Spektrum der Wissenschaft Spezial - Biologie Medizin Hirnforschung Nr3 2017

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nicht allein stemmen kann. Also gründeten wir – gemein­
sam mit Embryologen, Veterinärmedizinern, Stammzellbio­
logen und Bioethikern – ein internationales Konsortium, um
unsere Ideen zu testen. 2015 begannen wir damit, humane
iPSC in Schweineembryonen zu verpflanzen. Bis heute
haben wir, unter Aufsicht lokaler und nationaler Regulie­
rungsbehörden, zahlreiche Experimente in Kalifornien und
Spanien durchgeführt. Die Richtlinien, die die Behörden
gemeinsam mit uns ausgearbeitet haben, verpflichten uns
dazu, sowohl die tierischen Leihmütter als auch die Embry­
onen jeweils nach dem Ende der Versuche zu töten.
Durch diese und andere Studien haben wir viel über die
Entwicklung chimärer Embryonen gelernt. So wird all­
mählich klar, wie viele humane iPSC man in den Embryo
verpflanzen muss und zu welchem Zeitpunkt das gesche­
hen sollte, damit sich der Embryo erfolgreich entwickelt.
Außerdem haben wir damit begonnen, nachzuvollziehen,
auf welchen Wegen die menschlichen Zellen in verschie­
dene Bereiche des Embryos einwandern.


Lebewesen,
die niemand haben möchte
Die wissenschaftlichen Methoden zu perfektionieren, ist
aber nur die eine Seite des Problems. Auf der anderen
Seite steht unsere Verpflichtung als Forscher, öffentlich
über die ethischen, gesellschaftlichen und regulatorischen
Fragen zu diskutieren, die mit Xenotransplantationen
einhergehen. Unser Konsortium hat deshalb eng mit
Ethikern und Aufsichtsbehörden zusammengearbeitet, um
Richtlinien für die Forschung zu entwickeln.
Über die Standardanforderungen des Tierschutzes
hinaus müssen wir auf diesem Gebiet viele Schwierigkei­
ten meistern. Wie bereits erwähnt, können sich pluripoten­
te Stammzellen in jeden Gewebetyp entwickeln. Setzt man
sie in Tierembryonen ein, ist das besonders im Hinblick
auf drei Zelltypen problematisch: Nerven­, Samen­ und


QUELLEN
Hyun, I. et al.: Ethical Standards for Human­to­Animal Chimera Ex­
periments in Stem Cell Research. In: Cell Stem Cell 16, S. 159–163,
2007
Kobayashi, T. et al.: Generation of Rat Pancreas in Mouse by Inter­
specific Blastocyst Injection of Pluripotent Stem Cells. In: Cell 142,
S. 787–799, 2010
Wu, J., Izpisúa Belmonte, J. C.: Dynamic Pluripotent Stem Cell
States and Their Applications. In: Cell Stem Cell 17, S. 509 –525,
2015
Yamaguchi, T. et al.: Interspecies Organogenesis Generates Auto­
logous Functional Islets. In: Nature 542, S. 191–196, 2017

Eizellen. Diese in Tieren ausdifferenzieren zu lassen, würde
Lebewesen hervorbringen, die niemand haben möchte.
Man stelle sich den ethischen Albtraum vor, wenn ein
Schweinehirn so viele menschliche Neurone enthält, dass
es zu höheren kognitiven Leistungen fähig wird. Wir
können das verhindern, indem wir in den menschlichen
iPSC das Programm für die Neurogenese ausschalten,
bevor wir die Zellen in einen Tierembryo verpflanzen. In
diesem Fall könnten die humanen Stammzellen keine
Neurone bilden, selbst wenn sie in jene Region des Emb­
ryos einwanderten, die das Gehirn hervorbringt.
Weiterhin besteht grundsätzlich das Risiko, dass sich
chimäre Tiere untereinander fortpflanzen. Einige der
menschlichen Stammzellen, die wir dem Embryo einset­
zen, könnten in Bereiche vordringen, in denen das Fort­
pflanzungssystem angelegt wird, statt in der für sie vorge­
sehenen Nische zu bleiben. Das Ergebnis wären Tiere,
deren Geschlechtszellen praktisch identisch mit denen des
Menschen wären. Würden diese sich paaren, könnte das
zu der moralischen Katastrophe eines menschlichen Fötus
führen, der in einem Tier heranwächst. Der beste Weg,
das zu vermeiden: Man erzeugt jedes chimäre Tier, das für
eine Transplantation genutzt werden soll, eigenhändig und
von Grund auf neu. Das heißt, man befruchtet stets Eizel­
len vom Schwein mit Spermien vom Schwein und gibt erst
danach die humanen Stammzellen hinzu.
Es könnte natürlich sein, dass sich die technischen
Schwierigkeiten solcher Verfahren als unüberwindbar
erweisen. Doch selbst wenn es uns nicht gelingt, funktio­
nale Organe für die Transplantation mittels Tierembryonen
zu erzeugen, werden die Erkenntnisse, die wir bei dem
Versuch gewinnen, enorm wertvoll sein. Als Erstes dürfte
die Krebsforschung davon profitieren. Viele Tumoren bei
Kindern und Erwachsenen wuchern deshalb unkontrollier­
bar, weil sie Gene reaktivieren, die dem Embryo die Ent­
wicklung in einen Fötus ermöglichen. Je besser Wissen­
schaftler die zellulären Signale verstehen, die dabei eine
Rolle spielen, desto besser können sie Krebszellen von
ihrem tückischen Weg abbringen.
Wir Forscher begeistern uns für neue Ideen und sind
fasziniert davon, neue Wege zu beschreiten. Daher können
wir die Bedeutung unserer Entdeckungen überbewerten.
Dennoch stimmen mich unsere vorläufigen Ergebnisse
vorsichtig optimistisch, dass wir es in den kommenden
Jahrzehnten schaffen werden, menschliche Organe in
chimären Tierembryonen zu züchten.

FSTOP123 / GETTY IMAGES / ISTOCK

Herztransplantationen, wie die hier gezeigte, haben große
Fortschritte gemacht, doch es mangelt an Spenderorganen.

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