Der Spiegel (2022-02-26)

(EriveltonMoraes) #1
72 DER SPIEGELNr. 9 / 26.2.2022

AUSLAND


Bei der chinesischen Neujahrsparade demonstrieren New Yorker in Manhattan gegen einen Gefängnisneubau. Das Gebäude soll 40 Stockwerke
hoch werden und mitten in Chinatown liegen. 8,3 Milliarden Dollar hat die Stadt insgesamt für ein Gefängnisprogramm bewilligt.
Der Bau würde Grünflächen zerstören sowie Geschäfte und Restaurants in der Gegend verdrängen. Das Geld solle lieber für Schulen und
Krankenhäuser ausgegeben werden: »Investiert in die Menschen, nicht in Gefängnisse«, fordern die Demonstrierenden.

Macron ohne Gegner


ANALYSE Frankreichs Präsidentschaftskandidaten
ringen um ihre Zulassung zur Wahl.

Die dramatischste Maßnahme ergriff die Rechtspopulistin Marine
Le Pen. Sie kündigte am Dienstag an, ihren Wahlkampf zu
unterbrechen, um die noch fehlenden 50 Unterschriften einzu­
treiben, die sie per Gesetz für ihre Kandidatur braucht. In einem
Video beklagte Le Pen, diese Situation sei einer Demokratie
nicht würdig. In welcher Republik man eigentlich lebe, in der die
stärkste Konkurrentin des amtierenden Präsidenten vielleicht
nicht antreten könne? Und sowenig Sympathien man für Le Pen
haben mag, so sehr hat sie recht mit dieser Feststellung. Auf­
grund einer veralteten Regelung benötigt jeder Präsidentschafts­
kandidat 500 Unterschriften von Bürgermeistern und anderen
Lokalpolitikern, um antreten zu können. Seit 2016 müssen die
Unterschriften veröffentlicht werden.
Viele Bürgermeister aber scheuen davor zurück, Kandidaten
jenseits der Mitte zu unterstützen, auch aus Angst vor Repres­

sionen. Was in diesem Wahlkampf zu der absurden Situation
führt, dass die rechten Kandidaten Le Pen und Éric Zemmour
noch immer nicht alle Unterschriften zusammenhaben. Dafür
bleiben ihnen aber nur noch wenige Tage. Der Linke Jean­Luc
Mélenchon verkündete am frühen Donnerstagabend, er habe
nun endlich genügend Unterstützer gefunden.
Die drei vereinen laut Umfragen an die 16 Millionen poten­
zielle Wähler auf sich; Le Pen liegt auf Platz zwei nach Macron,
Zemmour gleich dahinter. Kann ein Staat sich erlauben, sie vom
demokratischen Wettbewerb auszuschließen – und welche Fol­
gen hätte das? Zemmour­Wahlkampfmanager raunen schon jetzt
von Aufständen, die drohen, sollte ihr Kandidat nicht antreten
können. Auf jeden Fall würde dies den Anteil der Enthaltungen
gefährlich steigern. Einige Politiker reagieren nun: Der konser­
vative Bürgermeister von Cannes gab seine Unterschrift
demonstrativ dem Linken Mélenchon. Und die zentristische Par­
tei »Modem« legte einen »Unterschriftenpool« an, um die Listen
aufstocken zu können. Das Konto des einzigen Politikers, der
seine Kandidatur noch nicht öffentlich erklärt hat, ist gut gefüllt:
1463 Unterstützer zählt Emmanuel Macron. Das sind nur 286
mehr als bei der sozialistischen Kandidatin Anne Hidalgo, die in
Umfragen derzeit auf zwei Prozent kommt. Britta Sandberg

Mark Peterson / Redux / laif

2022-09SPAllAusland606352209_MeldungenAusland-072072 722022-09SPAllAusland606352209_MeldungenAusland-072072 72 24.02.2022 20:11:0424.02.2022 20:11:04

Free download pdf