Der Spiegel (2022-02-26)

(EriveltonMoraes) #1
DEUTSCHLAND

Nr. 9 / 26.2.2022DER SPIEGEL 37

hereinzuholen. Noch am selben Tag meldete
sich Tandler bei ihrer Freundin Monika Hohl-
meier, wollte deren politische Kontakte an-
zapfen. »Hi Moni, geht’s Dir gut? Haben uns
ja leider lange nicht mehr gehört.« Ein Freund
aus der Schweiz habe eine Million Masken
der Qualitätsmarke 3M übrig. Ob der »Moni«
eine öffentliche Hand einfalle, die kaufen wol-
le. Wäre doch schade, wenn die Masken sonst
bei Amazon landen würden.
Am nächsten Tag stellte Fruth in einem
Chat die neue Vertriebsfrau für Deutschland
bei Emix-Mann Dean T. vor – Drea: Dean,
Dean: Drea. Der Name dieser Chatgruppe:
»Das Ministerium«. Es ist der Beginn eines
Geldrauschs, der ein paar wenige auf Kosten
der Allgemeinheit reich machen sollte, mit
Preisen von bis zu 9,90 Euro für eine FFP-2-
Maske in NRW, 8,90 Euro in Bayern, 5,95
Euro beim Bund.

Anfang April schlug sich das in einer Provi-
sionsvereinbarung nieder. Auf der einen Seite
Fruth & Partner, auf der anderen eine Little
Penguin GbR, die Tandler mit Darius N.
schnell noch gegründet hatte – die gleichna-
mige GmbH folgte später. Es ging darum, wie
die üppige Maklerprovision der Emix, zehn
Prozent vom Umsatz, aufgeteilt würde. Dem-
nach sollte Tandlers »Zwergpinguin« 60 Pro-
zent kassieren, Fruth & Partner 40 Prozent.
Wieder drei Wochen später folgten noch
zwei Abkommen. Das erste direkt zwischen
Emix und Little Penguin. Demnach sollte auch
die Tandler-Firma zehn Prozent bei Emix-
Geschäften bekommen, so wie Fruth. Das
zweite zwischen Little Penguin und Fruth &
Partner: Wenn sie zusammen ein Geschäft
klarmachten, galt zwar generell noch der Split
60 zu 40. Beim Bundesgesundheitsministe-
rium sollten es nun aber 80 Prozent für die
Tandler-Seite sein, nur noch 20 für Fruth.

So wie es aussieht, blieb es daher auch
nicht bei den bekannten 48 Millionen Euro
Provision, die nachweislich über den »Little
Penguin« in den Taschen von Tandler und
Darius N. gelandet sind. Vermutlich flossen
noch mehr Millionen für die Deutschland-
Deals, nämlich an Fruths Firma. Am Ende der
Kette handelte es sich um Steuergelder, mit
denen der deutsche Staat die Maskenmillio-
näre rund um Emix butterte.
Fruth will auf Anfrage nicht sagen, ob und
wie viel er kassiert hat. Überhaupt lehnt er
jeden Kommentar zu der Causa ab. In einem
vertraulichen Sachstandsbericht der Steuer-
fahndungsstelle des Finanzamts München aus
dem November ist allerdings die Rede davon,
man könne noch nicht genau nachvollziehen,
wer aus welchen Deals wie viel Provision be-
kommen habe. Zu vermuten sei aber, dass
noch 12 bis 15 Millionen Euro davon in der
Schweiz lägen.
Auffällig auch: Jetzt im Dezember über-
nahm eine Geschäftsfrau die Hälfte von Fruth
& Partner. Sie hatte mal drei Jahre lang in
Altötting gearbeitet, im Hotel zur Post, das
damals noch der Familienbetrieb der Tandlers
war. Angeblich Zufall. Doch zu den Fragen
des SPIEGEL schweigt auch Fruths neue
Miteignerin. Ebenso das Gespann Tandler/
Darius N. Kürzlich hieß es von ihnen lediglich,
sie hätten sich nichts vorzuwerfen, alles
korrekt gelaufen. Und Emix? Wer Provisio-
nen kassiert habe, wie viel, das gehe die
Öffentlichkeit nichts an. Ansonsten: kein
Kommentar.
Doch zurück in die ersten Tage der Emix-
Deals, zu Tandler und ihrer Freundin »Moni«.
In Chats und SMS wird klar, wie hemmungs-
los Polit-Netzwerke unter Duzfreunden in
Geld umgemünzt wurden und wie groß des-
halb der Vorteil der Emix gegenüber Hun-
derten Händlern war, die keinen direkten

Draht zu Ministerinnen und Ministern hat-
ten. Viele dieser Konkurrenten wurden mit
ihren Nachfragen ignoriert, blieben auf ihrer
Ware sitzen, manchen drohte die Pleite.

Offen bleibt angesichts der Handynachrichten,
ob Hohlmeier wirklich so naiv war, wie sie
sich heute gibt. Von Tandlers Provisionen
habe sie nichts gewusst, schrieb sie in einer
Stellungnahme für die Staatsanwaltschaft. Ihr
selbst sei auch nie Geld angeboten worden,
beteuert die Europaabgeordnete, erst recht
habe sie nichts gefordert oder gar bekommen.
Etwas anderes geht aus den Chats auch nicht
hervor, gegen Hohlmeier wird nicht ermittelt.
Aber war ihr trotzdem bewusst, wie weit sie
für ihre Freundin Andrea ging?
Immerhin behauptete Hohlmeier in ihrer
ersten SMS an Gesundheitsminister Spahn,
sie sei in das Emix-Angebot weder finanziell
noch sonst irgendwie verwickelt. Dass sie tat-
sächlich für ihre Freundin antichambrierte,
verschwieg sie. Spahn sagt heute, Hohlmeier
habe das auch später nie offengelegt; deshalb
habe er damals nicht gewusst, dass die Dame
namens Tandler die Tochter von Gerold
Tandler gewesen sei.
Wie auch immer: Zumindest Tandler wuss-
te genau, wo das Brot gebuttert wurde. Nach-
dem sie am 28. Februar »die Moni« an-
geschrieben hatte, ob die ihr helfen könne,
telefonierten beide am 1. März. Gleich am
nächsten Tag bohrte Tandler nach, ob die
»liebe Moni« etwas von Bayerns Gesund-
heitsministerin Melanie Huml (CSU) oder
sonst wem gehört habe. Am 3. März meldete
Hohlmeier Vollzug. Bayern habe großes
Interesse. Allerdings hatte Tandler FFP2-
Markenmasken versprochen, angeblich zu
normalen Preisen. Beide Versprechen sollte
Emix brechen: Die Preise waren die höchsten,
die Bayern in der Pandemie zahlte, geliefert

CSU-Politikerin Hohlmeier, Maskenflieger der Bundeswehr im April 2020 in Leipzig: Bizeps-Emoji und Herz-Küsschen

Isopix / action press Jana Neumann / Bundeswehr

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