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Steiermark Magazin 5 • 2017
FOTOS: CHRISTOPH BIEBER, BEIGESTELLT
DER KLANG IST EINE
CHARAKTERSACHE
Er gilt als eines der großen Talente am Dirigentenpult: David Holzinger.
Im Ausseerland hat er seine Wurzeln, weltweit ist er unterwegs. Sein
Leitsatz: „Dirigieren erfordert eine Menge Mut.“
Z
wei Meter groß, voller Ener-
gie und er würde als Frisu-
renmodel Erfolg haben, Da-
vid Holzinger ist aber ganz
in der Musik verankert. Aufgewachsen
ist der 33-Jährige in Bad Aussee, einen
großen Teil seiner Jugend verbrachte
er am Grundlsee. Die Naturgewalten,
die auch Strauss zur Alpensinfonie in-
spirierten, üben auf David Holzinger
noch immer eine magnetische Wir-
kung aus. „Das sein Zuhause nennen
zu dürfen, ist ein großer Luxus.“ In
Aussee begann er auch mit der Musik.
Klavier, dann Geige, in einer Band
spielte er Gitarre. Heute bereut er das
Engagement für die Gitarre ein wenig.
„Das war Fun, für die musikalische
Weiterentwicklung aber nicht ernsthaft
genug.“
Bald zog es ihn hinaus, zum Studi-
um nach Salzburg, dann Wien und
Dresden, wo er als Chefdirigent des
TU-Orchesters Dresden und des Kam-
merorchesters der Musikschule Dres-
den arbeitete. Zahlreiche weitere En-
gagements folgten, derzeit ist er Assis-
tent von Gustav Kuhn bei den Tiroler
Festspielen in Erl und hat die musika-
lische Leitung der Regieproben von
Rossinis Semiramide über. Mit dem
Amsterdam Chamber Orchester war er
zweimal auf Tournee in China und di-
rigierte mehrere Konzerte. Beim Fest
zur Eröffnung der Salzburger Festspie-
le hat er nun die musikalische Leitung
Von Werner Ringhofer
von La Serva Padrona, ein Intermez-
zo von G. B. Pergolesi.
Warum David Holzinger von der
Geige auf das Dirigentenpult wechsel-
te? „Weil ich mich immer mehr für das
gesamte Klangbild zu interessieren be-
gann.“ Der Perspektivenwechsel brach-
te aber nicht nur neue musikalische As-
pekte in sein Leben. Auch die Frage, wie
man ein Orchester leitet, beschäftigt ihn
natürlich. Manche großen Meister fie-
len eher durch einen nahezu schon mi-
litanten Führungsstil auf, andere wie
Claudio Abbado gingen einen anderen
Weg. „Er wusste so viel über Musik und
war selbst so ein guter Musiker. Deshalb
sind ihm die Orchester gefolgt, er war
eine Autorität.“ Sich selbst sieht David
Holzinger als Vermittler. „Das Wich-
tigste beim Dirigieren für mich ist es,
den Klang des Orchesters zu verbessern,
ohne dabei im Weg zu sein, und die Mu-
siker dort zu unterstützen, wo sie mich
wirklich brauchen.“ Aus seiner Zeit als
Geiger weiß er, dass viele Dirigenten
von den Musikern in Kategorien einge-
ordnet werden: Prediger, Lehrer etc.
„Das passiert mir hoffentlich nicht“, sagt
er und lächelt. Seine Arbeit sieht er viel
feiner, viel differenzierter.
Mit Selbstbewusstsein voranzuschrei-
ten, ist für den 33-Jährigen eine der we-
sentlichen Eigenschaften. „Ich kenne vie-
le Dirigenten, die sehr große Selbstzwei-
fel haben.“ Mache ich das richtig, bin ich
musikalisch genug, habe ich von der In-
terpretation etwas falsch verstanden?
„Manchmal zweifle ich auch und merke
dann, dass ich mich nur auf mein Gefühl
verlassen muss, dann ist es richtig.“
Zweifeln sei nicht ungesund, aber es kön-
ne auch sehr im Weg sein. „Den Mut zu
behalten, ist in der Kunst sehr wichtig.“
Musik sei eine Weiterbildung des
Charakters und das zeige sich im Klang.
Warum möchte ein Dirigent, dass eine
Stelle fortissimo klingt, obwohl in der
Partitur nur forte steht? „Das ist keine
Frage von Lautstärke, sondern des Cha-
rakters.“ Musik ist aber auch immer
eine Frage des Lernens. „Ich möchte
mein Wissen und mein Repertoire stän-
dig erweitern, mich tiefer reinknien
können in die Partituren. Es gibt so vie-
le auch vergessene Stücke. Klassische
Musik ist ein unendlicher Kosmos.“
ERSTMALS dirigiert David Holzinger
heuer bei den Salzburger Festspielen.
Schwerpunkt
Ausseerland-
Salzkammergut
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