbach.

musstensieinsHomeschooling,während
ihreMutterparallelimHomeofficesaß.
DamitbegannenvorallemfürPaulina,die
Tochter,dieProbleme.Vorherwarsiegut
inderSchule,sagt Freiwald.Nunaberwar
da eineBlockade.Paulinabrauchteplötz-
lichHilfebeimLernen,dochFreiwaldhat-
tekeineZeit,saßselbstfürdenJobamPC.
SobalddieMutterzusammenmitPau-
linaHausaufgabenmachenwollte,eska-
liertedieSituation:„Ichkanndasnicht.Ich
hasseMathe.IchhasseSchule.“DieToch-
terschmissdieMappevomTisch, weinte.
LangsamverlorFreiwalddenZugangzu
ihr, sagtsie.Versuchteihr nochzuerklä-
ren:„Pauli, ichmusserstmeineArbeitma-
chen,sonstbekommeichÄrger.“Freiwald
sagt heute:„NocheinenLockdownmit
HomeofficeundHomeschoolingschaffen
wirnicht.“EineandereMutter,diehier
Annaheißensoll,berichtetsogardavon,
dassihr SohnLinuserstantriebslosund
dannkrankwurde,Schmerzenbekam,für
diekeinArzteineErklärungfand.Womög-
lichwarensiepsychosomatisch.
Alleinstehende,dieindieIsolationab-
rutschen.Eltern,diesichnebenderArbeit
parallelumdieKinderkümmernmüssen
undgarnicht mehr wissen,wannsieihren
Jobeigentlichnocherledigensollen.Paa-
re,derenBeziehungamAufeinanderho-
ckenzerbricht.Esscheint,alsgebeeskei-
nenTeilderGesellschaft,derimmunist
gegendieNegativfolgendesHomeoffice.
Und Einsamkeit, Erschöpfung, Stress, Frust

WeilersichnachNäheundAufmerk-
samkeitsehnte,umwenigstenseinwenig
Zuneigungzuspüren,begannUnterbach
inAppsundInternet-Kontaktbörsenmit
anderenMännernzuchatten.Einmalließ
erdenPCan.AusVersehen.DerPartner
entdecktedenChat.Lasihn.DieSituation
sei„explodiert“, sagtUnterbach.Heuteha-
bensiekaumnochKontakt.
Doch nicht nur Beziehungen, auch
FamilienhatdiePandemievor eineBelas-
tungsprobe gestellt. Lisa Freiwald ist
alleinerziehende Mutter,ihreKindersind
sechs und achtJahre alt. Im Lockdown

nn i b it i

„Trink doch schon
mal ein Gläschen,
dann geht die Zeit
schneller rum“

88 17.2.2022

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