Flugrevue April 2017

(Barré) #1

Fenestron


FOLGE 024


Nach den vielen Experimenten in der
Anfangszeit dominiert im Hubschrau-
berbau seit vielen Jahrzehnten die Ausle-
gung mit einem Hauptrotor, der über ein
Getriebe von Kolbenmotoren oder heute
überwiegend von Wellenturbinen ange-
trieben wird. Dabei wird ein der Rotor-
drehrichtung entgegengesetztes Moment
auf den Rumpf erzeugt. Ein Ausgleich
dieses Drehmoments um die Hochachse
ist also notwendig, um für Stabilität und
Steuerbarkeit zu sorgen. Hierfür muss ei-
ne Gegenkraft erzeugt werden, möglichst
weit von der Hauptrotorwelle entfernt,
um von der Hebelwirkung zu profitieren.
Neben einem senkrecht oder annä-
hernd senkrecht montierten Heckrotor
sowie Speziallösungen wie dem NOTAR
(Strömungsbeeinflussung um den Heck-
ausleger mittels Düsen und Schlitzen)
hat sich insbesondere bei Airbus Heli-


copters der sogenannte Fenestron (Fens-
terchen) etabliert. Dabei handelt es sich
um ein ummanteltes Gebläse, das sich in
der Finne befindet und somit nicht wie
beim Heckrotor teils von dieser abge-
schirmt wird. Daher reicht ein kleinerer
Durchmesser aus. Dies auch bedingt
durch die Tatsache, dass durch eine ent-
sprechende aerodynamische Form des
Mantels auf der Saugseite eine Druckab-
senkung und auf der Druckseite eine
Druckanhebung erreicht werden. Die
Form des Einlaufs muss so gestaltet wer-
den, dass auch im schnellen Vorwärts-
flug noch genügend Luft in den Fan
kommt. Insgesamt darf die Finne nicht
zu groß werden, um den Gewichtsnach-
teil in Grenzen zu halten.
Ein Vorteil des Fenestron ist die er-
höhte Sicherheit von Personen am Bo-
den und der Schutz des Gebläses gegen

Fotos: Airbus Helicopters, Airbus Helicopters/Pecchi; Karl Schwarz

KARL SCHWARZ

Die H145 (links) und die H120 (oben rechts) haben einen Fenestron zehn bzw. acht
Blättern und vielen Abstrebungen des Getriebes. Im Bluecopter testete Airbus
Helicopters optimierte Blätter aus Verbundwerkstoff und mit weniger Streben.


FR

Hindernisberührungen. Da er jedoch
vergleichsweise schnell dreht (zum Bei-
spiel 4706 rpm bei der SA 365N),
kommt es zu einer Lärmabstrahlung im
oberen hörbaren Frequenzbereich, was
als sehr unangenehm empfunden wird.
Forschungsprogramme und Versuche
führten jedoch zu erheblichen Verbesse-
rungen. So sind die Fanblätter nun mit
ungleichmäßigen Abständen montiert,
um den abgestrahlten Lärm auf mehrere
Frequenzbereiche zu verteilen. Mit dem
Bluecopter untersuchte Airbus Helicop-
ters zuletzt auch noch die Möglichkei-
ten, Strukturen zur Lärmminderung in
die Ummantelung zu integrieren, was ei-
ne weitere Senkung des Geräuschpegels
um 50 Prozent bringen könnte.
Der erste Serienhubschrauber mit ei-
nem Fenestron war die Aérospatiale SA
341 Gazelle, deren Erprobung mit einem
Fenestron im April 1968 begann. Später
statteten die Franzosen auch ihre Dau-
phin mit einem Fenestron aus. Muster
wie die H135 (ehemals Bo 108/EC135)
sowie zuletzt die H145 (BK-117-Fami-
lie) wurden sogar von Heckrotor auf Fe-
nestron umgestellt. Bei letzterem Modell
ersetzte ein Gebläse mit 1,15  Meter
Durchmesser einen 1,96 Meter großen
Heckrotor. Laut Hersteller trägt dies da-
zu bei, den Hubschrauber je nach Flug-
phase 1 bis 2,5 EPNdB leiser zu machen.
Der schwerste Hubschrauber des Unter-
nehmens mit Fenestron ist derzeit die
H160 mit einer Abflugmasse von sechs
Tonnen. Auch andere Firmen setzten
vereinzelt auf den ummantelten Heckro-
tor, dürfen diesen aber wegen Patent-
rechten nicht als Fenestron bezeichnen.
Als Beispiel sind die Boeing/Sikorsky
RAH-66 Comanche, die Kamow Ka-60/62
und die Kawasaki OH-1 zu nennen.

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