Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1
50 http://www.aerointernational.de 10/2017

IndustrIe & technIk


D


er Luftverkehr über Europa wächst
wie schon lange nicht mehr. Im Juli
dieses Jahres waren es 4,2 Prozent
mehr Flugbewegungen als zwölf
Monate zuvor. Mit täglich zusätz-
lich 600 Flügen trug das Low-Cost-Segment
dazu bei, dass der Verkehr im Luftraum
über Europa immer weiter zunimmt. Das
Passagieraufkommen wächst noch schnel-
ler, aber die Fluggesellschaften setzen im-
mer größere Flugzeuge ein, sodass die Zahl
der Flüge langsamer wächst als die der Pas-
sagiere. Aber auf Dauer wird es eng werden
über unseren Köpfen. Im Sommer, wenn am
Himmel am meisten los ist, häufen sich die
Verspätungen; dann kommt das Flugsiche-
rungssystem an die Grenzen seiner Kapazi-
tät.
Fluggesellschaften und ihre Passagiere lei-
den darunter, dass der Himmel über Europa
ein Flickenteppich aus 27 nationalen Luft-

räumen ist, die zudem noch zwischen zivi-
len und militärischen Nutzern geteilt sind.
Besonders hinderlich für einen störungs-
freien Verkehrsfluss ist außerdem, dass die
einzelnen nationalen Flugsicherungsorga-
nisationen jeweils eigene IT-Systeme haben,
die sich mit denen der Nachbarn nicht ohne
Weiteres verstehen.
Verspätungen, vermeidbare Umwege und
Warteschleifen gehen ins Geld und belasten
die Umwelt. Die EU schätzt die zusätzlichen
Kosten auf drei Milliarden Euro. Es entste-
hen dadurch 50 Millionen Tonnen CO2.

Der groSSe Wurf iSt SchWierig
2004 wurde daher das Projekt Single Euro-
pean Sky (SES) ins Leben gerufen. Doch der
große Wurf eines einheitlichen Luftraums
von Portugal bis Zypern und von Sizilien bis
Spitzbergen scheiterte bislang an den Egois-
men verschiedener Mitgliedsstaaten. „Das

ursprüngliche SES-Ziel, die Flugsicherungs-
kosten zu halbieren, wurde bislang deutlich
verfehlt“, lautet die ernüchterte Bilanz der
Lufthansa. Immerhin gibt es Fortschritt auf
einzelnen Gebieten. In Bezug auf die Nut-
zung militärischen Luftraums etwa konn-
te eine Menge Flexibilität erreicht werden.
Aber auch der jüngste Versuch, die europä-
ische Einigung am Himmel voranzubrin-
gen, steckt derzeit fest, obwohl der Nutzen
auf der Hand liegt. Der Grund: Spanien und
Großbritannien finden keine Lösung, wie in
diesem Zusammenhang mit dem britischen
Gibraltar umgegangen werden soll.
Doch eine zeitgemäße und effiziente Flug-
sicherung ist nicht allein eine Frage des po-
litischen Willens. Auch die notwendigen
Technologien und Verfahren müssen ent-
wickelt und eingeführt werden. Und da geht
es dank eines Kunstgriffs erfreulicherweise
deutlich voran. Vor neun Jahren hat die EU
das Forschungsprogramm SESAR (Single
European Sky ATM Research) ins Leben
gerufen und dafür ambitionierte Ziele for-
muliert. Die Aufnahmefähigkeit von Luft-
raum und Flughäfen soll verdreifacht, der
CO2-Ausstoß um zehn Prozent verringert
und die durchschnittlichen europäischen

Die flugsicherung – hier Lotsen im tower des flughafens München – ist ein wichtiger
Bestandteil des europäischen Lufttraums

Die DSf Deutsche flugsicherung


  • hier der tower in München -
    ist für einen der 27 Lufträume
    zuständig


Kleine Schritte


auf Dem Weg


zur einheit


optiMierung DeS europäiSchen LufttrauMS
Seit 15 Jahren versucht die eu vergeblich einen
einheitlichen luftraum über europa zu schaffen und
damit einem Verkehrsinfarkt vorzubeugen.
Jetzt geht es voran, nicht politisch aber technologisch
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