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Mads Nissen/laif, Bill Clark/CQ Roll Call via AP Images, Rubén Salgado Escudero, Fabio Bucciarelli/The New York Times/Redux/laif
Staaten auch ernsthaft zusammenarbeiten,
um auf einen möglichen Bioterrorangriff
vorbereitet zu sein.
Wie auch immer der nächste große Aus-
bruch erfolgt, es wird entscheidend sein,
dass wir bessere Pläne haben, als es heute
der Fall ist, und Tools, die schnell einge-
setzt werden können.
Aus meiner Sicht gibt es vier Prioritäten,
auf die sich ein globaler Plan zur Aus-
merzung von Atemwegserkrankungen
und Verhinderung weiterer Pandemien
richten sollte. Ich werde sie nacheinander
darlegen; danach werde ich mich mit der
Frage befassen, welche Finanzmittel dafür
erforderlich sein werden.
- Bessere Tools ausliefern
Obwohl mRNA-Impfstoffe sehr vielver-
sprechend sind, sollten öffentliche und
private Forscher auch andere Ansätze ver-
folgen, beispielsweise die adjuvantierten
Impfstoffe, weil sie die Impflinge länger
schützen, die Zahl der Impfdurchbrüche
verringern oder jene Teile des Virus angrei-
fen können, die bei zukünftigen Varianten
wahrscheinlich unverändert bleiben. Letzt-
lich sollte unser Ziel sein, Impfstoffe mit
Vollschutz gegen ganze Virusfamilien zu
entwickeln, vor allem gegen Atemwegs-
viren, das wäre der Schlüssel zur Ausmer-
zung der Grippe- und Coronaviren.
Zusätzlich zu den Impfstoffen sollten
wir auch die Entwicklung von Infekti-
onsblockern fördern, Medikamenten also,
die man selbst einnehmen kann, um fast
sofortigen Schutz gegen Atemwegspatho-
gene zu bekommen. Außerdem werden
wir uns darauf vorbereiten müssen, sehr
große Mengen von Impfdosen in sehr kur-
zer Zeit zu produzieren. Dafür braucht
die Welt riesige Produktionskapazitäten –
groß genug, um jedem Menschen auf dem
Planeten innerhalb von sechs Monaten
nach der Entdeckung eines potenziell glo-
bal ausbrechenden Erregers
die erforderliche Zahl von
Dosen eines neuen Vakzins
anbieten zu können.
Während der Corona-Krise
war es so, dass Länder, die
viele Impfstoffdosen produ-
zierten, aber selbst stark von
der Pandemie betroffen wa-
ren, Exportbeschränkungen
für ihre Vakzine verhängten,
um zuerst einmal ihre eige-
ne Bevölkerung versorgen
zu können. Das Interesse
der Weltgemeinschaft muss
jedoch darauf gerichtet sein,
alle Menschen zu impfen. Die-
ser schweren Aufgabe müssen
E
ine der vielen Lehren, die
wir aus der Corona-Krise
ziehen müssen, lautet, dass
wir mit Vorhersagen über
den Verlauf einer Krankheit
vorsichtig sein sollten. Die-
ses Virus hat allen Erwar-
tungen getrotzt und die
Wissenschaft immer wieder überrascht.
Mit etwas Glück werden wir Covid- 19
bald als endemische Krankheit einstufen
können, ungefähr vergleichbar mit einer
saisonalen Grippe. Aber bis klar ist, ob
die Corona-Krise abflaut oder erneut und
noch stärker über uns hereinbricht, müs-
sen wir auch intensiv an einem weiteren,
jedoch längerfristigen Ziel arbeiten: die
nächste Pandemie zu verhindern.
Über Jahrzehnte hinweg wurde die
Menschheit gewarnt, sie müsse sich auf
eine Pandemie gefasst machen, aber
kaum jemand hatte der Aufgabe höchste
Priorität beigemessen. Dann schlug das
Coronavirus zu, und es aufzuhalten, wur -
de zur wichtigsten Aufgabe auf der glo -
balen Agenda. Mir macht nun Sorge, dass
sich die Aufmerksamkeit der Welt wieder
anderen Problemen zuwendet, wenn die
Covid-19-Krise abflaut, und dass dann
die Pandemieprävention wieder auf die
hinterste Herdplatte geschoben oder viel-
leicht sogar ganz vom Feuer genommen
wird. Wir müssen jetzt handeln, solange
uns allen noch glasklar in Erinnerung ist,
wie furchtbar diese Pandemie war, und
wir müssen uns bewusst machen, wie
dringlich es ist, niemals mehr eine neue
entstehen zu lassen.
Gleichzeitig kann die Erfahrung auch
irreführend sein. Wir dürfen niemals an-
nehmen, die nächste pandemische Be-
drohung würde genau wie Covid-19 aus-
sehen. Vielleicht wird sie weniger gefähr-
lich für die älteren als für jüngere Leute
sein, oder sie lauert vor allem auf Ober-
flächen, die berührt werden
(Schmierinfektion), oder brei-
tet sich durch menschliche
Exkremente aus.
Sie könnte infektiöser sein
und leichter von einer Person
auf die andere übertragen wer-
den. Oder sie könnte noch töd-
licher sein. Und am schlimms-
ten wäre es, wenn sie tödlicher
und infektiöser wäre. Es könnte
auch sein, dass die nächste Pan-
demie von Menschen verur-
sacht wird. Zwar sollten sich die
Planungen der Weltgemein-
schaft vor allem auf den Schutz
gegen natürliche Pathogene
fokussieren, doch sollten die
AGENDA
wir Rechnung tragen, indem wir in mehr
Produktionskapazitäten und in Innova-
tionen investieren, die den Technologie-
transfer erleichtern.
- Ein GERM-Team aufbauen
Die Welt muss außerdem ein Team von
etwa 3000 Menschen aufbauen, dessen
Vollzeitjob es ist, sich auf Ausbrüche vor-
zubereiten und Pandemien zu verhindern.
Ich nenne es Globales Seuchenschutz-
und Mobilisierungsteam oder kurz
GERM-Team. Um diese Idee zu verwirk-
lichen, werden die Staaten Ressourcen
bereitstellen und dafür sorgen müssen,
dass das Team personell gut ausgestattet
wird. Beim Aufbau und der Koordinierung
des Teams können viele Organisationen
beratend mitwirken, aber sein Jahres -
budget muss fast vollständig von den
wohlhabenden Staaten finanziert wer-
den. Die Gruppe sollte von der WHO als
globale Ressource gemanagt werden.
Um die Finanzmittel und die in der
Grup pe geleistete Arbeit möglichst effi-
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Mir macht nun
Sorge, dass
sich die Auf-
merksamkeit
der Welt
wieder anderen
Problemen
zuwendet
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Überglücklich Es war ihre erste Umarmung
nach fünf Monaten: Eine Krankenschwester
drückte die 85-jährige Rosa Luzia Lunardi fest
an sich. Ihr Altenheim in São Paulo hatte
einen Plastikvorhang entwickelt, um der alten
Dame diesen Moment zu schenken