Flugrevue April 2017

(Barré) #1

heitsabstände zwischen Flugzeugen. Eine
Boeing 737 muss beispielsweise sieben
nautische Meilen (rund 13 Kilometer)
Distanz zu einem vorausfliegenden Air-
bus A380 einhalten. In der zeitlichen
Staffelung entspricht das beim Landean-
flug einem Minimum von drei Minuten
Abstand. Doch das beschränkt die Kapa-
zität von Flughäfen.
Gerade für kleine und mittlere Flug-
zeuge sind die Wirbel vorausfliegender
schwerer Maschinen eine nicht zu unter-
schätzende Gefahr. Denn neben Windge-
schwindigkeit, Turbulenzniveau und
Temperaturschichtung hängt die Stärke
und Lebensdauer von Wirbelschleppen
wesentlich von den Eigenschaften eines
Flugzeugs ab: Je höher die Masse, je lang-
samer die Geschwindigkeit über Grund
und je kleiner die Spannweite, desto stär-
ker sind die an Flügelenden und Klappen
entstehenden Wirbel. Gerät ein Flugzeug
hinein, dreht es sich um die Längsachse;
fliegt es zwischen zwei Wirbel, kann es
stark an Höhe verlieren.
„Auf den letzten 100 Metern über
dem Boden ist die Wahrscheinlichkeit ei-
ner Wirbelbegegnung am höchsten“, sagt
Dr. Frank Holzäpfel vom Institut für
Physik der Atmosphäre des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR). Um den kritischen Endanflug si-
cherer zu machen, arbeiten Holzäpfel
und sein Team seit etwa sechs Jahren an
einer Lösung: ein System parallel hinter-


einander angeordneter Platten
vor der Landebahn. An ihnen
bilden sich Sekundärwirbel, die
Wirbelschleppen schneller zer-
fallen lassen. Kombiniert wer-
den die Platten mit einem laser-
gestützten Vorhersage- und Be-
obachtungssystem am Boden.
Im ersten Halbjahr 2018
soll die DLR-Lösung am Air-
port Wien-Schwechat getestet
werden.

FORSCHER VERFEINERN
WIRBELPROGNOSEN
Nicht nur bei Start und Lan-
dung, auch im Reiseflug sind Wirbel-
schleppen ein Thema. Seit etwa fünf Jah-
ren entwickelt und testet das DLR des-
halb ein entsprechendes Warn- und Aus-
weichsystem für das Cockpit. Aus der
genauen Position, der Geschwindigkeit,
dem Gewicht und Wetterinformationen
des vorausfliegenden Flugzeugs kann es
potenziell gefährliche Wirbelschleppen
vorhersagen, mögliche Konflikte erken-
nen und Kurs- oder Höhenänderungen
vorschlagen. In Flugversuchen mit dem
DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA
wurde das System Ende 2016 erprobt,
zunächst hinter der DLR-eigenen Fal-
con, später auch hinter Linienflugzeu-
gen. „Diese senden aber lediglich einen
Teil der benötigten Daten über ADS-B
an Flugzeuge in der Umgebung“, sagt

Tobias Bauer, Projektleiter vom DLR-In-
stitut für Flugsystemtechnik. Man könne
zwar Annahmen für die fehlenden Werte
treffen, das bedeute jedoch eine größere
Unsicherheit in der Wirbelvorhersage.
Dennoch ist Bauer mit den ersten Ergeb-
nissen der Flugerprobung zufrieden. In
einem nächsten Schritt sollen weitere
Testflüge hinter Airlinern stattfinden,
auch die Bahnführung für das Auswei-
chen und die Prognosemethoden sollen
weiter verbessert werden. Bis ein solches
Wirbelschleppen-Ausweichsystem tat-
sächlich in der kommerziellen Luftfahrt
eingesetzt wird, könnten nach Bauers
Einschätzung aber noch einige Jahre ver-
gehen.

   Bei unendlich großer Spann-
weite gäbe es in der Theorie
keine Wirbelschleppen.

   Einen solchen Minimalabstand
gibt es nur auf Airshows, wo
sich die Testpiloten im Blick
haben. Im Vordergrund eine
landende A380, im Hinter-
grund eine startende A350.

FR

http://www.flugrevue.de FLUG REVUE A pr i l 2017^21

Free download pdf