WIRTSCHAFT
64 DER SPIEGELNr. 19 / 7.5.2022
1,5 Millionen Euro geschätzt wird. Fuchs ver-
kauft eigene T-Shirts und Hoodies, trägt selbst
aber gern Louis Vuitton und Dior. Im Video
»Ich habe mir mein Traumauto gekauft« prä-
sentierte er voriges Jahr seinen neuen Rolls-
Royce. »Viele 13-Jährige wären gern wie Jus-
tin. Doch die Finanzen der meisten reichen
allenfalls für eine gefälschte Prada-Tasche«,
sagt der 19-jährige Urs Meier von der Agentur
Project Z, die Firmen im Umgang mit seiner
Generation berät. »Um wenigstens ein biss-
chen wie Justin zu werden, kaufen sie seine
Hoodies. Sie gönnen ihm seinen Lebensstil
und sind stolz darauf, ihm diesen mit ihrem
Geld zu ermöglichen.«
Meier sagt, es sei völlig falsch, seine Ge-
neration auf den Klimaschutz zu reduzieren.
Nur ein Viertel ging Umfragen zufolge schon
einmal dafür auf die Straße, mehr als die Hälf-
te kann sich das überhaupt nicht vorstellen.
Die um die 20-Jährigen machen bei Mode
manches anders als frühere Generationen. Sie
wechseln ihre Lieblingsmarke häufiger. Sie
tragen zur Prada-Tasche durchaus mal eine
Billigjeans von Kik. Und sie haben kein Pro-
blem mit Secondhand, sondern kokettieren
mit ihrem Hang zur Kreislaufwirtschaft. Aber,
und das ist für die Industrie entscheidend,
auch sie zeigen gern, was sie haben.
Die Ersten, die Protz und Angeberei salon-
fähig machten, waren Rapper und Hip-Hop-
per. Sie fingen an, Gucci, Prada und Louis
Vuitton zu tragen, als Symbol für ihren sozia-
len Aufstieg, und feierten die Marken in ihren
Songs. Manche stiegen selbst ins Luxusbusi-
ness ein: US-Rapstar Jay-Z besitzt seit 2014
eine eigene Champagnermarke. Im vorigen
Jahr verkaufte er die Hälfte der Anteile an
den Konzern LVMH, dem bereits Moët &
Chandon und Dom Pérignon gehören.
Selbst Lamborghini, notorisches Luxus-
spielzeug in der Midlife-Crisis, will den Trend
zu mehr Jugendlichkeit nicht verpassen. Nicht
aus Not, das Geschäft könnte kaum besser
laufen. Lamborghini ist ausverkauft, trotz
zusätzlicher Schichten im Werk in Sant’Aga-
ta Bolognese nahe Bologna. Warteten Käufer
bislang mehrere Monate auf ihren Traum-
wagen, dauert es nun schon ein Jahr. Das gilt
sogar für die Sonderanfertigungen, limitierte
Karossen für rund zwei Millionen Euro, bei
denen Käufer nicht nur Farbe und Innen-
raummaterial mitbestimmen, sondern auch
die in 3-D-Druck gefertigten Lufteinlässe
mit ihren Initialen versehen lassen können.
112 solche Superkutschen werden 2022 gebaut,
noch vor zehn Jahren wurden ähnliche Serien
mit maximal 30 Exemplaren aufgelegt.
Die Italiener haben die Kundschaft von
morgen fest im Blick. Derzeit sei sie im Mittel
45 Jahre alt, »bis 2025 rechnen wir mit einem
Altersdurchschnitt von unter 40«, sagt Lam-
borghini-Chef Stephan Winkelmann. Der
Sportwagenbauer unternimmt deshalb gerade
»einen Test«, was sich im Metaverse machen
lässt. In der künstlichen, im Look von Com-
puterspielen gehaltenen Welt wird mit virtu-
ellen Waren gehandelt, die echtes Geld kosten.
Lamborghini ließ digitale Fotografien von gut
1500 Teilen einer Luxuskarosse erstellen und
als NFT verkaufen. Zugang zu den Bildern
erhalten die Besitzer über Codes, eingraviert
auf silbernen Blöcken, in deren Mitte ein ecki-
ges Objekt aus Carbonfasern steckt. Lambor-
ghini hatte das Material einst zur Forschung
auf die Raumstation ISS geschickt. Das sei
etwas »für die Fans der Marke«, sagt Winkel-
mann. Und für jüngere Leute.
Der Mann, der die Luxusbranche in den
vergangenen Jahren umgekrempelt hat wie
kein Zweiter und dem alle nachzueifern ver-
suchen, war Virgil Abloh. Er war Architekt
und Ingenieur, DJ und Designer, hatte meh-
rere Rap-Alben künstlerisch gestaltet, etwa
für seinen Kumpel Kanye West, und sein eige-
nes Modelabel Off-White gegründet, als
Louis Vuitton ihn holte. Ab 2018 verantwor-
tete der Quereinsteiger die Männermode der
Marke, er wurde zum Superstar der Mode-
welt, das »Time«-Magazin zählte ihn zu den
»100 einflussreichsten Menschen der Welt«.
Im vergangenen November starb Abloh
41-jährig an Krebs.
Dass das Label Louis Vuitton heute als
Popkultur gilt, verdankt es ihm. Abloh nahm
der Marke ihren Champs-Élysées-Dünkel. Er
verlängerte sie in die Streetwearkultur, etwa
indem er Rapper wie 21 Savage für sie modeln
ließ. Und schaffte es, dass sie trotzdem nichts
von ihrem Nimbus einbüßte. Jede Kollektion
zieht Jugendliche scharenweise vor die Läden.
Louis Vuitton hilft der Schlangenbildung
durchaus nach, da es nur eine bestimmte An-
zahl Kunden hineinlässt. Als im Februar
200 Paar Turnschuhe versteigert wurden, die
Abloh gemeinsam mit dem Sportartikelher-
steller Nike herausgebracht hatte, erzielten
sie 25 Millionen Dollar.
Kaum jemand hatte so gut wie Abloh ver-
standen, wie nützlich Kooperationen sein
können, auch für etablierte Marken. Seine
überraschendste war die mit Supreme, ur-
sprünglich ein Label für Skateboarder. Noch
im Jahr 2000 hatte Louis Vuitton die US-Fir-
ma verklagt, weil sie, ohne zu fragen, eines
ihrer Rollbretter mit dem ikonischen »LV«
aufgehübscht hatte. Abloh beendete den
Zwist, seither fabrizieren die Franzosen und
die Amerikaner gemeinsam Editionen, zum
beiderseitigen Nutzen. Schafft es der Louis-
Vuitton-Rucksack »Christopher« im Alleingang
auf einen Preis von 3000 Euro, kommt er mit
Supreme-Logo auf mehr als 11 000 Euro.
Abloh hatte erkannt, wie groß die Fan-
gemeinde von Supreme außerhalb der Ska-
Reality-TV-Star
Kim Kardashian,
Rapper West,
Designer Abloh
2018
Fashion Week im
Metaverse
»Es kommt nur
darauf an, dass man
eine Geschichte
zu erzählen hat.«
David Fischer, Gründer
Pascal Le Segretain / Getty Images Vittorio Zunino Celotto / Getty Images