120 DER SPIEGELNr. 19 / 7.5.2022
Was ist ein echter
Pazifist?
Nr. 18/2022 Titel: Die Olivgrünen
Ihre Farbenlehre ist recht hübsch.
Sie erinnern den greisen Politik-
beobachter an die Prophezeiung
von Franz Josef Strauß, dass grü-
ne Tomaten rot werden, wenn sie
reifen. – Und wenn sie alt wer-
den, braun, möchte man fas-
sungslos hinzufügen. Kenner der
deutschen Geschichte verwun-
dert es nicht, wenn plötzlich wie-
der Rüstzeit ist. Offensichtlich
vermag ein kommender Welten-
brand die Herzen der Intellek-
tuellen, Künstler und Friedens-
freunde so zu entfachen, dass sie
mitbrüllen: »Zu den Waffen!«
Dr. Dr. Franz Egid Börner, Ingolstadt
Herzlichen Glückwunsch zu dem
gelungenen Titelblatt! Herr Hof-
reiter mit einer Panzerfaust –
herrlich. Man könnte bei ihm auf
den Gedanken kommen: kein
Ministeramt, nun treibe ich die
Ampel. Von der Basis der Grü-
nen, die ja immer noch pazifis-
tisch sein will, hört man über-
haupt nichts.
Hans-Ulrich Bresch, Cuxhaven (Nieders.)
Das Titelbild ist völlig unange-
messen. Die Grünen sind keine
Kriegstreiber. Ich verstehe nicht,
was dieser Artikel bezweckt.
Wollen die Autoren der Ukraine
nicht helfen, sich gegen Putin zu
wehren, wollen sie einige SPD-
Mitglieder wie Mützenich in ihrer
Haltung bestärken? Vertreten sie
die Position einiger Friedensbe-
wegter, die sich, egal, was in der
Ukraine passiert, zurückhalten
wollen? Dass Diplomatie bei Pu-
tin am Ende ist, muss doch jedem
klar geworden sein. Wir sollten,
auch aus eigenem Inte resse, die
Ukraine militärisch unterstützen.
Dietlind Thiessen, Hamburg
Es ist erschreckend, wie die Grü-
nen, die den Pazifismus einst als
Markenzeichen hatten, fast re-
flektionslos in eine Eskalations-
spirale hineinmarschieren. Sie
wollen den Krieg gewinnen, das
verlangt ihr Gerechtigkeitssinn
so. Aber was man tun kann, um
die kriegführenden Parteien zum
Waffenstillstand zu bewegen, da-
ran denken sie nicht.
Marc Nottelmann-Feil, Düsseldorf
Frau Baerbock ist mit weitem
Abstand das Beste, was wir seit
fast 20 Jahren in ihrem Amt hat-
ten. Keine Diplomatie, sondern
Klartext. Genau richtig so. Mit
frommen Wünschen à la »Frie-
den schaffen ohne Waffen« ver-
teidigt man doch nicht die Ukrai-
ne. Erst kommt die Freiheit, dann
die Partei.
Frank Platte, Wuppertal
Einen dümmeren Bericht habe
ich lange nicht gelesen, und mit
Verlaub, ein passenderes Wort
kann ich nicht finden. Tatsächlich
erwarte ich von gewählten Reprä-
sentant:innen und Regierungs-
mitgliedern eine andauernde kri-
tische Auseinandersetzung mit
den eigenen politischen Positio-
nen und Werthaltungen. Der
schon fast hämische Tenor des
Beitrags ist unangebracht, ebenso
wie das Titelbild. Die Situation
ist ernst. Eine Anbiederung an die
»Titanic« ist doch sicherlich nicht
gewollt.
Anne Danowski, Berlin
Was ist ein echter Pazifist? Wer
jegliche Waffe und Verteidi-
gungsmethode ablehnt? Wer auf
die linke Wange geschlagen wird
und dann die rechte hinhält? Wer
sich als Ukrainer:in von russi-
schen Soldaten erschießen oder
per Bombe töten lässt? Ich bin
gegen Angriffskriege. Aber ich
bin dafür, jemandem in einer
Notwehrsituation, wie sie Putin
den Ukra inern aufzwingt, beizu-
stehen. Appelle internationaler
Politiker an Putin und Boykott-
maßnahmen haben nichts be-
wirkt. Vielleicht sind Waffenlie-
ferungen eine Sprache, die bei
ihm Verhandlungsbereitschaft
auslöst.
Dr. Angelika Koller, München
Haben Sie in Ausgabe 17 dem Bun-
deskanzler noch zögerliches Ver-
halten vorgeworfen, so schwenken
Sie in Ausgabe 18 um – auf den
Vorwurf des zu forschen Verhal-
tens der Grünen. Wie eine Fahne
im Wind scheint sich die Redak-
tion drehen und dem anpassen zu
können, was der Mainstream ge-
rade fordert. Und eine alberne und
naive Einleitung über die Wehr-
tauglichkeit von Herrn Hofreiter
muss herhalten, um die friedens-
sichernde Einstellung der Grünen
grundsätzlich infrage zu stellen.
Andreas Habel, Siegen
Auf eine schöne Darstellung der
Einigkeit der Grünen die Waffen-
lieferungen betreffend folgt am
Ende des Artikels eine an den
Haaren herbeigezogene Kritik.
Die klare Linie, die die Grünen
aktuell fahren, sei schlecht für das
politische Klima und unsere De-
mokratie, da zu ihr Meinungsviel-
falt gehöre. Das ist Unsinn, denn
eine Partei, die sich bei einem
Thema komplett einig zu sein
scheint, ist sicherlich kein Grund,
um die Demokratie in unserem
Land zu bangen. Noch unsinniger
wirkt die Kritik, wenn dann der
nächste Abschnitt davon handelt,
dass sich die SPD beim selben
Thema uneinig ist, was in diesem
Fall als schlecht angesehen wird
und als Grundlage dazu dient, die
Kanzlerpartei zu mehr Geschlos-
senheit aufzurufen. Hier hätten
sich die 14 (!) Autoren vielleicht
besser über ihre Forderungen ab-
sprechen sollen.
Anne Pfeiffer, Heidelberg
Längst widerlegte
Scheinargumente
Nr. 17/2022 Kolumne:
Die Gegendarstellung
Mit Vergnügen und meist völliger
Zustimmung verfolgte ich bislang
Alexander Neubachers Kolum-
nen, die, anders als die seines
Vorgängers Jan Fleischhauer, zu-
meist unparteiisch und sachbezo-
gen sind, teilweise mit feingeisti-
gem Hintersinn. Mit dem Plädo-
yer für eine Weiternutzung der
Atomkraft jedoch greift er alte,
längst widerlegte Scheinargu-
mente auf. Selbst die betroffene
Industrie winkt ab und verweist
auf die technische Unmöglichkeit,
so schnell die Kraftwerke auf län-
gere Laufzeiten vorzubereiten,
da die Abschaltungen längst im
Gange sind. Auch finanziell ist es
ein Irrweg, jegliches Geld ist bes-
ser und vor allem schneller in er-
neuerbare Energiegewinnung an-
gelegt. Darüber hinaus sollte
sich mittlerweile die Erkenntnis
durchgesetzt haben, dass der Be-
trieb von Atomanlagen keines-
wegs »klimaneutral« ist – vom
Bau bis hin zur Urangewinnung
und -anreicherung.
Hatto Weber, Kressbronn (Bad.-Württ.)
Herr Habeck findet es sicherlich
nicht einfacher, den Weg nach
Katar zu gehen, als die Laufzeit
deutscher Atomkraftwerke zu
verlängern – diese Attacke ist
sehr unangebracht. Ich ahne
außerdem, was ich lesen werde,
wenn es zum GAU kommen soll-
te: »Wäre es nicht sicherer gewe-
sen, sich zu überwinden und mit
Katar zu reden, Herr Habeck?«
Martin Klaus, Ostrava (Tschechien)
BRIEFE
KORREKTUR
Zu »Das Drama der Achtsam-
keit« in Heft 18/2022, Seite 120:
Entgegen unseren Angaben wur-
de nicht der Leiter des Berliner
Theaters an der Parkaue, sondern
ein Regisseur dieses Theaters
2019 beschuldigt, eine Schauspie-
lerin verbal rassistisch beleidigt
zu haben, und musste gehen.
Zu »Kilometergeld für Gutver-
diener«, in Heft 17/2022, Seite 58:
Das Bild zeigt nicht, wie in der
Bildunterschrift fälschlicherweise
angegeben, die A 3 vor dem Auto-
bahnkreuz Hilden, sondern den
Kaiserdamm in Berlin.