Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

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Fotos Sammlung Peter Cronauer

Entscheidend waren jedoch Geschwin-
digkeit, Reichweite, Flexibilität und die
Möglichkeit Bomben zu laden. Schon früh
führte »die Entwicklung des Bombenkrieges
zur Schaffung einer neuen Flugzeugart«,
dem Großflugzeug.


Jenseits der Artillerie
General von Hoeppner skizzierte dessen Ein-
satzgebiet: »Je entschiedener die Kriegfüh-
rung den Charakter des Stellungskrieges an-
nahm, desto mehr häuften sich hinter der
feindlichen Front Massen von Munition, Ver-
pflegung und Kriegsgerät aller Art, desto aus-
gedehnter wurden die Eisenbahnanlagen und
Lagereinrichtungen für Mann und Pferd. Au-
ßerhalb der Reichweite der Artillerie gelegen,
ließen sie den Wunsch erstehen, sie durch
Masseneinsatz von Fliegerbomben zu zerstö-
ren. Weitere Ziele des Luftkrieges wurden die
widerstandsfähigen Bauten feindlicher Indus-
trieanlagen.« Dafür waren unter anderem
schwere Bomben vonnöten.
1915 steigerte man das Gewicht der Einzel-
bombe auf 50 Kilogramm. Hundert und mehr
Kilogramm standen damals nur »in Aus-


sicht«, wurden aber in der Folge kontinuier-
lich übertroffen: Schließlich warf ein deut-
sches »Riesenflugzeug« im Frühjahr 1918
erstmals eine 1000-Kilogramm-Bombe über
London ab. Weil ein einzelnes Flugzeug dabei

wenig auszurichten vermag, entstanden
»Kampfgeschwader«. Deren Einsatz erfordert
eine komplexe Organisation im Hintergrund.
So müssen geeignete Flugplätze für »G«- und
später auch »R«-Flugzeuge ausgewählt wer-
den, ebenso benötigt man entsprechend ge-
schultes Personal, ausreichend Nachschub an
Treibstoff, Ersatzteilen, Bomben und Muniti-
on, bis hin zu klaren Kommandostrukturen in
eigener Sache sowie Kommunikationswegen
zu anderen Truppenteilen.
Beispielsweise diente der Austausch mit
der Fernaufklärung dem klaren Erkennen des
Ziels, mit der eigenen Luftabwehr mussten
Nachteinsätze abgesprochen werden, damit
die ab- oder anfliegenden Kampfflieger nicht

versehentlich Schüsse von der eigenen Flak
abbekamen. Selbstverständlich weckten die
Kampfflieger insbesondere beim Heer das Be-
dürfnis, diese auch in Frontnähe einzusetzen.
Doch das Bombardieren einzelner, verstreut

liegender Stellungen oder Munitionsdepots,
die in der Nacht zudem kaum auszumachen
waren, bewährte sich nicht.
Im »operativen« Luftkrieg verzettelten
sich die Verbände und erzielten nur geringe
Wirkung, die »Schlachtfeldangriffe« stellte
man bald ein. Dagegen offenbarte sich der
Wert der Kampfgeschwader im »strategi-
schen« Luftkrieg, da »ihr Arm weiter reichte
als Feld- und schwere Artillerie«. »Es zeigte
sich wieder«, so General von Hoeppner, »dass
der zusammengefasste Angriff gegen ein gro-
ßes Ziel, der nächtelang andauerte, am besten
wirkte. So griffen zwei unserer Kampfge-
schwader mehrere Nächte hindurch den
feindlichen Flugplatz von Coudekerque an,
von dem aus der Gegner seine Bombenangrif-
fe auf die U-Boot-Werft Brügge ausführte.«
Nach drei Tagen hatte der Gegner den Platz
geräumt. Und das ist nur eines von vielen Bei-
spielen für die Effizienz von Kampffliegern,
»wenn die ganze Nacht hindurch Flugzeug
auf Flugzeug je 700 bis 1000 Kilogramm auf
denselben Ort wirft und sich diese Angriffe
Nacht für Nacht wiederholen.«

Kaum Zeit zum Reagieren
Selbstverständlich bewirkt im Krieg jede Ak-
tion eine Reaktion. Als Antwort auf die An-
griffe deutscher Luftschiffe auf England und
insbesondere auf London schuf Großbritan-
nien ein wirksames Abwehrsystem, das der-
artige Angriffe letztlich zum Erliegen brachte.

Einer der erfolgreichsten Bomber der Alliierten: Handley Page 0/400, hier in US-amerikanischen
Diensten. Sie konnte 748-Kilogramm-Bomben tragen

Die Zeit, als man Bomben per Hand abwarf,
gingen bald zu Ende und das Kaliber wuchs

Im Frühjahr 1918 warf man erstmals eine


1000-Kilogramm-Bombeüber England ab.


Frühe Sauerstoffversorgung mit Nasenklemme
und Schlauch mit Mundstück


Ausgerüstet für große Höhen – beheizbare
Fliegerkombis für hochfliegende Aufklärer

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