heumaps0517

(Ben Green) #1
bei heute über 90-Jährigen im Vergleich zu über
90-Jährigen, die nur zehn Jahre früher untersucht
wurden, die geistige Leistungsfähigkeit deutlich ver-
bessert hat.
Vergleicht man die Entwicklung des chronologi-
schen und des subjektives Alters über die Lebens-
spanne hinweg, so zeigt sich, dass wir uns fast nie so
alt fühlen, wie wir tatsächlich sind. Jugendliche und
junge Erwachsene fühlen sich mehrheitlich älter, als
sie kalendarisch sind, zumindest wären sie es gerne.
Mit etwa Mitte 20 kippt dieses „Sich-älter-Fühlen“
allerdings, und die meisten Menschen fühlen sich
nun subjektiv jünger. Diese Diskrepanz zwischen
subjektivem und realem Alter steigt im Laufe des
Lebens weiter an. Gleichzeitig gibt es auch eine klei-
ne Gruppe, die sich in der Tat älter fühlt, als sie ka-
lenda r isch ist. Aber d ie „nor ma le Sit uat ion“ ist eben
„Je älter, desto jünger“.
Untersuchungen zu Geschlechterunterschieden
zeigen übrigens, dass sich Frauen im mittleren und
höheren Lebensalter tendenziell jünger fühlen als
Männer. Unklar ist allerdings, ob dieser Befund tat-
sächlich als Ausdruck eines jüngeren Alternserlebens
bei Frauen verstanden werden darf oder eher als In-
dikator einer selbstwertdienlichen Strategie: Ältere
Frauen haben möglicherweise, nicht zuletzt aufgrund
des doppelten Standards des Alterns, ein größeres
Bedürfnis als ältere Männer, sich von ihrem chro-
nologischen Alter und damit offensichtlichen äuße-
ren Alterungserscheinungen zu distanzieren.
Hängen unterschiedliche subjektive Altersbewer-
tungen tatsächlich mit unterschiedlichen Gesund-
heitszuständen zu einem späteren Zeitpunkt zusam-
men? Mein Forschungsteam hat zusammen mit an-
deren Kooperationspartnern weltweit in den ein-
schlägigen wissenschaftlichen Fachjournalen alle
Längsschnittstudien ausfindig gemacht, die dieser
Frage nachgegangen sind. Unsere Analyse zeigt, dass
Menschen, die sich jünger fühlen beziehungsweise
ihr eigenes Älterwerden positiver bewerten, auch Jah-
re später noch eine insgesamt bessere Gesundheit

aufweisen. Zudem zeigt sich, dass sie auch länger
leben – und zwar nicht nur ein paar Monate, sondern
ein paar Jahre!

Ich bin so alt, wie ich übers Alter denke
Die psychologische Altersforschung hat ein ganzes
Arsenal an Fragebögen entwickelt, um subjektiven
Altersbewertungen und ihrer Bedeutung auf die Spur
zu kommen.
Ein sehr häufig genutztes Verfahren zur Erfassung
der Einstellungen zum eigenen Älterwerden ist von
dem amerikanischen Alternspsychologen M. P. Law-
ton entwickelt worden. Dabei werden die folgenden
fünf Aussagen vorgelegt, und bei jeder Frage ist ent-
weder „ja“ oder „nein“ anzukreuzen.
(1) Das Leben wird härter, je älter ich werde.
(2) Ich habe noch genauso viel Schwung wie im letz-
ten Jahr.
(3) Je älter ich werde, desto weniger werde ich ge-
braucht.
(4) Mit zunehmendem Alter geht es mir eigentlich
besser, als ich dachte.
(5) Ich fühle mich heute noch genauso glücklich und
zufrieden wie früher.

Hier wird nicht direkt nach Krankheiten gefragt,
sondern eben allgemein danach, ob das Leben „här-
ter“ wird. In der „Schwung“-Frage geht es um Vita-
lität und Lebensenergie, die ein ganzes Leben lang
wichtig sind. Gebrauchtwerden ist gerade auch spät
im Leben sehr bedeutsam, wenn einige der klassi-
schen Rollen, wie Elternrolle und Berufsrolle, nicht
mehr gefragt sind. Frage 4 und 5 sind positiv formu-
lierte Fragen zum eigenen Befinden (hier dürften
auch gesundheitliche Belange stark einf ließen) und
zu Glück und Zufriedenheit – das ist aus meiner Sicht
das „Salz des Alterns“.
Ob gesellschaftlich vorherrschende Altersstereo-
type direkte Wirkungen auf Verhalten, Leistungen
und Erleben von Älteren haben, wird oftmals in ex-
perimentellen Anordnungen untersucht. Dazu zeigt
man beispielsweise Menschen in sehr kurzen Ein-
blendungen auf einem Computerbildschirm Wörter,
die unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle
liegen. Der Clou: Man streut Wörter wie „alt“ in ei-
ne solche Wortliste ein und untersucht danach, ob
dies Wirkungen zeigt. Erwartet wird, dass durch die
vorbewusste Wahrnehmung derartiger Begriffe ne-
gative Altersstereotype ausgelöst werden. Und dass
diese sich dann auch im Verhalten der Versuchsteil-
nehmer niederschlagen. Oder den Versuchsteilneh-
mer n werden z u fä l l ig posit ive oder ne gat ive A n sich-

Menschen, die sich


jünger fühlen, als sie sind,


sind gesünder. Und sie


leben länger

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