1930er Jahren hielt sich der österreichische Ethnologe
Hugo A. Bernatzik im heutigen Laos bei den Phi Tong
Luang auf (zu Deutsch: »die Geister der gelben Blätter«).
Ihre Kochgefäße, Messer, Grabstöcke und Speere bestan
den zumeist aus Bambus oder Holz, nur selten benutzten
sie Steine als Werkzeuge. Es ist mehr als plausibel, dass
schon die Jäger und Sammler im Zeitraum von etwa
25 000 bis 5000 Jahren vor heute, also des Sonvian, Hoa
binhian und Bacsonian, diese Techniken kannten. Ver
mutlich gibt die Bezeichnung Altsteinzeit also eine euro
zentrische Sichtweise wieder. Auch wenn es sich nicht
anhand von Funden beweisen lässt, würde jener Epoche
wohl eher die Bezeichnung Bambuszeit gerecht.
Das verweist aber auch auf den vielleicht größten Un
terschied zwischen der Nordhemisphäre und Südostasien
Hockerbestattung eines Erwachsenen im Abri von Du Sang
mit Blickrichtung nach Süden.
in der Altsteinzeit: Während in Europa und Nordamerika
die Gletscher regierten, lag die Durchschnittstemperatur in
Vietnam nur drei bis vier Grad Celsius unter der heutigen.
In seinem Norden erreichte die mittlere Temperatur mehr
als 20 Grad, im Süden mehr als 24 Grad. Damit herrschten
auch damals schon subtropische und tropische Verhält
nisse. Während der Kaltzeit dürften in Vietnam weniger
Niederschläge gefallen sein, denn die Gletscher der Nord
hemisphäre entzogen der Atmosphäre enorme Wasser
mengen. Archäobotanische und geologische Untersu
chungen zeitgleicher Bodenschichten zeigen aber, dass
sich Fauna und Flora Südostasiens dennoch kaum von der
heutigen unterschieden. Das war vermutlich einerseits ein
Effekt der starken Höhengliederung des Festlands, ande
rerseits eine Auswirkung des Monsuns: Es existierten viele
unterschiedliche Landschaften mit ganz unterschiedlichen,
dennoch ausreichenden Niederschlagsmengen. Somit
bot eine Fülle von Ökotopen Wildbeutern reichlich Nah
rung, von immergrünen Laubwäldern über Mangrovenwäl
der und Sümpfe an der Küste bis zu dichtem Bambus
dschungel. Auch heute noch ist Vietnam eines der Länder
mit der höchsten Biodiversität weltweit, und Jahr für Jahr
werden unbekannte Tierarten, sogar Tiergattungen, ent
deckt.
Das günstige Klima und reiche Nahrungsangebot
zwangen nicht zu diffizilen technischen Innovationen
In einem solchen Klima zersetzt sich alles organische
Material schnell und rückstandslos. Nur dort, wo mächtige
Sedimentpakete es überdeckt haben, ein hoher Grundwas
serstand oder das Kleinklima einer Höhle für dauerhaft
feuchte Lagerungsbedingungen sorgten, blieben sie
erhalten. Solche glücklichen Umstände herrschten etwa in
der SpiritHöhle in Nordthailand oder in der LaangSpean
Höhle in der kambodschanischen Provinz Battambang.
Dort erkunden Archäozoologen, was die Menschen vor
allem jagten: Hirsche, Wildrinder, Schweine, Stachel
schweine und Affen. Schildkröten, Süßwasser und Land
schnecken sowie Fische bereicherten den Speisezettel.
Man sammelte verschiedene Nüsse, Kastanien, Kürbisse,
Bohnen und Erbsen. Ebenso sind Bambusschösslinge als
Nahrungsmittel denkbar. Wohl zum Würzen nahm man
Pfeffer. Blätter des Betelpfeffers könnten wie heute als
Antiseptikum oder Rauschmittel verwendet worden sein.
Die Wildbeuter Südostasiens lebten vor 25 000 bis vor
5000 Jahren also unter ganz anderen Bedingungen als
jene in Europa. Statt sich einer lebensfeindlichen Umwelt
anpassen zu müssen, herrschten bis zum Beginn der
Jungsteinzeit vor etwa 4500 Jahren sehr statische Klima
verhältnisse. Das kann erklären, warum technische Inno
vationen wie Pfeilschaftglätter oder spezielle Steinwerk
zeuge wie Bohrer, gestielte Spitzen und Stichel an den
Fundplätzen fehlen. Es gab dafür einfach keine Notwen
digkeit. Die Phi Tong Luang, die Bernatzik Ende der 1930er
Jahre studiert hatte, sammelten im dichten Wald vor allem
pflanzliche Nahrung wie Bambusschösslinge und aßen
das Mark wilder Sagopalmen. Sie griffen Ratten, Frösche,
Kröten, Eidechsen, Schildkröten und anderes Kleingetier
MIT FRDL. GEN. VON NGUYEN VAN VIETauf, wenn sie ihnen begegneten, oder fingen sie mit