SdW0517

(coco) #1

Durch kathodische Reduktion von Berliner Blau entsteht
Berliner Weiß (Everitts-Salz), das als dünne Schicht trans-
parent erscheint:


Minuspol:
[FeIIIFeII(CN) 6 ]– + e– [FeIIFeII(CN) 6 ]2–
Berliner Blau Berliner Weiß


Auf Basis von Berliner Blau können Sie auch selbst ein
kleines, vereinfachtes Modell eines elektrochromen Fens-
ters herstellen. Dazu müssen Sie ein Scheibchen FTO-Glas
in einer galvanischen Zelle mit einer Lösung von Eisen(III)-
sulfat und Kaliumhexacyanoferrat(III) als Elektrolyten an
den Minuspol einer Gleichstromquelle anschließen und
eine Spannung von etwa 0,3 Volt anlegen, wobei eine
Graphitfolie mit dem Pluspol verbunden ist (Bild S. 53). Die
genaue Versuchsbeschreibung und Angaben zu den
Bezugsquellen der erforderlichen Materialien finden Sie in
einer ausführlicheren Fassung dieses Artikels unter http://www.
spektrum.de/artikel/1432740.
Während der Elektrolyse überzieht sich die elektrisch
leitende Seite des FTO-Glases mit einer Schicht von Berli-
ner Blau, die mit der Zeit immer dicker wird. Nach zehn
Minuten erscheint das Glas intensiv blau und ist fast nicht
mehr transparent. Als optimal für ein »smart window«
erweist sich eine Elektrolysezeit von 90 Sekunden. Die
Farbschicht ist dann dunkel genug, aber noch durchsich-
tig. Die chemische Reaktion während der Elektrolyse
entspricht der oben schon beschriebenen kathodischen
Reduktion von Berliner Braun.


Farbe, wechsle dich!
Das mit dem Farbstoff beschichtete FTO-Glas bietet nun
die faszinierende Möglichkeit, die Funktionsweise eines
elektrochromen Fensters im Heimversuch nachzuvollzie-
hen. So können Sie es zunächst entfärben. Dazu müssen
Sie das FTO-Glas in eine Kaliumnitrat-Lösung tauchen und
als Minuspol schalten, während wiederum eine Graphit-
folie als Pluspol dient (Bild oben). Wenn Sie eine Span-
nung von 1,7 Volt anlegen, verwandelt sich das Berliner
Blau in farbloses Berliner Weiß.


Was geschieht dabei auf molekularer Ebene genau? Am
Minuspol gehen Elektronen auf das Eisenhexacyanoferrat
über und reduzieren die darin vorkommenden Fe3+-Ionen
dadurch zu Fe2+-Ionen. Damit die Verbindung elektrisch
neutral bleibt, werden zugleich Kalium-Ionen aus der
wässrigen Kaliumnitrat-Lösung in die »Röhrenstruktur«
des Kristallgitters eingebaut.
Die außerdem im Elektrolyten vorhandenen Nitrat-Ionen
wandern zur positiven Graphitfolie und lagern sich daran
an. Die Elektrodenreaktionen lassen sich also wie folgt
formulieren (ads steht für adsorbiert):

Minuspol:
K[FeIIFeIII(CN) 6 ] + K+ + e– K 2 [FeIIFeII(CN) 6 ]
Berliner Blau Berliner Weiß

Pluspol:
Cn + NO 3 – Cn+ + NO 3 – (ads) + e–

Die Entfärbung können Sie anschließend rückgängig
machen, indem Sie den Stromfluss umkehren. Wenn Sie
das FTO-Glas als Pluspol und die Graphitfolie als Minuspol
schalten und eine Spannung von 0,5 Volt anlegen, laufen
alle geschilderten Vorgänge in entgegengesetzter Rich-
tung ab, und nach wenigen Minuten kehrt die Blaufärbung
zurück, weil das Berliner Weiß wieder zum Berliner Blau
oxidiert wird.
Wie wir oben gesehen haben, bietet das Hexacyano-
ferrat-System mit seinen verschiedenen Oxidationsstufen
aber noch ein weit größeres Farbspektrum, das Sie mit
dem beschichteten FTO-Glas komplett durchlaufen kön-
nen. Dabei erhalten Sie innerhalb weniger Minuten jeweils
klar abgegrenzt die einzelnen Farbstufen. Die ersten bei-
den, nämlich weiß und blau, haben wir bereits realisiert.
Um auch die nächste Stufe zu erreichen, müssen Sie,
während das FTO-Glas wie zuvor als Pluspol und die Graphit-
folie als Minuspol geschaltet ist, die Spannung auf etwa

Je nach Oxidationsgrad des Eisens – er nimmt hier von
links nach rechts zu – zeigt ein mit Berliner Blau be-
schichtetes FTO-Glas in wässriger Kaliumnitrat-Lösung
verschiedene Farben. Beim rein weißen K 2 FeII[FeII(CN) 6 ]
liegt das Metall in der Oxidationsstufe II vor. Das blaue
KFeII[FeIII(CN) 6 ] und das grüne K[FeIII 3 {FeIII(CN) 6 } 2 {FeII(CN) 6 }]
enthalten jeweils sowohl zwei- als auch dreiwertiges Eisen.
Im braunen [FeIIIFeIII(CN) 6 ] hat das Metall dagegen komplett
die Oxidationsstufe III.


Mit diesem Versuchs-
aufbau ist es möglich,
durch Anlegen unter-
schiedlicher Spannun-
gen die vier Oxida-
tionsstufen und Farb-
zustände des Berliner-
Blau-Systems zu
durchlaufen.

Graphitfolie-
Streifen

Krokodil-
klemmen

mit Berliner Blau
beschichtetes
wässrige FTO-Glas
KNO 3 -Lösung

MARCO OETKEN

MARCO OETKEN
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